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Der inzwischen emeritierte Politikwissenschaftler Heinz Kleger war der Initiator des Neuen Toleranzedikts.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

15 Jahre Neues Potsdamer Toleranzedikt : Ausstellung zeichnet die Geschichte von Heinz Klegers Projekt nach

2008 wurde das Neue Potsdamer Toleranzedikt verfasst. Initiator Heinz Kleger hat sich seinen Optimismus bis heute bewahrt, trotz allem.

Toleranz bedeutet: Andere Meinungen und Lebensweisen aushalten können. Ganz einfach, könnte man meinen. Aber was ist, wenn mein Gegenüber der Meinung ist, andere Sicht- und Lebensweisen nicht aushalten zu müssen, vielleicht sogar mit Gewalt dagegen vorgehen will? Der Philosoph Karl Popper beschäftigte sich 1945 mit diesem Toleranz-Paradoxon und kam zu dem Schluss, dass uneingeschränkte Toleranz zum Verschwinden der Toleranz führe: „Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, (...) dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen“, schrieb Popper in „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

Die Frage danach, was Toleranz bedeutet, haben auch die Initiatoren des Neuen Potsdamer Toleranzedikts gestellt: 2008 ist es nach acht Monaten Gesprächen mit Potsdamerinnen und Potsdamern verfasst worden. Bis zum 10. November zeigt eine Ausstellung im Foyer der Stadt- und Landesbibliothek die Geschichte dieses Edikts und die Erfolge der Potsdamer Zivilgesellschaft. Das Motto der Ausstellung, „Zwischen Entschiedenheit und Toleranz“, atmet den Geist des Philosophen Popper.

Ich erlebe in der Mitte der Gesellschaft eine tiefe Depression.

Alfred Roos, Leiter der Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg – Bündnis für Brandenburg

Alfred Roos, der Leiter der Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg – Bündnis für Brandenburg, erinnerte anlässlich der Ausstellungseröffnung an die Erfolge der Zivilgesellschaft in Potsdam: Zum Beispiel, dass sich Pogida, der Potsdamer Ableger der rassistischen Pegida-Proteste, hier niemals etablieren konnte. Der Blick in die Zukunft war bei Roos allerdings nicht ungetrübt: Er erinnerte an die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, der zufolge 8,3 Prozent der Befragten ein „geschlossen rechtsextremes Weltbild“ hätten. „Ich erlebe in der Mitte der Gesellschaft eine tiefe Depression”, sagte Roos.

Kontra geben, mit Argumenten

Der inzwischen emeritierte Politikwissenschaftler Heinz Kleger war der Initiator des Neuen Toleranzedikts. „Die Frage ist: Schaffen wir es, einen Toleranzdiskurs zu führen, auch über sachliche und emotionale Themen?“, fragte er. Kleger erinnert an die Debatten um das Buch „Deutschland schafft sich ab“ des SPD-Politikers Thilo Sarrazin. Er beantwortete die rassistischen Thesen des ehemaligen Berliner Finanzsenators mit einem eigenen Band: „Toleranzedikt als Stadtgespräch statt Sarrazin-Theater“, über die Inhalte des Buches diskutierte er mit Menschen in Potsdam. „Wir haben versucht Kontra zu geben, mit Argumenten“, sagt Kleger.

Seit der Sarrazin-Debatte hat sich einiges verändert, nicht unbedingt zum Besseren: Eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei erfreut sich steigender Umfragewerte, regelmäßig melden Sicherheitsbehörden, wieder Waffen bei Reichsbürgern und anderen Rechtsextremisten gefunden zu haben.

Kleger behält sich seinen Optimismus trotzdem bei, auch mit Blick auf die im nächsten Jahr kommenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen: „Umfragen sind keine Wahlen. Wenn die Leute einen Demokraten und einen AfD-Kandidaten nebeneinander sehen, dann bemerken sie den Unterschied. Ich mache mir da nicht so große Sorgen“, sagt er. Entscheidend werde der Wahlkampf: Der müsse seiner Ansicht nach „kämpferisch, aber sachlich fundiert“ geführt werden.

Doch Klegers Optimismus war nicht immer ungebrochen. Zweifel kamen auf, als während der Corona-Pandemie tausende Menschen in dem Irrglauben auf die Straße gingen, geheime Mächte hätten die Pandemie geplant. Kann man diese Menschen mit vernünftigen Argumenten erreichen? „Ich habe auch manchmal meine Zweifel“, sagt Kleger. Doch seinen Glauben an die sachliche Debatte trübe das nicht: „Ich muss darauf setzen“, sagt er.

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