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© dpa

Glühbirnen: Abschied vom leuchtenden Klassiker

1882 wurde die erste elektrische Straßenlampe am Potsdamer Platz angeknipst, danach brachten die neuen Birnen die Stadt zum Leuchten Spektakuläre Reklametafeln faszinierten die Berliner, große Lampenfabriken produzierten in Berlin. Aber die Ära des leuchtenden Klassikers geht zu Ende.

Es war an einem Sommerabend des Jahres 1929, als der Berliner Dichter Hans Bethge ins Schwärmen geriet. Normalerweise schrieb er Liebeslyrik, doch diesmal pries er die Glühbirne. Bethge unternahm einen „wahrhaft beglückenden Spaziergang im elektrischen Licht.“ Die gläsernen Leuchtkörper mit der wohlproportionierten Birnenform und den aufgeheizten Glühfäden sah man damals als Lichtquelle der Zukunft an, obwohl sie Berlins traditionsreiche Gasbeleuchtung noch längst nicht aus Straßen und Wohnungen verdrängt hatten. Gleichwohl galt die Hauptstadt bereits als Kapitale des (Elektro)-Lichts – und dieses Image hat sich bis heute gehalten. Von der Glühbirne allerdings, die an der Spree einst in gewaltigen Stückzahlen produziert wurde und das Bild des funkelnden Berlins geprägt hat, muss sich die Stadt ab 2012 endgültig verabschieden.

Von diesem Zeitpunkt an soll es in den Läden nur noch Energiesparleuchten geben, hat die Europäische Union (EU) wie berichtet beschlossen. Brüssel knipst die Glühbirne aus ökologischen Gründen aus, denn sie verwandelt nur etwa 5 Prozent des Stroms in Licht, der Rest verpufft als Wärme. Als die Birne in der späten Gründerzeit mehr und mehr angeknipst wurde, spielte das noch keine Rolle. Die junge Berliner Elektroindustrie baute Kraftwerke, sie verkabelte die Stadt und brauchte neue Absatzmärkte. Massiv wurde deshalb für die Elektrobeleuchtung geworben, was nicht schwer fiel, denn diese Technik ermöglichte spektakuläre Lichtinszenierungen.

Elektrische Lichtfunken sprühten 1913 auf einer Werbetafel an der Ecke Friedrichstraße aus einer Kupferberg-Flasche wie perlender Champagner ins Glas. Der hell erleuchtete Boulevard Unter den Linden, glitzernde Kinopaläste und Varietés wie die Schöneberger „Scala“, die Lichtfülle des Cafés Josty und die nächtliche Reklame am Potsdamer Platz begeisterten auch Künstler aller Genres. Franz Skarbina malte 1895 die blinkenden Gleisanlagen am heutigen S-Bahnhof Greifswalder Straße, Lesser Ury 1925 den Bahnhof Nollendorfplatz am Abend. Und Bertolt Brecht reimte für Kurt Weills Foxtrott „Berlin-im-Licht“: „Doch um die Stadt Berlin zu sehn, genügt die Sonne nicht. Das ist kein lauschiges Plätzchen, das ist ’ne ziemliche Stadt. Damit man da einiges sehen kann, da braucht man schon einige Watt.“

Glühende Aufbruchstimmung herr schte am 13. Oktober 1928 zur Eröffnung der Werbewoche „Berlin im Licht“. Unter dem Motto „Licht lockt Leute“ inszenierte sich die Stadt als strahlende Metropole der Moderne. Zahlreiche Gebäude wurden raffiniert ausgeleuchtet wie heutzutage beim „Festival of Lights“. Höhepunkt war ein Lichtfest, und das begann mit einem Prolog des Librettisten Günther Bibo: „Vom Funkturm lodert ein leuchtendes Band, Schaufenster blitzen in Lichtfanalen, tausende , tausende Lampen erglühen, aus den Millionen Energien, strahlt deine Arbeitskraft Berlin.“

