Neulich fuhren wir um die Mittagszeit in einem Doppeldeckerbus an der Philharmonie vorbei und sahen am Haupteingang große Menschenmassen auf die Straße treten. