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Katina Schubert, Berliner Landesvorsitzende der Linken, beim Parteitag am Sonnabend.

© Annette Riedl/dpa

Update

„Affront“ und „erbitterter Widerstand“: Berlins Linke legt sich bei Parteitag mit dem Koalitionspartner an

Im fragilen Gefüge der rot-rot-grünen Koalition treten Risse offen zutage. Die Mietenpolitik und der Umgang mit der Enteignungsinitiative bergen Konflikte.

Die Attacke kam verhältnismäßig spät in der Parteitagsrede des linken Kultursenators Klaus Lederer und sie traf – neben der Berliner CDU – ausgerechnet die eigenen Koalitionspartner. „Ich wünschte, SPD und Grüne würden sich genauso klar wie wir zu einer Fortsetzung des sozialen und ökologischen Kurses in der Stadtpolitik bekennen, den wir mit Rot-Rot-Grün begonnen haben“, sagte der designierte Spitzenkandidat seiner Partei für die Abgeordnetenhauswahl und legte nach: „Insofern nehme ich manches Blinken in Richtung CDU, vor allem bei der neuen SPD-Spitze, auch ein bisschen irritiert zur Kenntnis“, sagte Lederer in Anspielung auf einzelne Interviewaussagen der neuen Doppelspitze der Sozialdemokraten im Tagesspiegel an.

Im Oktober hatten Franziska Giffey und Raed Saleh nicht nur das Auslaufen des von der CDU nicht nur juristisch bekämpften Mietendeckels angekündigt, sondern in den Augen der Linken auch Sympathien für die Übernahme des seit 2016 links-geführten Stadtentwicklungsressorts erkennen lassen. Ein Vorhaben, das auf den „erbitterten Widerstand“ der Linken treffen würde, erklärte deren Landeschefin Katina Schubert und fügte hinzu: „Über die Verteilung von Ressorts wird nach Wahlen und Ergebnissen entschieden.“

Es war nicht die einzige Spitze, die Lederer und Schubert – Letztere kandidierte am Samstag genau wie ihre drei Stellvertreter erneut für den Posten im Landesvorstand – in Richtung SPD abfeuerten. Als „unglaublichen Affront“ gegen die Linke bezeichnete Schubert die Berufung des in der Mieterbewegung regelrecht verhassten Volker Härtig in den Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin.

Dem Vernehmen nach hat Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) diese mehr oder minder im Alleingang vorgenommen. Der Streit zwischen den Regierungspartnern dürfte sich im kommende Woche tagenden Koalitionsausschuss fortsetzen – zumal auch die Grünen signalisiert hatten, in dem Fall sei das letzte Wort nicht gesprochen.

„Vergesellschaftung der Deutsche Wohnen“ ist Baustein linker Politik

Weitere Auseinandersetzungen kündigen sich bereits an: Lederer wie Schubert stellten sich klar an die Seite der von der SPD mit großer Skepsis betrachteten Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“. „Wir müssen alle zusammen anpacken, damit wir der Initiative zum Erfolg verhelfen“, sagte Katina Schubert und bezeichnete die „Vergesellschaftung der Deutsche Wohnen“ als einen von sechs Bausteinen in der Wohn- und Mietenpolitik der Linken.

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Von SPD und Grünen ist zu hören, die Linken würden angesichts der zeitgleich zur Abgeordnetenhauswahl anberaumten Abstimmung über die Initiative auf Stimmen hoffen – was die Linke dementiert. Wie dem auch sei: Zusätzlich dazu sorgt das von SPD und wohl auch Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch angekündigte Auslaufen des Mietendeckels nach den im Gesetz vorgesehenen fünf Jahren für Spannungen in der Koalition.

Und so blieben die Linken am Samstag bei ihrer inhaltlichen Linie der „Stärkung des Öffentlichen“ – gerade in und nach der Krise. So solle etwa die S-Bahn Berlin kommunalisiert werden. Schubert sagte, Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) „zerschlage“ die S-Bahn.

„Strategie jenseits der Gängelung des Privatlebens nicht erkennbar“

Darüber hinaus kritisierte sie den Umgang mit der Corona-Pandemie und erklärte, eine „Strategie jenseits der Gängelung des Privatlebens ist nicht erkennbar“. In Berlin wiederum musste sich zuletzt ausgerechnet die Linke vorwerfen lassen, den eigenen Kurs nur undeutlich zu akzentuieren oder erst gar keinen zu besitzen. Auch hier kam die Kritik von einem der Koalitionspartner, namentlich den Grünen. Sie warfen der Linken vor, die aufgrund massiver Kritik zurückgenommene Entscheidung für eine stufenweise Schulöffnung erst im Senat mitgetragen, unmittelbar danach aber scharf kritisiert zu haben.

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Ebenso war es bei der Verschärfung der Kontaktbeschränkung durch die Streichung einer Ausnahme für Kinder unter zwölf Jahren gelaufen. Außerdem werden die Grünen nicht müde zu erwähnen, dass Lederer Ende 2020 intern erklärt haben soll, eine weitere Verlängerung des Lockdowns werde es mit ihm nicht geben. Wenig später zwang die Pandemie den Senat erneut zum Handeln – den Kultursenator inklusive.

Die Technik streikt, da bleibt für Debatten kaum Zeit

Für das eigene Programm, gegossen in einen Leitantrag unter dem Titel „Berlin für alle“, blieb am Samstag dagegen nur wenig Zeit. Technische Probleme und die mehrfache Unterbrechung des ersten Online-Parteitages der Partei überhaupt ließen für die ursprünglich auf 80 Minuten angesetzte Debatte wenig Raum – nach nur einer einer Wortmeldung wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Weitere Anträge wie jener zur Aufnahme einer Migrantenquote von 35 Prozent in Parteigliederungen auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene wurden auf einen Mitte Februar stattfindenden Landesausschuss vertagt. Im Anschluss an die ebenfalls von technischen Problemen überschatteten Kandidatenvorstellungen erfolgte die Wahl des neuen Landesvorstands. Dabei wurde Landeschefin Katina Schubert mit 82 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

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