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Griechenlands Botschafter in Berlin: Theodoros Daskarolis am Gendarmenmarkt.

© Kai-Uwe Heinrich

Griechenlands Botschafter Theodoros Daskarolis: Syrizas neuer Mann in Berlin

Theodoros Daskarolis soll als neuer griechischer Botschafter das Verhältnis zur Regierung Merkel verbessern. Begegnung mit einem Krisendiplomaten.

Der neue Botschafter Griechenlands in Berlin ist vorsichtig. Theodoros Daskarolis denkt lange nach, bevor er antwortet. Es sind seine ersten Wochen im Amt, doch er hat bei diesem Treffen in der Hellenischen Botschaft am Gendarmenmarkt bereits einige anstrengende Tage hinter sich. Ein eiliger Umzug von seinem Posten im kleinsten EU-Mitgliedsland Malta ins größte Mitgliedsland Deutschland, viel zu tun, wenig Schlaf. Sein Vorgänger in Berlin ist schon vor Monaten abgereist, er hat die Syriza-Regierung aus der Sicht Athens nicht nachdrücklich genug vertreten, sie zog ihn ab. Mitten in der Krise. Dass die Wahl dann auf Daskarolis fiel, kam überraschend – und auch wieder nicht. Denn Berlin ist ihm nicht fremd. Auch wenn ihn jedes Mal eine neue Stadt erwartet.

9. November 1989, Ost-Berlin. Der junge Botschaftssekretär Daskarolis sitzt wie gebannt vor den Nachrichten. Draußen strömen die Menschen Richtung Grenze. Seit einem knappen Jahr erst ist er Mitarbeiter der griechischen Botschaft in der DDR. Wieso er nicht selbst auf die Straße gelaufen ist? Er sei schließlich Diplomat gewesen, sagt er. Als solcher beobachte man vor allem und sei nicht Teil einer Bewegung. "Außerdem musste einer ja berichten." Auch in Griechenland wollen die Menschen wissen, was da Unvorstellbares passiert in dieser Nacht in Berlin. Online-Live-Ticker sind noch nicht erfunden, deshalb klingelt das Telefon ununterbrochen. Erst am nächsten Tag geht auch Daskarolis zum Checkpoint Charlie, betrachtet die Menschenmassen, die sich über die Grenze schieben. Von Ost nach West und wieder zurück. "Das war ein glänzender Tag", sagt er. "Die glücklichen Menschen, das Freiheitsgefühl!" Er bleibt noch bis Ende Dezember 1990 auf seinem Posten im Osten der Stadt, dann existiert die DDR nicht mehr, und er zieht weiter. Station im Außenministerium in Athen, dann vier Jahre Generalkonsul in Neuseeland.

Daskarolis, geboren 1955, hatte schon immer eine enge Bindung zu Deutschland, lebte als Kind mit seinen Eltern einige Jahre in Bonn. Seine Kindheitserinnerungen sind die an die frühen sechziger Jahre in der Bonner Republik. Konrad Adenauer ist so gesehen sein erster deutscher Regierungschef. Auch später im Studium lässt ihn das Land nicht los, er sagt: "Ich habe Jura und etwas deutsche Literatur in Thessaloniki studiert." Eine leise Untertreibung, typisch für das höfliche Auftreten Daskarolis’. Wer im Internet nach seinem Namen sucht, findet Erzählungen von Heinrich von Kleist. Aus dem Deutschen ins Griechische übersetzt von Daskarolis. Über Deutschlands Geschichte und Kultur weiß er bestens Bescheid, aus Büchern und aus eigenem Erleben. Nachdem er 1990 das nun nicht mehr geteilte Berlin verlässt, dauert es auch nur rund neun Jahre, bis er erneut als Diplomat nach Deutschland zurückkehrt. Und wieder gerät er in einen Umbruch.

2000 ist das Jahr des Umzugs in die neue Hauptstadt. Von Bonn nach Berlin. Daskarolis selbst ist Mitte vierzig, die BRD nur knapp zehn Jahre älter. Die Botschaft Griechenlands liegt nun in der Jägerstraße. Das Brandenburger Tor ist offen, das Regierungsviertel eine einzige Riesenbaustelle. Es ist eine angenehme Zeit für EU-Diplomaten, denn es herrscht Europa-Euphorie in der Politik. Die Bilanz der Einigung, sie mag nach zehn Jahren nüchterner ausfallen, als Daskarolis das 1990 erwartet hätte. Dafür begeistern sich die Deutschen für offene Grenzen zu anderen Staaten. "Das Europa-Projekt wirkte damals so fest verankert", sagt er heute, "eine Garantie für Sicherheit und wirtschaftlichen Aufschwung."

