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Überfüllte Züge sind für Pendler in Berlin und Brandenburg Alltag.

© imago/Rainer Weisflog

Aktuelle Stunde in Potsdam: „Der Nahverkehr in Berlin-Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte“

Bahnfahrer in Brandenburg leiden unter fehlenden und überfüllten Zügen. Die Landesregierung gerät unter Druck - und sieht keinen Grund, das Schienennetz schlechtzureden.

Um im aktuellen WM–Jargon zu bleiben, könnte man von einem Eigentor sprechen, welches die brandenburgische SPD am Donnerstag im Landtag in Potsdam fabrizierte. Landauf und landab sind Züge angesichts steigender Zahlen von Berufspendlern immer häufiger überfüllt oder verspätet, wichtige Fernverkehrsstrecken wie die nach Cottbus sind noch immer einspurig. Die rot-rote Regierung gerät immer stärker unter Druck. Und jetzt machten ausgerechnet die Sozialdemokraten „ein leistungsfähiges Schienennetz für die wachsende Hauptstadtregion“ zum Thema einer Aktuellen Stunde, um so auf die eigenen Erfolge aufmerksam zu machen, aber vor allem von Bund und Bahn stärkeres Engagement zu fordern.

Das hörte sich bei der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Kerstin Kircheis, so an: „Es gibt keinen Grund, unser Land im ganzen oder das bestehende leistungsfähige Schienennetz schlechtzureden.“ Die Opposition denke sich „Horrorszenarien“ von einem zusammenbrechenden Bahnverkehr und Dauerstau aus. „Mit diesen negativen Szenarien machen Sie unser Land schlecht“, sagte Kircheis. Sie verwies auf das 2016 gestartete Schienenausbaukonzept „i2030“, bei dem Brandenburg und Berlin gerade Erweiterungen von Trassen aus der Mark in die Metropole vorbereiten lassen.

Konkret habe man wichtige Beschlüsse bei der Heidekrautbahn, dem Prignitz-Express und dem zweigleisigen Ausbau zwischen Stettin und Berlin gefasst. „Wir haben eine klare Strategie“, sagte Kircheis und erntete dafür vor allem Gelächter von der Oppositionsbank.

Brandenburg hat die Entwicklung der Infrastruktur verschlafen

Rainer Genilke, Verkehrsexperte der CDU, warf der rot-roten Landesregierung Versagen vor. Brandenburg sei „Pendelweltmeister“, habe die Entwicklung der Infrastruktur aber über Jahre verschlafen. „Sie sind deutlich zu spät dran. Sie haben sich mit einer Kreisgebietsreform beschäftigt und sind gescheitert. Sie haben nichts, was das Land voranbringt.“

Genilke forderte mehr Verbindungen nach Berlin, aber auch nach Dresden, Leipzig und Magdeburg. Außerdem brauche es kurzfristig einen durchdachteren und engeren Fahrplan. Entscheidend sei, dass man deutlich schneller plane als bisher und dann auch baue. Auch Michael Jungclaus von den Grünen bescheinigte der Landesregierung zwar, diverse Planungen auf den Weg gebracht zu haben, gebaut worden sei jedoch so gut wie nichts. Auch das Mobilitätskonzept „i2030“ kritisierte der Verkehrsexperte. „Es geht nur auf die aktuellen Probleme ein, denkt aber nicht an die Bedürfnisse im Jahr 2030 voraus.“

Die zuständige Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) wies die Kritik zurück. Man plane umfassend, Regionalverkehr, Fernbahnen und die Verlängerung der S-Bahn. „Wir sind weg vom Entweder-oder. Wir sind beim Sowohl-als-auch.“ Und zwar vor allem, weil es eine „neue Qualität“ der Zusammenarbeit mit Berlin gebe. Das zeige sich auch bei den Entscheidungen für den Ausbau der Strecke nach Stettin, wo sich Berlin bei einer 100-Millionen-Euro Vorfinanzierung beteilige. Früher habe sich Berlin allein um das eigene Stadtgebiet gekümmert.

"Nahverkehr bewältigt den Alltag kaum"

Der Opposition warf Schneider verkehrspolitische Stimmungsmache vor. Es sei nicht förderlich, immer nur einzelne Probleme des Nahverkehrs zu kritisieren, sagte sie in Richtung Genilke. Sie forderte Brandenburgs CDU auf, ihren Einfluss beim von der CSU geführten Bundesverkehrsministerium geltend zu machen und lud die CDU ein, mit der Regierung eine Verkehrs-Strategie zu entwickeln. Gleichzeitig lobte sie das „sehr gute System“ im Vergleich zu anderen Metropolregionen Deutschlands: „Der Nahverkehr in Berlin-Brandenburg ist eine Erfolgsgeschichte“,

Jens Wieseke, Sprecher des Fahrgastverbandes Berlin-Brandenburg, zieht dagegen ein anderes Fazit. „Der Nahverkehr bewältigt den Alltag kaum. Findet ein Event wie das Baumblütenfest statt, kollabiert das System sofort“, sagte er dem Tagesspiegel. Er fordert einen Ausbau des S-Bahn-Schienennetzes und eine engere Taktung in die Vororte Berlins. Noch dramatischer sei der Zustand an den Randlagen Brandenburgs: „Dort gibt es keinen funktionierenden Fernverkehr.“ Im neuen Verkehrskonzept „i2030“ würde man nun zwar die richtigen Fragen stellen, doch die Umsetzung erfolge zu langsam. Wiesekes Befund ist eindeutig: „Die Länder haben viel zu lange gewartet.“

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