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Stanislaw Karol Kubicki mit seiner Frau Petra.

© Bernd Wannenmacher

70 Jahre Freie Universität: Für Freiheit und Demokratie

Stanislaw Karol Kubicki, Gründungsstudent mit der Matrikelnummer 1, zu den Anfängen der Freien Universität.

Die Idee, die Freie Universität zu gründen, kam uns Studenten nicht überraschend: Schon Monate vor dem Sommer 1948 war es mit Händen zu greifen, dass die Freiheit der Wissenschaft an der Universität Unter den Linden in Gefahr geriet. Für uns Studenten, darunter viele Juden, die während der NS-Zeit nicht hatten studieren dürfen, war der Naziterror gerade vorbei, als an der Linden-Universität der Terror aufs Neue begann – aber nun auf links gestrickt. Wir wollten frei von ideologischen Vorgaben studieren. Als dann im April 1948 drei Studenten an der Universität Unter den Linden exmatrikuliert wurden, forderten wir die Gründung einer freien Universität in den Westsektoren der Stadt. Und weil Freiheit für uns so wesentlich war, sollte die Universität das Wort „frei“ im Namen tragen.

Natürlich war die Forderung ein bisschen verrückt. Berlin lag in Trümmern, und die Idee fiel genau in die Phase, in der die Russen die Amerikaner als Besatzungsmacht durch die Berlin-Blockade aus der Stadt drängen wollten. Doch gerade das verbesserte unsere Chancen: Die Lage war dermaßen verdreht, dass es gar nicht so widersinnig erschien, in dieser Zeit auch noch eine Universität zu gründen. Und war nicht der Plan der Amerikaner, die mehr als zwei Millionen Menschen in den drei Westsektoren über eine Luftbrücke zu ernähren, noch um einiges verrückter? Als sich die Amerikaner für unseren Plan einer Universitätsgründung einsetzten, galt für uns das Problem schon als halb gelöst: Über ein Scheitern haben wir uns keine Gedanken gemacht.

An diese Atmosphäre sollte man sich immer erinnern

Die Amerikaner waren natürlich begeistert, dass Studenten gerade in ihrem Sektor eine Universität gründen wollten. Ohne sie wäre der Plan wohl gescheitert. Sie haben uns sehr unterstützt, persönlich und finanziell, ob durch das Bereitstellen von Räumen oder durch Bücherspenden. Zählen konnten wir aber eigentlich auf alle Menschen in West-Berlin. Sie waren begeistert von unserer Idee – auch die, die selbst gar nicht studieren wollten.

Die Aufbruchstimmung lässt sich kaum beschreiben; Studenten und Professoren behandelten einander mit großem Respekt und zogen an einem Strang. Die Professoren bewunderten unser Engagement. Und wir Studenten bewunderten die Professoren – von denen viele ja schon etabliert gewesen waren – dafür, dass sie ihre berufliche und finanzielle Existenz auch für uns aufs Spiel setzten.

An diese Atmosphäre sollte man sich immer erinnern, auch wenn die Freie Universität seit Langem eine ordentliche und sogar exzellente Universität ist, mit einer nach wie vor besonderen Beziehung zu Amerika, aber auch guten Beziehungen zu Russland. Sie ist über die Grenzen hinweg anerkannt. Möge sie bleiben, was sie ist: eine Hochschule, die zu den Spitzenuniversitäten in der Welt zählt und die herausragende Forschung betreibt. Und möge sie sich aus ihrer Geschichte heraus immer wieder für Freiheit und Demokratie einsetzen!

Der Autor, Jahrgang 1926, ist Gründungsstudent der Freien Universität mit der Matrikelnummer 1; er gehörte auch dem ersten AStA an. Nach Studium und Promotion wurde er Professor für Neurologie und leitete von 1974 bis 1991 die Abteilung für Klinische Neurophysiologie im Klinikum Charlottenburg der Freien Universität.

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