Die Euphorie für Europa ist vorbei

Das gilt auch für seine Heimat: Griechenland tritt 2001 dem Euro bei. Einer der größten Befürworter dieses Schritts ist Deutschland. SPD-Kanzler Gerhard Schröder und Pasok-Premier Kostas Simitis, die Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Giorgos Papandreou, sie verstehen sich auch persönlich gut. Daskarolis bleibt bis 2003, die freundschaftlichen Gefühle zwischen Deutschen und Griechen steigern sich noch bis zu den Olympischen Spielen 2004 – danach werden bald die wirtschaftlichen Probleme in Griechenland und die deutsche Verstrickung in diese Schulden offensichtlich. Die Beziehung kühlt ab. Die Krise beginnt.

Berlin im Herbst 2015. Wieder ist alles anders. Der Posten in Berlin gilt nun als einer der schwierigsten Diplomatenjobs Griechenlands. Als Daskarolis im September ankommt, ist nicht einmal klar, ob die Regierung von Alexis Tsipras, die ihn berufen hat, die Neuwahlen überstehen wird – oder ob er der Vertreter Griechenlands unter einem konservativen Premier sein wird. Ein Botschafter ist ausschließlich seinem Land verpflichtet.

Zwar klingelt in der Botschaft nicht mehr Tag und Nacht das Telefon, die wütende Aufregung beider Länder hat sich gerade etwas beruhigt. Trotzdem ist man in Griechenland im Herbst 2015 nicht nur mit neuen Sparanstrengungen, sondern auch mit der Bewältigung der Erfahrung der zurückliegenden Monate beschäftigt.

Daskarolis hat eine klare Haltung dazu: Die vergangenen Monate hätten die deutsch-griechischen Beziehungen belastet. "In Griechenland wurden historische Wunden aufgerissen und neue geschlagen." Beide Seiten müssten nun neues Vertrauen aufbauen. "Die EU ist sowieso unser gemeinsames Schicksal, unser gemeinsames Haus. Nur mit vertraulichen gemeinsamen Bemühungen wird es uns gelingen, die großen Herausforderungen, wie die Flüchtlingskrise, zu bewältigen." An die richtige Taktik, daran, wie er den Deutschen zukünftig sein Land erklären will, wie sehr er öffentlich auftreten wird, daran tastet er sich heran. Er wohnt in der Botschafterresidenz am Leipziger Platz und hat nicht nur die Tage im Dienst, sondern auch die Abende genutzt, hat nach Feierabend und am Wochenende Museen und Buchläden besucht, hat sich mit Freunden von früher getroffen. Hat wieder ein Gefühl für diese Stadt und dieses Land bekommen, das er eigentlich so gut kennt. Und doch wieder neu kennenlernt.

"Immerhin die Baukräne sind noch da", sagt er mit Blick aus dem Fenster auf die sich verändernde Stadt und lacht. "Die werden wohl immer da sein." Sonst aber hält er von allgemeinen Vergleichen und Vereinfachungen nicht viel. Zum Beispiel die DDR-Wirtschaft als Vergleichsgröße für die Situation der griechischen Ökonomie heranzuziehen oder Alexis Tsipras und seine Minister mit den Grünen in ihren Anfangsjahren zu vergleichen oder wissen zu wollen, ob die Unabhängigen Griechen nun seien wie die CSU. "Solche Vergleiche sind nicht nur falsch, sondern auch irreführend", sagt er. "Die Zeit ist einzigartig, die Krise ist einzigartig, und Tsipras in seiner Position ist einzigartig", sagt er. Vergleiche seien bequem. "Aber wenn Ereignisse vor der nationalen Folie bewertet werden, dann beschränkt das das Denken." Die junge Regierung in Athen werde ihre eigene Geschichte schreiben. Als Diplomat stünde es ihm nicht zu, die Politik in Athen weiter zu bewerten. Daskarolis’ Zeit in Berlin, sie hat gerade erst begonnen.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 3. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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