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In dem Entwurf für den erweiterten Auftrag des BER-Untersuchungsausschusses werden nun über 60 umfassende Fragen formuliert.

© Ralf Hirschberger/dpa

Exklusiv

Aktuelle Terminprobleme sollen Thema sein: Auftrag von BER-Ausschuss soll erweitert werden

Die Berliner Abgeordneten sollen nun auch untersuchen, warum der Starttermin 2020 fraglich ist. Bisher sind nur die Probleme bis Mitte 2018 Thema.

So einig ist sich die Politik selten, gerade in Berlin: Das Abgeordnetenhaus will sich offensichtlich nun selbst Klarheit verschaffen, ob der unvollendete neue BER-Hauptstadt-Airport tatsächlich im Oktober 2020 in Betrieb gehen kann.

Der Auftrag des laufenden BER-Untersuchungsausschuss im Berliner Parlament soll auch auf aktuelle Probleme am BER erweitert werden, die die geplante Eröffnung im Oktober 2020 gefährden.

Dem Tagesspiegel liegt der dafür nötige Beschluss-Entwurf vor, auf den sich die Oppositionsfraktionen CDU und FDP und die Koalitionäre von SPD, Linken und Grünen dem Vernehmen nach weitgehend verständigt haben. Er soll in Kürze eingebracht und im Abgeordnetenhaus beschlossen werden.

Bislang darf der BER-Untersuchungsausschuss zur „Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER)“ nur die Missstände bis zum 28. Juni 2018 untersuchen, also bis zu dem Datum, als das Gremium damals eingesetzt wurde.

Der Auftrag ist damit bisher auf Hintergründe der Verschiebung des BER-Starts im Jahr 2017 auf den Eröffnungstermin Oktober 2020 reduziert. Doch inzwischen ist auch dieser Starttermin wieder ins Rutschen geraten, wie zuletzt ein im Tagesspiegel publik gemachter Prüfbericht des TÜV Rheinland vom 8. März zum nach wie vor mangelhaften Zustand vieler sicherheitsrelevanter Anlagen im Terminal belegte. Darin war sogar von teilweise nötigen Rückbauten die Rede, die für die Beseitigung von Mängeln – allein bei den Kabelgewerken waren es zu diesem Zeitpunkt elftausend gravierende Mängel – nötig wären.

Bisher durfte der Ausschuss nur die Missstände bis zum 28. Juni 2018 prüfen

In dem Entwurf für den erweiterten Auftrag des BER-Untersuchungsausschusses werden nun über 60 umfassende Fragen zur Lage am BER, von Technik, Finanzen und Kapazität bis zum Regierungsflughafen formuliert, die zum Teil bis in die Gegenwart reichen, nämlich das Datum des Erweiterungsbeschlusses im Abgeordnetenhaus.

So soll der Ausschuss unter die Lupe nehmen, von welchen Szenarien, Prognosen und Risiken die FBB bei der Festlegung des BER-Starts ausging, und was davon bis jetzt eingetreten ist. Oder: „Welche Zeitpuffer wurden im Rahmenterminplan Dezember 2017 eingeplant, wie setzten sie sich zusammen und wie haben sie sich entwickelt?“ Nach Tagesspiegel-Informationen sind die Puffer für den BER-Start 2020 inzwischen weitgehend aufgebraucht.

„Welche Strategie verfolgte die FBB GmbH, um die Kabelgewerke zu sanieren?“, heißt es in der erweiterten Mission für den U-Ausschuss. Wie berichtet war bei den nach der geplatzten Eröffnung 2012 in den letzten Jahren neu verlegten Kabeln wieder gepfuscht worden, was neben der Brandmeldeanlage aktuell als Hauptrisiko für den BER-Start 2020 gilt.

Gefragt wird im Antrag auch, welche Rückbauten im Terminal seit 2014 notwendig waren und welche Auswirkungen das auf das Anlagevermögen des einst mit 2,5 Milliarden Euro kalkulierten Flughafens hatte, dessen Kosten inzwischen auf über sechs Milliarden Euro gestiegen sind. Mit dem erweiterten Auftrag soll der U-Ausschuss auch untersuchen, in welchem Ausmaß sicherheitstechnische Anlagen, die anders als geplant errichtet wurden, also über sogenannte „Zulassungen im Einzelfall“ oder mit anderen Ausnahme-Gutachten abnahmefähig wurden.

Kritische Fragen zur Rolle des TÜV Rheinland

Das versucht die Flughafengesellschaft aktuell wieder, diesmal, um das kritische Problem mit tausenden Dübeln aus Plastik oder unzureichender Verankerung zu lösen, mit denen im Terminal Sicherheitskabel mit „Funktionserhalt“ befestigt wurden, die im Brandfall nicht abfallen dürfen, weil sie weiter funktionieren müssen.

Kritische Fragen finden sich auch zur Rolle des TÜV Rheinland, der im FBB-Auftrag permanent den Fertigstellungsgrad der Sicherheitssysteme im Terminal prüft – Brandmeldeanlage, Entrauchung, Sicherheitsstromversorgung und -beleuchtung. Der TÜV Rheinland soll als übergeordneter Sachverständiger am Ende die erforderliche Bescheinigung ausstellen, dass alle Anlagen ordnungsgemäß errichtet wurden und betriebssicher funktionieren.

Zuletzt war Ende März 2019 auf der BER-Baustelle der vereinbarte Termin zu Fertigstellung der Brandmeldeanlage (Firma Bosch) geplatzt, die eigentlich schon Anfang 2018 funktionsfähig sein sollte. So läuft am BER, durch mehrere Verschiebungen seit Baubeginn 2006 berüchtigt, erneut die Zeit davon.

Die Bauarbeiten zur Beseitigung wesentlicher Mängel insbesondere bei den Kabeln und der Brandmeldeanlage müssen in wenigen Wochen abgeschlossen sein, damit – spätestens im Juni – der TÜV Rheinland mit den mit drei Monaten kalkulierten Wirk- und Prinzipprüfungen der sicherheitsrelevanten Anlagen im Terminal beginnen kann. In diesen übergreifenden Techniktests müssen die Brandmeldung aus 30.000 Meldern, Entrauchung, Notfall-Lautsprecherdurchsagen für hunderte mögliche Szenarien einwandfrei und im Zusammenspiel funktionieren.

Passieren darf nichts mehr. Im Oktober 2019 will und muss Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup die Baufertigungsanzeige bei der zuständigen Baubehörde Dahme-Spreewald einreichen. Wird dieser Termin verfehlt, wäre ein BER-Start 2020 faktisch unmöglich.  Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) tagt am 17. Mai das nächste Mal.

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