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Blick auf die James Simon-Galerie von der Schlossbrücke aus (Computersimulation). Der Architekt David Chipperfield modifizierte später seinen ursprünglichen Entwurf aus Glas und Stahl.

© dpa

James-Simon-Galerie: Architektur und Angst

Da war doch mal was: Für die James-Simon-Galerie an der Museumsinsel wird jetzt der Grundstein gelegt. Es gab mal erbitterten Streit um den Entwurf des Architekten Chipperfield. Alt gegen Neu, eine der Lieblingskontroversen in Berlins Kulturszene.

Rettet die Museumsinsel! Aufregung, Empörung, Volksbegehren, da war doch mal was, gut sechs Jahre ist es jetzt her. Prominente Unterstützer von Lea Rosh bis Günther Jauch sammelten Unterschriften gegen die Verschandelung der Weltkulturerbestätte im Herzen Berlins, publizierten, agitierten, warnten. Rettet die Museumsinsel: Nichts gegen einen zentralen Eingang für die Museen am Kupfergraben, aber um Himmels willen keinen Stahl- und Glaskasten, keinen Chipperfield, keine neue Architektur, so der Tenor derer, die den Fehdehandschuh warfen. Von Toilettenhäuschen und Gewerbekiste war die Rede.

Und heute? Bald ist Grundsteinlegung für die James-Simon-Galerie. Die neue Eingangshalle mit Kasse, Garderobe, Shop und Café, breiter Freitreppe und Archäologischer Promenade, die alle Kunsttempel der Insel miteinander verbindet, ist nach dem Museumsmäzen der Wilhelminischen Ära benannt, der Bau wurde aus Kostengründen verschoben, jetzt ist es so weit. Am 18. Oktober versammeln sich Museumsdirektoren, Kulturstaatsminister und Honoratioren von Land und Bund zum feierlichen Akt. War da mal was?

Ach, Berlin, möchte man seufzen, so geht es immer und immer wieder. Der Pariser Louvre, das British Museum in London, sie haben spektakuläre zeitgenössische Entrees aus Stahl und Glas, den Baumaterialien der Gegenwart. Auch beim Louvre gab es Proteste, aber I.M. Peis gläserne Pyramide wurde realisiert, kongenial zwischen historischen Mauern. Diesen Mut – zu dem eigentlich nicht mehr gehört als ein bisschen Lust auf Heutiges – hat Berlin nicht. David Chipperfield modifizierte damals seinen Entwurf, die Proteste sind verstummt. Nun wird es ein historisierendes Gebäude, Reminiszenz an die Stüler’schen Kolonnaden auf hohem, steinernem Sockel.

Nichts gegen Kompromisse. Sie sind normal bei öffentlichen Bauten und führen oft zu großartigen Ergebnissen, siehe Holocaust-Mahnmal. Aber in Berlin, dieser vor Geschichte und Gegenwart nur so berstenden Stadt, regiert das Misstrauen, ja die Angst vor der Moderne in der Architektur wie in der Kunst. Siehe Schloss, siehe die Absage an Peter Zumthor bei der Topographie des Terrors neben dem Martin-Gropius-Bau, siehe den Museumsstreit um Alte Meister und Neue Nationalgalerie. Zeitgenössisches Bauen hat in der Hauptstadt keine Lobby, schon gar nicht in traditionellem Ambiente. Einzige Ausnahme: Sir Norman Fosters Reichstagskuppel. Ein leuchtender Solitär, der von der Schönheit der Liaison zwischen Alt und Neu kündet. Bloß hören will die Botschaft hier keiner.

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