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Ein Mund-Nasen-Schutz liegt auf dem Gehweg in Friedrichshain.

© Annette Riedl/dpa

Update

Ab Inzidenz von 50: Berlin steht kurz davor, Risikogebiet zu werden

Fünf Bezirke sind es bereits, für deren Bewohner gelten Reisebeschränkungen. Berlin weist die Kritik von CDU und CSU scharf zurück.

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Das Damoklesschwert „Risikogebiet“ hängt über ganz Berlin. Bedrohlich nähert sich der Wert für die Sieben-Tage-Inzidenz der 50er-Obergrenze. Die Kennziffer sagt aus, wie viele Menschen in sieben Tagen bezogen auf 100.000 Einwohner neu erkrankt sind. Die Senatsgesundheitsverwaltung gab am Mittwochabend einen Wert von 47,2 an.

Nach Berechnungen des Tagesspiegel Innovation Lab (hier geht's zur interaktiven Karte) beträgt die Sieben-Tage-Inzidenz aktuell bereits bei 50,1. In der Regel bilden sich die Entwicklungen der Tagesspiegel-Berechnungen ein bis zwei Tage später auch in den amtlichen Zahlen ab.

Es gibt jedoch keinen Automatismus, dass ganz Berlin Risikogebiet wird. „Wir definieren uns nicht als Risikogebiet“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) dem Tagesspiegel. Es obliegt noch den Bundesländern, wie sie innerdeutsche Risikogebiete ausweisen. „Es wäre gut, wenn es bundeseinheitliche Regelungen gibt“, fordert Kalayci. Nur: Bis dahin gibt es ein Wirrwarr an Regelungen, Quarantäneanordnungen oder Beherbergungsverboten für Bezirke, die von anderen Ländern als Risikogebiete eingestuft werden.

Ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten gilt derzeit nicht für ganz Berlin, sondern für die fünf Bezirke Neukölln, Mitte, Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf, die derzeit als Risikogebiete eingestuft wurden.

Allerdings will Berlin noch diese Woche einen Antrag beim Bundesgesundheitsministerium stellen, dass Berlin künftig als gesamte Stadt betrachtet wird und der Sieben-Tages-Inzidenz-Wert gilt. Das hätten auch mehrheitlich die anderen Länder mitgetragen, hieß es aus der Senatskanzlei.

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Auf Anfrage betont das Robert-Koch-Institut (RKI), dass es weder Kriterien für innerdeutsche Risikogebiete habe noch es diese ausweise. Der Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner sei eine „politische Entscheidung“ gewesen. Das RKI habe keine innerdeutschen Covid-19-Risikogebiete ausgewiesen, sondern lediglich zu Beginn der Pandemie den Kreis Heinsberg als „besonders betroffenes Gebiet“ bezeichnet. Die Ausweisung internationaler Risikogebiete würden Auswärtiges Amt, Bundesinnenministerium und Bundesgesundheitsministerium (BMG) festlegen.

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Nächtliche Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr

Der rot-rot-grüne Senat ist sich des Ernstes der Lage bewusst und hat am Dienstag drastische Maßnahmen wie eine nächtliche Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr für Restaurants, Spätis, Bars und Geschäfte beschlossen. Ausnahmen gibt es für Nachtapotheken und Tankstellen, die aber keinen Alkohol verkaufen dürfen.

Nachts gilt eine Kontaktbeschränkung auf fünf Personen, vor 23 Uhr eine generelle Begrenzung auf zehn Personen bei privaten Partys in Innenräumen. Die SPD würde gern Parks, in denen illegale Partys gefeiert wurden, nachts schließen. Sie konnte sich damit bei den Linken nicht durchsetzen.

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Die Grünen hätten mit neuen Regelungen gern noch ein paar Tage gewartet. Doch zwei rote Corona-Ampeln und der Druck auch von Bundesebene zwangen die Landespolitiker zum Handeln. Neben diesen Regelungen hat sich der Senat auf weitere finanzielle Hilfen für die Gastronomie verständigt. Die genauen Konditionen würden derzeit erarbeitet, sagte eine Sprecherin der Wirtschaftsverwaltung.

Der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner erwartet vom Senat „endlich ein konsequentes Handeln. Es muss Schluss sein mit dem Streit unter Rot-Rot-Grün“, sagte Wegner dem Tagesspiegel. „Wir brauchen dringend ein gemeinsames Vorgehen gegen Verstöße.“ Inakzeptabel sei es, dass Friedrichshain-Kreuzberg die Hilfe der Bundeswehr bei der Verfolgung von Infektionsketten ablehne. „Für ideologische Befindlichkeiten ist mitten in der Krise wirklich kein Platz.“ Ein zweiter Lockdown müsse unbedingt verhindert werden, sagte Wegner.

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Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) wies erneut jede Kritik zurück. Das Gesundheitsamt habe bereits 17 Personen für ein Jahr befristet zur Bekämpfung der Pandemie eingestellt, weitere vier folgten. Hinzu kämen 25 Honorarkräfte und zwei Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts. Das Gesundheitsamt könne „tagesaktuell reagieren und umgehend Kontakt zu den positiv Getesteten aufnehmen“, sagte Herrmann. Aus ihrem Bezirk hatten sich bereits 40 Prozent der Mitarbeiter der Parkraumüberwachung für eine Weiterbildung des Senats angemeldet – das ist berlinweit der zweithöchste Anteil. Erst nach einer Schulung können die Mitarbeiter auch zur Kontrolle des Infektionsschutzes eingesetzt werden.

Ungehalten reagierten Berliner Landespolitiker auf die Einmischungen aus der Bundespolitik. Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Paul Ziemiak und Markus Blume, hatten dem Senat Versagen vorgeworfen. „Berlin wird zum Gesundheitsrisiko für die ganze Republik“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dem „Spiegel“. CSU-Mann Blume warf dem Senat mangelnde Durchsetzung der Regeln durch. „Was helfen Beschlüsse, wenn die Verwaltung überfordert ist und die Einhaltung von Regeln nicht kontrolliert wird?“ „Wir haben in allen großen Städten hohe Infektionszahlen. Es macht keinen Sinn, immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister der „Welt“. Jeder müsse in seinem Bundesland sehen, wie er für Ordnung sorge. Berlins Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek sagte dem Tagesspiegel, dass es nicht helfe, „großspurig aufeinander loszugehen“. „Wir sollten lieber versuchen diese zweite Welle in den Griff zu bekommen – und zwar gemeinsam.“ Sie ergänzte: „Das ist zumindest meine Vorstellung von verantwortungsvoller Politik.“

Am Mittwoch stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Berlin erneut, auf 47,2. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) schwor die Berliner auf harte Wochen ein: „Die neu beschlossenen Maßnahmen werden sich frühestens in 14 Tagen in den Zahlen niederschlagen. Bis dahin wird die Inzidenz weiter steigen und sie steigt dramatisch“, schrieb Lederer auf Twitter. Jeder müsse jetzt seinen Teil beitragen. „Sonst wird es bitter.“

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