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Badespaß im Freibad (Symbolbild).

© picture alliance / dpa

Schwimmbäder in Berlin: „Alle Bäder offen zu halten, grenzt an ein Wunder“

Der Sanierungsstau bei Schwimmbädern ist groß, Neubauten ziehen sich hin. Der Chef der Berliner Bäderbetriebe im Interview über Pommes, Prinzenbad und Personalknappheit.

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Herr Scholz-Fleischmann, was wird am meisten am Freibad-Kiosk verkauft?

Die Klassiker, Pommes rot-weiß, am Abend gern eine Berliner Weiße. Auch Currywurst geht gut. Und Salat wird heute mehr gegessen als vor zehn Jahren.

Die Besucherzahl in den Freibädern ist von 1,59 Millionen in 2013 auf 1,09 Millionen in 2017 gesunken. Was setzen die Berliner Bäderbetriebe dagegen? Gutes Wetter können Sie ja nicht bestellen.

Wir haben unterschiedliche Besuchergruppen: Schulen, Vereine, Öffentlichkeit. Und die sind nicht homogen: In 2017 hatten wir etwas mehr Hallenbad-Besucher als 2016. Und in diesem Jahr hatten wir in den ersten vier Monaten 20.000 mehr als 2017. Der Sommerbad-Besucher ist oft kein Hallenbad- Schwimmer und die Besuchszahlen sind extrem wetterabhängig. Im guten Sommerjahr 2015 gab es eine halbe Million mehr Besucher als 2014. Nach einer Analyse haben wir errechnet, dass erst ab 28 Grad wirklich mehr Sommerbad-Besucher kommen. Natürlich gibt es Schwimmer, die bei jedem Wetter kommen. Wir setzen Anreize und organisieren Veranstaltungen wie „Queer Summer Splash“ oder Radiosendungen.

Wie viele Besucher kommen bei dieser Hitze mehr als im Vorjahr?

Wir werden super Zahlen haben, wenn der Sommer so bleibt. Es werden sicher mehrere Hunderttausend mehr sein als 2017.

Andreas Scholz- Fleischmann, 64, ist seit April 2016 Vorstandschef der Berliner Bäderbetriebe.

© Kai-Uwe Heinrich

Was ist das beliebteste Bad?

Es ist immer das schöne Prinzenbad in Kreuzberg, wegen der zentralen Lage. Dann kommen Wannsee, Wilmersdorf und Neukölln.

Den Bäderbetrieben fehlt Personal. Wie gelingt es, alle Bäder offen zu halten?

Es grenzt an ein Wunder, ja, da jeden Tag mal hier und dort Leute fehlen. Wir haben Sicherheitsvorschriften und brauchen Rettungsschwimmer. Bisher konnten wir das durch das große Engagement unserer Beschäftigten ausgleichen. Aber insgesamt fehlen uns 40 Mitarbeiter.

Bilden Sie zu wenig aus?

Wir bilden mehr aus als früher und übernehmen alle Azubis. Wir suchen bundesweit nach Personal, aber unser Personalbudget ist ausgeschöpft. Wir arbeiten im Sommer mit Saisonkräften und Leiharbeitnehmern. 2019 wird es zur Entlastung kommen, da wir Bäder zur Sanierung schließen.

Im Koalitionsvertrag sind zehn Millionen Euro für die Sanierung der Bäder vorgesehen, 2018 gibt es aber nur vier. Warum?

Da waren wir auch erstaunt. Wir haben beantragt, einen Teil der gestrichenen Gelder für 2019 zu erhalten. Wir haben einen Zehn-Jahres-Plan zur Bädersanierung erarbeitet: Wir brauchen etwa 30 Millionen Euro investiven Zuschuss pro Jahr für die Sanierung der 62 Bäder. Die zehn Millionen reichen nicht aus, um den Sanierungsstau abzuarbeiten.

Und der ist gigantisch. 230 Millionen Euro braucht man für die Bädersanierung, 2017 waren es noch 170 Millionen Euro. Woher kommen die Mehrkosten?

Wir haben einen Sanierungsstau von 170 Millionen Euro bei heutigen Preisen. Wir rechnen mit 60 Millionen zusätzlich für die Sanierung von vier landeseigenen Bädern: das Olympiastadion, die SSE, das Forumbad und das Strandbad Wannsee. Hinzu kommen auch die geplanten zwei Kombibäder für rund 60 Millionen Euro. Dabei sind noch keine zusätzlichen Angebote mit eingerechnet wie Rutsche, Solebad oder Wellness-Bereiche.

Sie könnten ja auch mehr Geld durch mehr Kundenfreundlichkeit und dadurch mehr Besucher einnehmen. Warum kann man Eintrittskarten nicht elektronisch kaufen?

Daran arbeiten wir. Bisher lässt dies unser Kassensystem noch nicht zu. Allerdings ist fraglich, ob dadurch mehr Gäste kommen würden. Sicher wäre das kundenfreundlicher. Aber in Berlin haben wir ein Phänomen: Fast 80 Prozent der Besucher gehen ins Bad zum Schwimmen und zur sportlichen Betätigung, der Rest will Spiel, Spaß und Unterhaltung. Genau umgekehrt zum Bundestrend. Ich glaube nicht, dass die Berliner sportlicher sind. Unsere Bäder sind Sportbäder. Wir bieten Schwimmen als Sport an. Wenn wir Besucherzahlen steigern wollen, brauchen wir Angebote für die erlebnisorientierten Besucher.

Was können Sie denn dann tun?

Wir dürfen laut EU-Recht keine Spaßbäder bauen. Wir kümmern uns um die Daseinsvorsorge. Dazu gehören Sauna, Solebecken oder Spa, für Kinder eine Rutsche. Damit können wir die erlebnisorientierten Besucher locken.

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Da steht dem entgegen, dass man Bahnen mieten darf wie das Depeche Mode gemacht hat. 60 Euro für 50, 35 Euro für 25 Meter. Ist das Klassenkampf im Bad?

Bei uns kann man schon sehr lange Bahnen mieten, das ist Teil der Entgeltordnung. Und niemand regt sich darüber auf, außer wenn plötzlich Depeche Mode auftritt. In der Regel mieten Trainer für eine kleinere Gruppe diese Bahnen. Das geht, wenn es die Besucherzahlen erlauben. Das entscheidet die Badleitung.

Warum sind die Bäderbetriebe gegenüber privaten Schwimmlehrern so restriktiv und genehmigen die Nutzung von maximal drei Bädern an vier Tagen?

Wenn ein Trainer mit dem Unterricht Geld verdient, muss er bei uns Miete zahlen. In anderen Großstädten dürfen Privattrainer gar nicht in öffentliche Schwimmbäder. Wir halten das so restriktiv, weil die Wasserfläche knapp ist. Wir wollen nicht Flächen zum Selbstkostenpreis abgeben.

Warum gibt es keine Prioritätensetzung für einzelne Bäder? Die Politik sagt: Erst müssen die Bäderbetriebe Sanierungsarbeiten vornehmen, dann gibt es mehr Geld.

Es gibt diesen Plan seit einiger Zeit, der gerade aktualisiert wurde. Das ist immer wieder nötig, weil uns der Zustand einzelner Bäder einholt. Beispiel Holzmarktstraße. Wir wollten das Bad sanieren, aber ein Gutachter sagte, es sei nicht mehr standfest genug. Deshalb müssen wir das Bad zum 1. Oktober schließen. Wir haben die Sanierung der Bäder nach ihrem Zustand priorisiert. Wir beginnen nächstes Jahr mit Tiergarten, dem Wellenbad in Kreuzberg und Paracelsusbad. Wir schließen und sanieren zwei bis drei Bäder pro Jahr. Das dauert jeweils zwei Jahre. Und das gibt Probleme. Nächstes Jahr zum Beispiel haben wir in Kreuzberg kein Bad mehr offen. Aber wir versuchen Schul- und Vereinsschwimmen trotzdem vernünftig zu gewährleisten können.

Warum werden die Kombibäder in Mariendorf und Pankow erst 2025 fertig?

Weil wir mindestens ein Jahr im Verzug sind. Das liegt daran, dass beide Bezirke ein B-Plan-Verfahren vornehmen. Das dauert jeweils zwei bis zweieinhalb Jahre. Dann muss der Hauptausschuss noch Gelder bewilligen. Das sollte eigentlich schon 2017 passiert sein, jetzt wird es wohl September.

Für das Strandbad Tegel setzt sich die Bürgerinitiative „I love Tegel“ ein. Ihre Idee: Tegel wird eine öffentliche Badestelle, kein Freibad mehr, einer stellt die Toiletten auf, der andere kümmert sich um die Müllabfuhr. Was haben Sie dagegen?

Wir haben Unterstützung angeboten. Man kann das so machen, aber wir haben der Bürgerinitiative gesagt, dass dieser Plan eine Reihe von Genehmigungen voraussetzt. Wir selbst haben versucht, dort Toilettencontainer aufzustellen, weil wir für die alten Abwasserrohre keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben. Und jemand müsste uns die Betreiberhaftung abnehmen. Wenn die Bürgerinitiative diese Punkte klärt, kann man das sicher machen. Allerdings: Langfristig wollen wir das Bad verpachten. Als reines Sommerbad lässt sich Tegel nicht wirtschaftlich betreiben.

Warum wurde die außer Betrieb genommene Abwasserleitung auch noch mit Beton verfüllt? Das treibt doch die Sanierungskosten noch einmal in die Höhe.

Das war eine Auflage der Umweltbehörde. Denn einwandige Abwasserrohre sind nicht mehr zulässig. Das Wasser im Tegeler See ist sehr sauber geworden, Experten sind besorgt, dass sich die Wasserqualität verschlechtern könnte, wenn es zu einem Rohrbruch kommt.

Aber kein Investor steckt mehr als vier Millionen Euro in eine Abwasserleitung plus Sanierung?

Ja, nur: Wir hatten die Millionen auch nicht. Wir schätzen den Investitionsbedarf auf etwa vier Millionen Euro. Und nach Tegel kamen zuletzt nicht mehr viele Badegäste. Zur Daseinsvorsorge gehört für mich, dass wir die Mittel dort einsetzen, wo viele Besucher hinkommen. Tegel und Staaken sind unsere Sorgenkinder: Selbst in diesem Sommer haben wir in Staaken keine hohen Besucherzahlen. Dort arbeiten acht Mitarbeiter, die uns woanders fehlen.

Andreas Scholz- Fleischmann, 64, ist seit April 2016 Vorstandschef der Berliner Bäderbetriebe. Zuvor war der Diplom- Volkswirt Personalvorstand der Berliner Stadtreinigung.

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