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In der Nacht zum 1. Februar 2018 wurde auf das Auto des Linken-Politikers Ferat Kocak ein Brandanschlag verübt.

© dpa/Ferat Kocak

Exklusiv

Anschlagsopfer wurde nicht gewarnt: Berliner Polizeidatenbank bis heute ohne phonetische Suche

Nach einem rechten Anschlag kam heraus, dass die Polizei zuvor Hinweise auf das Opfer hatte. Doch der Name wurde falsch notiert. Noch immer ist die Behördentechnik nicht aufgerüstet.

In der Nacht zum 1. Februar 2018 verübten mutmaßlich Rechtsextreme einen Brandanschlag auf das Auto des Berliner Linken-Politikers Ferat Koçak. Der rote Smart parkte in einem Carport neben dem Wohnhaus, in dem Koçak mit seinen Eltern schlief. Die Frage, die ihn bis heute beschäftigt: Hätte der Anschlag verhindert, hätte er vorher gewarnt werden können? Darauf deutet einiges hin.

Bis heute ist ein wesentliches Versäumnis in den Polizeidatenbanken, anders als vom Senat zunächst behauptet, nicht ausgeräumt worden. Das heißt: Im schlimmsten Fall könnte sich der Vorgang wiederholen. Das zeigt eine bislang unveröffentlichte Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Niklas Schrader, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Hauptverdächtige in erster Instanz freigesprochen

Der Anschlag auf Koçak gilt als Höhepunkt der rechten Anschlagsserie in Neukölln, der die Ermittler:innen mindestens 72 rechte Straftaten zuordnen. Die Hauptverdächtigen wurden in erster Instanz vor Gericht freigesprochen. Seit zwei Jahren widmet sich ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus den Ermittlungspannen und Versäumnissen rund um die Anschlagsserie.

Bereits im November 2019 musste Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses eine Panne eingestehen: Sie erklärte, in Koçaks Fall hätten die Beamt:innen die vorliegenden Informationen nicht „zeitgerecht zusammengeführt“, so habe es eine „lückenhafte Bewertung“ gegeben.

Ermittler hatte Namen falsch geschrieben

Konkret habe ein Ermittler im September 2017 ein Telefonat der verdächtigten Rechtsextremen abgehört, bei dem über Koçak gesprochen wurde. Allerdings habe der Beamte den Namen in falscher Schreibweise notiert, nämlich „Kotschak“ statt Koçak.

Dies habe zu Folgefehlern geführt, denn die entsprechende Datenbank sei nicht zum phonetischen Abgleich in der Lage. Das betraf – ausgerechnet – die Datenbank für Überwachungsmaßnahmen bei der Telekommunikation (TKÜ), wo es naturgemäß häufiger zu falsch geschriebenen Namen kommen dürfte.

Alle übrigen Polizeidatenbanken sind laut Senat bereits seit Jahren mit einer phonetischen Suche ausgestattet. Im Dezember 2019 verkündete der Senat, dass eine entsprechende Softwarelösung für die TKÜ „mittlerweile umgesetzt wurde“.

Die Pressemitteilung ist mittlerweile von der Seite des Senats verschwunden, aber noch in Webarchiven abrufbar. Wohl aus Gründen, wie sich zeigt: Denn sie war offenbar gelogen. Nach jüngsten Angaben ist bis heute keine phonetische Suche in der TKÜ-Datenbank möglich. Das antwortete Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) auf Anfrage Schraders.

Zwar sei eine neue Software installiert worden – diese ermögliche aber lediglich, „Personen, zu denen nur Namensbestandteile oder Spitznamen bekannt sind, mit einem vorher festgelegten Schlagwort, zum Beispiel ‚phonetisch‘, zu versehen.“ Zugleich gesteht Hochgrebe ein: „Diese Recherchefunktion hat aber nicht den Funktionsumfang einer phonetischen Suche.“ Eine Gefährdung der Ermittlungen sieht der Staatssekretär dadurch nicht.

Fragesteller Schrader reicht das nicht: „Nur durch gezielte Nachfragen kommt heraus, dass Defizite, die beim Anschlag auf Familie Koçak bestanden, weiterhin bestehen“, sagte er. „Entweder hat der Senat bewusst falsch informiert oder er weiß nicht, was in den Behörden passiert. Beides ist desaströs. Betroffene rechter Gewalt müssen jetzt erneut die Erfahrung machen, dass sie sich auf die Sicherheitsbehörden nicht verlassen können.“

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