Im Verlauf von exakt 102 Jahren hatte das Kunstlicht das Antlitz der Stadt radikal verändert. Der Wandel begann mit 24 aus England importierten Camberwell- Gaslaternen, die am 20. September 1826 Unter den Linden erstmals angezündet wurden – als Ersatz für die funzeligen Öllampen. Eine dieser Camberwell-Laternen steht heute im Freilicht-Laternenmuseum im Tiergarten. Schnell steigerte Berlin nun seine Leuchtkraft. Mehr als fünf Jahrzehnte lang wurde die Gasversorgung in Straßen und Wohnungen ausgebaut, bis um 1882 die elektrische Konkurrenz auftrat. Der erste Beleuchtungsversuch mit Glühbirnen am 20. Mai 1882 in der Kochstraße geriet allerdings zum Gespött der Berliner, die Lampen lieferten nur trübes Licht. Aber schon wenige Monate später gab es bei der Strombeleuchtung eine erfolgreiche Premiere: Noch im selben Jahr knipste man die ersten elektrischen Straßenlaternen am Potsdamer Platz und in der Leipziger Straße an, 1888 folgte der Boulevard Unter den Linden.

Nun begann ein Wettkampf zwischen beiden Beleuchtungsarten, der lange unentschieden blieb. In den späten 30er Jahren waren noch zwei Drittel der Straßen mit Gas illuminiert, Strom galt als Luxus in den 20ern, obwohl es bereits kommunale Elektrizitätswerke gab und sich der anfangs teure Strompreis den Gaspreisen anglich. Erst 1959 wurde der letzte Haushalt elektrifiziert.

Den Siegeszug der Glühbirne förderte besonders die Werbebranche. Hier erkannte man frühzeitig, welche vielfältigen Effekte sich mit der Glühbirne und seit Mitte der 20er Jahre auch mit den neuentwickelten Leuchtstoffröhren erzielen ließen. Berlin flammte seit der Jahrhundertwende im Schein der Leuchtreklamen auf, Stadtplaner wie der Architekt Hugo Häring schürten die Euphorie. „Die Intensität einer Weltstadt kann gemessen werden . . . am phantastischen Bild, das die Lichtfülle der Reklamestadt bietet“, schrieb er 1928. „Wo nachts keine Lichter brennen, ist finstere Provinz.“

Das passte gut ins Werbekonzept des damals größten deutschen Glühlampenherstellers, der 1919 gegründeten Osram GmbH, die Mitte der 30er Jahre in ihren Berliner Werken 70 Prozent aller in Deutschland verwendeten Glühbirnen produzierte. Der helle Kopf hinter Osram hieß Carl Auer Freiherr von Welsbach, ein Chemiker und Unternehmer. Nachdem Thomas Edison die Glühlampe verbessert und ihr 1880 zum Durchbruch verholfen hatte, ersetzte von Welsbach den zerbrechlichen Kohleglühfaden durch einen Metallglühdraht und meldete diese Erfindung 1906 in Berlin zum Patent an. Die Bezeichnungen beider Metalle, aus denen seine Glühwendel bestand – Osmium und Wolfram – kombinierte der Tüftler zu Osram.

Um diese Zeit besaß Auer von Welsbach bereits die Auer-Glühlampenwerke in Berlin, die sich 1919/20 mit Siemens&Halske und der AEG zur Osram GmbH zusammenschlossen. Damit gehörte die Glühlampenproduktion zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweigen in der Stadt. „Berlin – die Stadt der Glühlampen“, titelte der Berliner Anzeiger 1932. Das erste Hauptwerk von Osram war die 1907 bis 12 errichtete Lampenfabrik der vormaligen Auer-Gesellschaft an der Warschauer Straße in Friedrichshain. Bis Mitte der 20er Jahre wurden dort die Glühbirnen mit Hand hergestellt, der Beruf der Lampenbläserin war eine angesehene Beschäftigung. Seit 1935 kam ein zweiter Standort in Wedding hinzu. Osram übernahm die Hallen der einzigen Berliner Konkurrenz – der „Bergmann Elekticitätswerke“ zwischen Seestraße und Oudenarder Straße.

Beide Orte sind heute von Osram längst aufgegeben, sie stehen als Zeugnisse der Berliner Industriearchitektur unter Denkmalschutz und haben neue Liebhaber gefunden. An der Warschauer Straße hatte die DDR noch bis zur Wende unter dem Markenzeichen „Narva“ Glühbirnen hergestellt, danach wurde das Gebäudeensemble saniert, in „Oberbaum-City“ umbenannt und von Firmen der Medien- und Computerbranche bezogen. Den markanten, mit einem gläsernen Würfel aufgestockten Turm, hat die BASF komplett gemietet. Von der einstigen Lampenfabrik zeugt auch noch eine Kneipe im Nachbarkiez an der Lehmbruckstraße. „Zur Glühlampe“ heißt der frühere Arbeitertreff, in dem sich heute Partygänger bei Rock, Pop und – Elektromusik amüsieren.

