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Henry Thomas als „Elliot“ und der Außerirdische „E.T.“ in einer Szene des gleichnamigen Fantasy-Films von Steven Spielberg. Das kleine Schrumpelwesen von einem fernen Planeten wird aus Versehen von seiner Raumschiff-Besatzung auf der Erde zurückgelassen, freundet sich mit einer Kindergruppe an und stiftet heillose Verwirrung. Sein größter Wunsch, „nach Hause“ zurückzukehren, geht nach einem Telefonat mit seinem Heimatplaneten in Erfüllung. „E.T.“ lief am 9. Dezember 1982 in den deutschen Kinos an und war so erfolgreich, dass er über zehn Jahre Platz eins der Liste der erfolgreichsten Filme anführte.

© picture-alliance / dpa / Reisfeld

Alien Life und Planetenforschung: Ist da draußen jemand?

Im Projekt „Exploring Otherness on Earth and Beyond“ erkunden Wissenschaftler:innen der FU Fremdheit aus sozial- und geisteswissenschaftlicher Sicht.

Von Pepe Egger

Seit mehr als einem Jahr erkundet das ferngesteuerte Forschungsfahrzeug „Perseverance“ die Oberfläche des Mars. „Beharrlichkeit“, wie der Mars-Rover der NASA auf Deutsch heißt, ist so groß wie ein Kleinwagen. Mit 16 Kameras ausgestattet, fährt er seit Februar 2021 auf sechs Rädern durch die zerklüftete Felslandschaft des Kraters Jezero, er misst und filmt, macht Experimente und lässt immer wieder seine Hubschrauber-Drohne „Ingenuity“ aufsteigen und wieder landen.

Erstaunlich aber – oder besser: sensationell – ist, was „Perseverance“ in seinem Inneren trägt. 13 Röhren, in denen der Mars-Rover Gesteinsproben und andere Samples verpackt hat, die er aus der Oberfläche des roten Planeten herausgebohrt und geborgen hat. 13 Röhren, die möglicherweise Spuren außerirdischen Lebens enthalten. Denn genau das ist die Mission von „Perseverance“: nach Spuren von „alien life“ zu suchen. Der Rover wird in den nächsten Monaten noch zwei Dutzend weitere Proben entnehmen. Dann wird er sie verschließen und an einem bestimmten Ort ablegen, wo sie darauf warten werden, von einer „Mars Sample Return“-Mission zur Erde befördert zu werden. Die NASA und die Europäische Raumfahrtagentur ESA arbeiten daran, die wohl komplizierteste Paketabholung der Geschichte im Laufe des kommenden Jahrzehnts in die Tat umzusetzen.

Sollte dies gelingen, und sollten sich in den Marsproben tatsächlich sogenannte Biosignaturen finden, wird sich mit aller Dringlichkeit die Frage stellen: Was bedeutet die Möglichkeit außerirdischen Lebens für uns Menschen? Es kann gut sein, dass dann auf die Arbeit einer Forschungsgruppe unter Leitung der Freien Universität zurückgegriffen wird, die sich schon jetzt genau diesen Fragen widmet. Unter dem Titel „Exploring Otherness on Earth and Beyond: Integrating Perspectives from Natural Sciences, Social Sciences and Humanities“ ist seit Februar 2022 ein sogenannter Einstein–Zirkel entstanden. Das ist ein von der Einstein-Stiftung geförderter interdisziplinärer Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ganz unterschiedlicher Fachrichtungen: von der Planetologie bis zur Psychologie, von der Astrophysik bis zur Philosophie und Kommunikationswissenschaft.

Wie sollte man mit „alien life“ umgehen?

Den Anstoß für das Forschungsprojekt haben drei Forschende der Naturwissenschaften gegeben. Lena Noack, Professorin am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität, ist eine von ihnen. „Wir haben uns schon lange aus naturwissenschaftlicher Perspektive damit befasst, wie außerirdisches Leben aussehen könnte“, sagt die Planetenforscherin, „also je nachdem, welche Schwerkraft auf einem Planeten wirkt, welche chemischen Elemente es gibt, ob Wasser oder eine Atmosphäre vorhanden ist und so weiter.

