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Der Amokfahrer hatte in der City West am Mittwoch eine Frau getötet und mehr als 30 Personen verletzt, darunter mehrere Schüler.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Verdacht auf paranoide Schizophrenie: Amokfahrer vom Berliner Breitscheidplatz muss in die Psychiatrie

Einen Tag nach der Todesfahrt hat ein Gericht den 29-jährigen Beschuldigten eingewiesen. Ihm werden ein vollendeter und 17 versuchte Mordtaten vorgeworfen.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den 29-jährigen Amokfahrer vom Breitscheidplatz einen Tag nach der Tat per Unterbringungsbefehl in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Das teilte die Berliner Staatsanwaltschaft am späten Donnerstagnachmittag auf Twitter mit. Diese hatte am Nachmittag einen entsprechenden Antrag angekündigt.

Gor H. hatte bei seiner Amokfahrt in der City West am Mittwoch eine Frau getötet und mehr als 30 Personen verletzt, darunter mehrere Schüler.

Ihm werden ein vollendeter Mord und 17 versuchte Mordtaten vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm zunächst einen Mord und 32 versuchte Morde vorgeworfen. Dem folgte das Gericht nur teilweise. Für „weniger schwer verletzte Personen“ werde „ein Tötungsvorsatz nicht mehr angenommen“, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft geht bei der Todesfahrt am Kurfürstendamm von einer vorsätzlichen Tat aus. Was am Mittwoch noch unklar war, habe sich nun erhärtet, sagte Sprecher Sebastian Büchner am Donnerstagnachmittag: „Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es eine psychische Beeinträchtigung bei dem Beschuldigten gab, die auch Anlass war für die gestrige Tat.“

Im Rahmen der Durchsuchungen seien Medikamente gefunden worden, inzwischen habe der 29-Jährige auch über seinen Verteidiger behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht entbunden, „insofern spricht recht viel für eine paranoide Schizophrenie“, sagte Büchner. Es gebe bisher keine Erkenntnisse, dass der Mann schon einmal psychisch auffällig war.

Ermittler gehen von Schuldunfähigkeit aus

Ob die Erkrankung des Mannes für das Geschehen tatsächlich ursächlich ist, müssten nun weitere Ermittlungen zeigen. Die Staatsanwaltschaft geht den Angaben zufolge von einer Schuldunfähigkeit aus. „Im Augenblick ist es, was diese Beantragung des Unterbringungsbefehls betrifft, die erste Prognose, dass es wahrscheinlicher ist, dass er in schuldunfähigem Zustand gehandelt hat, als dass er tatsächlich selbst schuldfähig war“, sagte Büchner.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen neben Mord und versuchtem Mord einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vor. Die Mordmerkmale seien Heimtücke und Begehung mit gemeingefährlichen Mitteln.

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Gor H. fuhr nach derzeitigen Erkenntnissen der Ermittler am Mittwochvormittag mit einem Renault Clio in Höhe der Rankestraße am Breitscheidplatz auf einen Gehweg und dort in mehrere Personen. Anschließend fuhr er auf der Fahrbahn weiter Richtung Wittenbergplatz, wobei er eine andere Person anfuhr und nach dem Zusammenstoß mit einem Auto in Höhe der Marburger Straße im Schaufenster eines Geschäfts zum Stehen kam. Zeugen hätten den aussteigenden Fahrer vor Ort festgehalten und übergaben ihn der Polizei, hieß es in einer gemeinsamen Meldung von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Eine Tote, mehr als 30 Verletzte

Die Lehrerin einer 24-köpfigen Schülergruppe aus Hessen starb noch am Unfallort. Neben dem Fahrer wurden laut der Mitteilung insgesamt 32 Menschen verletzt. Demnach wurde ein Kollege der Lehrerin schwer verletzt – er schwebt nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Donnerstagnachmittag in Lebensgefahr. Außerdem kamen sieben Jugendliche ihrer Schülergruppe schwer verletzt in Krankenhäuser, ebenfalls sieben Schüler wurden leicht verletzt.

Zudem wurden laut Polizei 17 weitere Passanten unterschiedlich schwer verletzt und medizinisch versorgt. 50 andere Personen seien psychologisch betreut worden.

Der Amokfahrer wurde ebenfalls verletzt und kam in ein Krankenhaus, anschließend wurde er der Kriminalpolizei überstellt, hieß es in der Mitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Der Mann sei „bewusst mit seinem Fahrzeug“ in eine erste Gruppe von Menschen an der Ecke Ku'damm und Rankestraße sowie dann auf der Tauentzienstraße in eine Gruppe von Schülern und Lehrern gefahren, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Der Beschuldigte war wegen Bagatelledelikten polizeibekannt

Es gebe keine Anhaltspunkte für einen terroristischem Hintergrund, erklärte Büchner weiter, auch ein Unfall lasse sich ausschließen. Ein Bekennerschreiben sei nicht gefunden worden.

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Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, der Beschuldigte armenischer Herkunft sei 2015 in Deutschland eingebürgert worden.

Bei der Polizei sei er mehrfach aufgefallen, es habe Ermittlungen gegeben wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Beleidigung. Über politische und extremistische Taten sei nichts bekannt. Laut Staatsanwaltschaftssprecher Büchner erhielt der nun Beschuldigte 2014 eine richterliche Verwarnung nach Jugendstrafrecht wegen Diebstahls. (mit dpa)

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