In Moabit sind Ende der 80er Jahre die „Osram-Höfe“ entstanden, ein neuer Standort für Handwerks,- und Servicebetriebe. Osram zog mit der Glühlampenproduktion nach der Wende zur Nonnendammallee in Siemensstadt, wo 1972 ein kleineres Werk aus den 30er Jahren zur damals modernsten Röhrenglasfabrik Europas mit 2000 Arbeitsplätzen ausgebaut wurde. Vor fünf Jahren verpackte man in Siemensstadt die letzte in Berlin hergestellte Glühbirne, Osram-Glühbirnen kommen seither aus Frankreich, während in Spandau jetzt Lampen für Autoscheinwerfer, die Filmbranche und den Medizinbereich produziert werden.

Das Firmensymbol aus dem Gründungsjahr 1920, eine strahlende Glühlampe als Symbol für Licht und gute Ideen, bleibt aber auf allen Osram-Verpackungen erhalten, zumal die Klassiker im Birnengewinde auch Berliner Wohnungen noch einige Jahre erhellen werden. Von den Straßen ist ihr Licht aber schon seit mehr als drei Jahrzehnten verschwunden. In Reklametafeln und in die 180 000 Berliner Straßenlampen wurden Halogenstrahler oder Neonröhren eingebaut, der Glühbirne sind nur Refugien geblieben wie die Fassade des Varietés Wintergarten. Sie funkelt im Schein von 2000 Glühbirnen. So hat der Dichter Hans Bethge in den Zwanzigern sein Berlin bei Nacht geliebt.

Birnen-Euphorie

Lichtinszenierungen in Schaufenstern, illuminierte Warenhäuser – das war die neue großstädtische Faszination der zwanziger Jahre. Unter dem Motto „Schaufenster bei Licht“ gab es im Oktober 1928 einen Wettbewerb zur Lichtgestaltung von Berliner Geschäften. Einer der Höhepunkte war die mit unzähligen Glühlampen bestückte Lichtleiter an der Vorderfront des Kaufhaus des Westens, die zu einer gleichfalls illuminierten Figur hinaufführte. Am Potsdamer Platz war kurze Zeit vorher eine spektakuläre Leuchtwerbung für Odol installiert worden, sie zeigte, wie das Mundwasser langsam in ein Glas tröpfelte.

Lichtschau

Die Begeisterung für die nächtliche Lichtinszenierung Berlins zeigte sich auch bei der „Berliner Lichtwoche“ im Jahre 1928. Zahlreiche Gebäude wurden aufsehenerregend angestrahlt, die Stadt im Schein des Flutlichts lockte zahlreiche Touristen an. Die Lichtwirtschaft versprach sich von diesem Event, hier das Plakat, einen großen Aufschwung.

Birnenfabrik

Klassische Industriearchitektur mit roten Klinkern und viel Gusseisen – so präsentiert sich bis heute die 1907-12 gebaute einstige Glühlampenfabrik an der Warschauer Straße und Oberbaumbrücke in Friedrichshain. Zu DDR-Zeiten setzte dort Narva die Birnenproduktion fort, nach der Wende wurden die denkmalgeschützten Gebäude saniert und als schicke „Oberbaum-City“ vor allem an Firmen der Medien,- Elektronik- und Modebranche vermietet.

Varieté-Glanz

2000 Glühbirnen erhellen bis heute die Fassade des Wintergarten-Varietés an der Potsdamer Straße in Tiergarten. Hier will man mit den Birnen so lange wie möglich den klassischen Glanz der zwanziger Jahre bewahren. Zweimal jährlich werden sie ausgewechselt.

Traditionskneipe

Einst trafen sich hier die Osram- und Narva-Arbeiter nach der Schicht zum Bierchen, heute tanzen dort Partygänger zu Rock und Beat. Das Foto zeigt den Eingang der früheren Arbeiterkneipe an der Lehmbruckstraße, nahe der Oberbaumbrücke. Jetzt ist sie ein Szenetreff, aber der Name blieb.

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