Aber wir haben gemerkt, dass wir als Naturwissenschaftler zur Frage, was es mit uns als Gesellschaft macht, wenn wir tatsächlich Spuren von Leben finden sollten, wenig beizutragen haben. Wir stoßen mit unseren Methoden beispielsweise der Planetologie an eine Grenze, wenn wir erforschen wollen, wie eine Gesellschaft mit der Begegnung mit „alien life“ umgehen sollte oder welche psychologischen oder philosophischen Fragen davon berührt werden könnten.“

Also beschlossen Lena Noack und ihre naturwissenschaftlichen Kollegen, den Dialog mit Expertinnen und Experten aus anderen Disziplinen zu suchen. Nicht unbedingt aus der Filmwissenschaft, um die Frage zu ergründen, warum wir uns Aliens so oft als kleine grüne Männchen mit überdimensionierten Schädeln vorstellen. Sondern eher aus der Philosophie, Religion, Kommunikationswissenschaft und Psychologie, um darüber zu diskutieren, ob und wie die vom Mars gesendeten Pakete geöffnet werden sollten. Und ob wir Menschen überhaupt das Recht haben, den Mars zu betreten oder gar zu kolonisieren.

Haben wir überhaupt das Recht, den Mars zu betreten?

Eine der beteiligten Wissenschaftlerinnen ist Steffi Pohl, Professorin für Methoden und Evaluation/Qualitätssicherung am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität. Steffi Pohl findet an der Zusammenarbeit mit Astrophysikern und Planetologinnen vor allem spannend, wie unterschiedlich die Vorstellungen von außerirdischem Leben als „otherness“, also als Andersartigkeit, Fremdheit, in den verschiedenen Disziplinen sind. „Die Naturwissenschaften suchen regelrecht nach Andersartigkeit, da setzt man große Mengen an Energie und Ressourcen dafür ein, um irgendwo im Weltall Spuren von Andersartigkeit zu finden“, sagt Steffi Pohl. „In den Sozialwissenschaften hingegen wird die Kategorie der Andersartigkeit, des Fremden oftmals eher als Herausforderung verstanden, verbunden mit der Frage: Wie gehen wir damit um? Wie schaffen wir Zusammenhalt trotz der Andersartigkeit?“

Steffi Pohl interessiert sich auch für die Frage, wie und ob die Weltgesellschaft darüber debattieren und entscheiden kann, wie mit potenziellen Spuren von außerirdischem Leben verfahren werden soll: Wenn es tatsächlich Mikroben auf dem Mars oder einem Saturnmond gibt, wird es dann eine Mehrheit in der Gesellschaft dafür geben, sie auf die Erde zu bringen? Oder umgekehrt: Dürfen wir überhaupt zum Mars reisen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass es dort Leben gibt? Und sei es nur mikrobakterieller Natur? Ist es ethisch zu rechtfertigen, dass wir einen Planeten wie den Mars kolonisieren, seine Atmosphäre verändern? Und welches Gremium wäre geeignet, darüber zu entscheiden?

Die Diskussionen des Einstein-Zirkels drehen sich in der Praxis dann also seltener um die Möglichkeit einer Begegnung mit Außerirdischen, die uns wahlweise besuchen, entführen oder bekriegen könnten, als um die ethische Implikation von mikrobakterieller Kontamination nicht nur unseres, sondern auch anderer Planeten. Aus wissenschaftlicher Perspektive existiert dazu auch ein 1967 abgeschlossener internationaler Vertrag, der „Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“ enthält. Er sieht vor, dass die Erforschung aller Planeten und Monde so gestaltet wird, „dass deren Kontamination vermieden und in der irdischen Umwelt jede ungünstige Veränderung infolge des Einbringens außerirdischer Stoffe verhindert wird“.

Leben im All ist vielleicht gar nicht so selten, wie viele denken

Lena Noack ist sich dessen bewusst, dass viele Menschen bei „alien life“ eher an Science-Fiction denken und nicht an Mikroben. Doch die Implikationen für die Planetenwissenschaften, aber auch für alle anderen Disziplinen, wären trotzdem gewaltig, wenn sich solche Spuren auf dem Mars fänden: Es würde ja bedeuten, dass Leben – welche Form das in dem jeweiligen Fall dann auch hätte – gar nicht so selten wäre, wie viele denken. Aus dem Nachweis von einheimischen Marsmikroben könnte eine Astrophysikerin schließen, dass es im Universum vor Leben nur so wimmelt: Wenn schon in einem Sonnensystem zweimal Leben existierte und wir schon auf unserem Nachbarplaneten Spuren davon fänden, dann hieße das doch, dass es im Universum nur so kreuchen und fleuchen müsste.

Das Problem wäre dann allerdings, dass es ziemlich schwer werden könnte, mit solchem außerirdischen Leben in Kontakt zu treten: Die Reise wäre einfach zu lang und zu beschwerlich. Schon mit dem Mars, sagt Lena Noack, sei ja wegen der großen Entfernung keine direkte Kommunikation mehr möglich. Ganz zu schweigen mit Planeten in anderen Sonnensystemen: Die Abstände zwischen den Botschaften würden dann immer länger, je mehr Lichtjahre zwischen den Absendern liegen.

Für den Inhalt dieses Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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