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Das Sowjet-Denkmal im Treptower Park.

© Kitty Kleist-Heinrich

75 Jahre Kriegsende: Gedächtniskirche und Sowjet-Ehrenmal – auf den Spuren des Krieges in Berlin

75 Jahre nach Kriegsende sind die Spuren des Schreckens in Berlin fast verschwunden. An Mahnmalen hingegen herrscht kein Mangel.

Wen es in den frühen achtziger Jahren aus der westdeutschen Provinz nach West-Berlin verschlug, musste es verwundern, wie präsent der Krieg hier noch war. Nicht allein wegen der vielen Ruinengrundstücke, beispielsweise im alten Botschaftszentrum am Rande des Tiergartens, der dachstuhllosen, provisorisch mit Teerpappe gedeckten Flachdächer, der von Einschüssen zerlöcherten Fassaden.

Nein, an intakten, wiewohl im Laufe der Zeit ergrauten Hauswänden fanden sich noch immer große weiße Pfeile samt dem Hinweis LSR. Als seien RAF und U.S. Air Force im Anflug, zeigten sie weiterhin den Weg zum nächsten Luftschutzraum an.

Die Erinnerung an den heißen Krieg war im Kalten Krieg allgegenwärtig. Die Pfeile, die Einschusslöcher, die fehlenden Dachstühle – waren sie nicht selbst zu Mahnmalen geworden, jedenfalls für Menschen, die diese Zeichen noch zu deuten wussten, sich nicht längst daran gewöhnt hatten wie an einen abgestorbenen Baum, den zu fällen sich niemand die Mühe machte?

Im Bauboom der wiedervereinten Stadt sind viele dieser Zeugnisse des Schreckens verlorengegangen. Ruinen wurden durch Neubauten ersetzt, die Löcher in den Fassaden als „Wunden der Erinnerung“ nur selten bewusst erhalten wie an der Villa Parey in der Tiergartener Sigismundstraße. Und nach LSR-Pfeilen müsste man lange suchen.

An Denkmälern und Mahnmalen, die die Erinnerung an den vor 75 Jahren in Europa zu Ende gegangenen Krieg erhalten und seine Opfer ehren sollen, hat es dennoch gerade in Berlin keinen Mangel. Doch statt der authentischen Spuren der Verwüstungen sind es nun bewusst und oft mit bestimmten, oft politischen Zielen geschaffene Stützen fürs kollektive Gedächtnis.

Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche bekanntestes Mahnmal

Es gibt freilich Zwischenformen, und bereits das höchste der Berliner Mahnmale zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist solch ein Zwitter: die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, deren Turm ursprünglich 113 Meter maß, jetzt als Ruine nur noch 71 Meter. Der britische Luftangriff in der Nacht zum 23. November 1943 hatte das Gotteshaus schwer beschädigt.

Die bekannte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in der Nähe des Ku'damms.
Die bekannte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in der Nähe des Ku'damms.

© imago

Nach Kriegsende hofften viele Berliner lange auf einen Wiederaufbau, noch 1953 gab die Deutsche Post Berlin dafür eine 30-Pfennig-Marke mit 15-Pfennig-Zuschlag heraus. Im Zuge des 1957 von Egon Eiermann gewonnenen Wettbewerbs für einen Neubau wurde stattdessen der komplette Abriss erwogen, was erst zu heftigem öffentlichen Streit, dann zum Kompromiss führte.

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Die Ruine des Hauptturms wurde zum Mahnmal, eine Touristenattraktion ersten Ranges, später ergänzt um die Gedenkstätte in der ehemaligen Eingangshalle. Und sie wurde das zentrale Wahrzeichen West-Berlins, zu dem das Brandenburger Tor nicht taugte. Es lag schließlich im Osten, diente allenfalls als Mahnung für eine andere, der Stadt ebenfalls durch den Krieg geschlagene Wunde: die Teilung.

Das Sowjet-Ehrenmal im Tiergarten

Ähnliche touristische Qualitäten besaß lange das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten, schon wegen der martialischen Dekoration mit zwei Geschützen und zwei T-34-Panzern, die angeblich an der Eroberung Berlins beteiligt waren – und wegen der bei West-Berliner Gästen gelinden Grusel auslösenden Ehrenwache der Roten Armee. So nah kamen sie dem Hauptgegner im Kalten Krieg selten.

Die Panzer am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten.
Die Panzer am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten.

© Wolfgang Kumm/dpa

Das Ehrenmal, verbunden mit einer dahinter als Gartenanlage gestalteten Grabstätte für mehrere 1000 sowjetische Soldaten geht auf einen Beschluss des Kriegsrats der 1. Weißrussischen Front unter Marschall Georgi Schukow zurück, dessen Soldaten am 21. April 1945 als erste Berliner Boden betreten hatten. Eingeweiht am 11. September 1945, sollen für den Bau angeblich Steine aus Hitlers Reichskanzlei verwendet worden sein.

...und im Treptower Park

Zeigt schon das Ehrenmal an der Straße des 17. Juni eine Tendenz zum Monumentalen, den herrischen Gestus des Siegers, so gilt dies erst recht für das 1949 eingeweihte Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park, das weniger die auch dort zu Tausenden begrabenen Rotarmisten zu ehren als die Unbesiegbarkeit der Sowjetarmee zu rühmen scheint.

Dagegen nehmen sich die Sowjetischen Ehrenmale in der Schönholzer Heide und im Bucher Schlosspark geradezu bescheiden aus, auch dort sind sie mit Grabstätten sowjetischer, im Kampf um Berlin gefallener Soldaten verbunden.

