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Eine Anwohnerinitiative organisiert die Temporäre Spielstraße im Kreuzberger Graefekiez ab sofort von März bis September.

© Kai-Uwe Heinrich

„Das kann der Türöffner sein“: Am Mittwoch eröffnet Berlins erste Temporäre Spielstraße

In Kreuzberg wird ab Mittwoch ein Teil der Böckhstraße zur Spielstraße. Die Initiatoren hoffen auf Nachahmer und verweisen auf den Spielstraßen-Boom in London.

Von Christian Hönicke

Am Mittwoch wird Berlins erste Temporäre Spielstraße eingerichtet – im Beisein von Verkehrssenatorin und Bezirksbürgermeisterin. Ein Teil der Böckhstraße in Kreuzberg ist künftig mittwochs von 14 bis 18 Uhr für Autos gesperrt. Wir haben mit Cornelia Dittrich vom „Bündnis Temporäre Spielstraßen“ gesprochen. Die 50-jährige Architektin lebt in Prenzlauer Berg.

Frau Dittrich, nach jahrelangem Kampf sind Sie am Ziel. Glücklich?

Natürlich. Das ist ein Riesenerfolg, ein absolutes Novum in Berlin.

Ein neues Schild weist nun auf die Temporäre Spielstraße hin. Das wird nicht reichen, um Autos aus der Straße verbannen.

Die Anwohnerinitiative in Kreuzberg hat mit dem Straßenverkehrsamt einen Vertrag geschlossen. Darin verpflichten sich die Anwohner, mobile Straßenschranken aufzustellen. Die werden künftig mittwochs aufgestellt und abends dann wieder abgebaut und zwischengelagert.

Anwohner als Schrankenwärter?

Wir haben festgelegt, wer wann dafür zuständig ist. Das müssen mindestens vier Leute sein. In London heißen die „Stewards“ und tragen eine Weste, um als Ansprechpartner erkennbar zu sein. Die öffnen auch die Schranken, wenn mal eine alte Dame ins Krankenhaus gefahren werden muss. Klar ist: Ohne Initiative aus der Anwohnerschaft kann es keine Spielstraße geben. Man muss es anstoßen und Verantwortung übernehmen. Auch ob die Spielstraße in zehn Jahren noch existiert, hängt von den Anwohnern ab.

Erwarten Sie Ärger mit Autofahrern?

Natürlich wird es Leute geben, die sich aufregen. Andererseits geht es um spielende Kinder – und ich glaube schon, dass die meisten dafür ein Herz haben.

Was passiert mit parkenden Autos?

Das ist etwas schwieriger. Das Schild beinhaltet ein Durchfahrts- und Halteverbot für Fahrzeuge jeder Art. Aber in London und auch in Bremen wird nicht abgeschleppt – auch ich bin nicht unbedingt dafür. Man will ja keinen Ärger machen, sondern Schönes schaffen – und ein abgeschlepptes Auto erregt die Gemüter.

Die Böckhstraße in Kreuzberg.

© Pieper-Meyer

Ich glaube aber schon, dass es ein Bußgeld geben wird. Wir müssen aber auch für die Kinder noch ein paar Regeln aufstellen. Etwa dass dort keine echten Fußbälle verwendet werden – sondern nur Softbälle, um keine Scheiben zu zerschießen.

Sie wohnen in Prenzlauer Berg und wollen dort schon seit 2015 eine Temporäre Spielstraße in der Gudvanger Straße einrichten.

Das fing eigentlich schon 2009 an, als wir an der Gethsemanekirche einen autofreien Platz vorgeschlagen haben.

Andere Anwohner kämpften damals erfolgreich für ihre Parkplätze.

Dabei ergab unsere Umfrage generell eher Zustimmung im Kiez. Die meisten hatten eher Angst vor nächtlichen Feiereien. Daher hatten wir die Idee mit der Temporären Spielstraße. Allerdings sah der Bezirk an der Gethsemanekirche dafür schon zu viel verbrannte Erde.

Also kam die nahe Gudvanger Straße ins Spiel. Doch auch dort tut sich trotz des BVV-Beschlusses seit 2015 nichts.

Das liegt an der Straßenverkehrsbehörde. Die in Kreuzberg ist besonders, in Pankow ist sie eher wie überall sonst auch: Dort sitzen in der Regel Leute, die finden, Straßen sind nur für Autos da. Aber ich bin ganz sicher: Schon bald wird das auch in Pankow kommen.

Welche Straßen umfasst Ihr Bündnis noch?

Insgesamt sind es vier. Neben Gudvanger und Böckhstraße gibt es noch die ursprüngliche Initiative Gethsemanekirche. Die ruht zwar derzeit, nur einmal im Jahr sperren wir die Straße zum Weltspieltag. Aber vielleicht werden wir einen neuen Anlauf starten, wenn es ein einfaches Antragsverfahren in Berlin gibt.

Jeden Mittwoch wird ein Teil der Böckhstraße zur Spielstraße.

© Kai-Uwe Heinrich

Es gibt außerdem eine Initiative in der Templiner Straße in Mitte. Dort sammeln wir wie in Kreuzberg derzeit die 1000 nötigen Unterschriften für einen Einwohnerantrag in der BVV. Auch Anwohner aus der Großen Hamburger Straße und dem Sprungschanzenweg in Zehlendorf haben Interesse bekundet.

Erhoffen Sie sich von der Böckhstraße eine Signalwirkung für ganz Berlin?

Natürlich, Kreuzberg könnte der Türöffner sein. In London hat das die Initiative „London Play“ angestoßen, inzwischen wird die Einrichtung von Temporären Spielstraßen durch die Stadt aktiv betrieben. Durch ein einfaches Beantragungsverfahren wurden innerhalb von drei Jahren mehr als 100 geschaffen. Das erhoffen wir uns für Berlin auch und fordern ein einfaches Antragsverfahren. Das ist zwar Bezirkssache, aber es wäre extrem hilfreich, wenn vom Senat die klare Ansage kommt, dass man das unterstützt

Verkehrssenatorin Regine Günther kommt am Mittwoch zumindest zur Einweihung.

Das ist ein wichtiges Zeichen. Wir wollten zuerst, dass sie symbolisch ein Band durchschneidet. Aber es geht ja nicht um eine Eröffnung, sondern um das Gegenteil. Wir lassen uns noch etwas einfallen.

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