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Die Thomas-Dehler-Bibliothek in der Martin-Luther-Strasse 77 in Schöneberg. Ehrenamtliche kümmern sich hier um die Bücher.

© Kai-Uwe Heinrich

28.000 Euro fehlen: Thomas-Dehler-Bibliothek in Schöneberg vor dem Aus

Sie ist die einzige vollkommen ehrenamtlich betriebene Bibliothek Berlins. Da viele Leistungen nicht abgerechnet werden dürfen, hat sie finanzielle Probleme.

Sie ist die letzte ihrer Art und ihre Zukunft ist ungewiss: Die Schöneberger Thomas-Dehler-Bibliothek ist ein Unikum im Verbund der öffentlichen Bibliotheken (VÖBB), weil sie vollkommen ehrenamtlich betrieben wird – und das ist auch ihr Problem. Denn anders als die Einrichtungen, in denen ausgebildete Bibliothekare angestellt sind, darf sie nach einem Beschluss des Rates der Bezirksbürgermeister im Jahr 2015 nur noch Entleihungen berechnen. Besuche und vor allem Veranstaltungen, die längst zum Geschäft von Bibliotheken dazugehören, können nicht geltend gemacht werden.

Zwar macht die kleine Kiezbibliothek in der Martin-Luther-Straße – keine Computerarbeitsplätze, viele Kinderbücher – einen Gewinn von 30 000 Euro, das reicht aber nicht aus, erklärt Rainer Penk, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bezirk. „Es fehlen jährlich 28 000 Euro.“ Das Defizit entstünde aber nur, weil die Thomas-Dehler-Bibliothek nicht so abrechnen darf wie die anderen VÖBB-Bibliotheken.

Die Bibliothek wird niemals auf eigenen Füßen stehen

Für den Leiter der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg, Boryano Rickum, gehört die „Thomas-Dehler“ dazu: „Vor der Arbeit der Ehrenamtlichen ziehe ich meinen Hut.“ Aus strukturellen Gründen sei der Erhalt aber schwierig. „Sie wird niemals auf eigenen Füßen stehen.“ Mitgetragen werden könne sie nicht, dafür produzierten die Hauptbibliotheken im Verbund nicht ausreichend Gewinn.

Irene Friedländer, eine der 18 Ehrenamtlichen, betont, wie wichtig die Bibliothek für den Akazienkiez ist. „Wir arbeiten eng mit drei Schulen zusammen.“ Aktionen, die ebenfalls nicht in die Berechnung mit einfließen, sind Lesungen, Konzerte, Büchertrödel und die Teilnahme am bundesweiten Vorlesetag. Die Bücherei sollte bereits 2002 geschlossen werden, was ein Freundeskreis um die Autorin Eva Menasse verhinderte. Seither wird sie ehrenamtlich betrieben. „Viele Mitarbeiter engagieren sich schon seit mehr als zehn Jahren“, sagt Friedländer.

Nun will Kevin Kühnert ein Bild von der Kiez-Bibliothek machen

In einem Antrag forderte die Grünen-Fraktion nun eine angemessene Bewertung des ehrenamtlichen Engagements und den dauerhaften Erhalt der Bibliothek. SPD und CDU schlagen in einem aktuellen Änderungsantrag einen Wechsel des Standortes vor, zum Beispiel eine Integration der 1957 gegründeten Bücherei in die Mittelpunktbibliothek in der Hauptstraße. Laut VÖBB-Jahresbericht sind dort aber dringend eine Sanierung und Flächenerweiterung vonnöten.

„Der Kritikpunkt der SPD ist das Ehrenamt als unbezahlte Arbeit“, weiß Friedländer. Sie hat die letzte Bezirksverordnetenversammlung besucht und mit Kevin Kühnert (SPD) geredet, er wolle sich bald selbst ein Bild von der Kiez-Bibliothek machen. Nicht nur die SPD, auch der VÖBB sieht ehrenamtliche Bibliotheken kritisch: Die Mission öffentlicher Bibliotheken könne nicht allein von Ehrenamtlichen erfüllt werden, erklärt Bibliotheksleiter Rickum. Das ehrenamtliche Team würde er gern an den Hauptstandorten erhalten. „Zum Beispiel für die Organisation von Lesezirkeln oder Veranstaltungen. Das wäre ein Gewinn für die Stadtgesellschaft.“

Die Ehrenamtlichen aber wollen ihren jahrzehntelang aufgebauten Standort behalten. Am heutigen Donnerstag ist der Antrag nochmal Thema im Bildungsausschuss.

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