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Einen Monumentalismus wie die sowjetischen Gedenkstätten zeigen die in deutscher Regie entstandenen Mahnmale nicht, das verbot sich schon durch die während des Krieges im Namen Deutschlands begangenen Verbrechen. Gleichwohl stand auch die umgestaltete, am Volkstrauertag 1993 eingeweihte Neue Wache Unter den Linden, nun die Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, anfangs in ähnlichem Verdacht.

Auf Initiative von Bundeskanzler Helmut Kohl hatte der Berliner Bildhauer Harald Haacke dafür eine stark vergrößerte Kopie der Pietà-Plastik „Mutter mit totem Sohn“ von Käthe Kollwitz geschaffen, was heftige Diskussionen und viel Widerspruch auslöste.

Viele kleinere Denkmäler in der Stadt verteilt

Es gibt in Berlin auch sehr viel schlichtere Stätten der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Gedenktafeln wie die an der Potsdamer Brücke über den Landwehrkanal, nach der der sowjetische Sergeant Nikolaj I. Massalow hier am 30. April 1945 ein Kind aus der Feuerzone gerettet haben soll, oder der dank Bürgerengagement, mithilfe des Vereins „Wir für Malchow“ restaurierte und zum Erinnerungsort umgestaltete Rest der jahrhundertealten Dorfkirche, die noch am 21. April 1945 – keine zwei Stunden vor dem Einmarsch der Roten Armee – von der Wehrmacht gesprengt worden war.

Die Ruine der Dorfkirche Malchow.
Die Ruine der Dorfkirche Malchow.

© Andreas Conrad

Dem Bürgerverein Altglienicke dagegen ist ein „Den Opfern des II. Weltkrieges“ gewidmeter Gedenkstein zu verdanken, der 2003 auf dem Friedhof Altglienicke am Rande einer Reihe von Kriegsgräbern aufgestellt wurde. Ähnliche Gedenktafeln oder -steine gibt es auch an anderen Stellen im Stadtgebiet, mit oder ohne Nähe zu Kriegsgräbern.

In den Ausmaßen ebenfalls bescheiden, im Gestus heroisierend ist dagegen der mit Sowjetstern, allerlei Ordensschmuck und der Aufschrift „8. Mai 1945“ verzierte Obelisk auf dem Areal des Krankenhauses Königin Elisabeth Herzberge in Lichtenberg, das bei Kriegsende von der Roten Armee besetzt und als Lazarett genutzt worden war.

Ähnliches gilt für die 1975, zum 30. Jahrestag des Kriegendes aufgestellte Stele auf dem Platz der Befreiung in Adlershof, die das historische Datum trägt sowie die Lobpreisung „Ruhm und Ehre den Helden der Sowjetunion“.

Mahnmal auf dem Ikea-Parkplatz

Mitunter stößt man auf solche Mahnmale selbst an Orten, wo man es wirklich nicht erwartet. Zum Beispiel auf dem Parkplatz von Ikea am Sachsendamm: Dort erinnert eine dreiteilige denkmalgeschützte Gedenktafel an die Toten des Bombenkrieges und vor allem an die Opfer unter der Belegschaft des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes, das sich dort einst befand.

Die Anlage lag lange halb vergessen am Rande des Firmengeländes, wurde mittlerweile aber auf Beschluss der BVV Tempelhof-Schöneberg umgesetzt. Man findet sie in einer kleinen Grünanlage gleich vis-à-vis des Haupteingangs.

Wenn Denkmäler abgerissen werden

Andere Gedenkorte sind nur noch in der Erinnerung präsent. Schon 1990 verschwand der T-34 vom Sockel des sogenannten „Panzerdenkmals“, der Transitreisende auf der BAB 2 in Dreilinden kurz vor Erreichen der West-Berliner Stadtgrenze begrüßt hatte – halb stählernes Auftrumpfen der Siegermacht von 1945, halb drohendes Demonstrieren des eigenen Machtanspruchs.

Nach der Wende hatten die Sowjets den Panzer abtransportiert, zwei Jahre später setzte der Berliner Künstler Eckhart Haisch einen rosafarbenen Schneelader sowjetischer Bauart auf den Sockel. Das nun befriedete Denkmal ist jetzt im Besitz der Gemeinde Kleinmachnow.

Eröffnung der Infotafeln an der Schneefräse auf dem ehemaligen russischen Panzerdenkmal Dreilinden in Kleinmachnow bei Berlin.
Eröffnung der Infotafeln an der Schneefräse auf dem ehemaligen russischen Panzerdenkmal Dreilinden in Kleinmachnow bei Berlin.

© Thilo Rückeis

Ursprünglich war der Panzer ein Ersatz für ein Exemplar des Typs „Josef Stalin“, das im Oktober 1945 an der Kreuzung von Potsdamer Chaussee und Avus als Denkmal für die Gefallenen der Panzerarmee des Generals Dimitri Leljusenko enthüllt worden war, dort wo sich heute die Gedenkstätte für die Opfer des 17. Juni 1953 befindet.

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Es lag im amerikanischen Sektor, war bereits vor Einzug der West-Alliierten in Berlin beschlossen worden, und die US-Militärs hatten anfangs nichts dagegen. Das änderte sich mit zunehmender Vereisung des politischen Klimas und besonders nach dem 17. Juni. Der Panzer wurde von wütenden West-Berlinern mehrfach attackiert, sogar mit Benzin übergossen und angezündet.

Irgendwann wurde es den Sowjets zu bunt, und sie gaben ihre Zustimmung für den Abbau. US-Pioniere räumten den Panzer ab und brachten ihn zum Bahnhof Grunewald, von wo er mit unbekanntem Ziel verschwand. Die Sowjets hatten behauptet, das Denkmal sei zugleich eine Grabstätte gefallener Panzersoldaten. Beim Abriss des Sockels suchte man deren sterbliche Überreste allerdings vergebens.

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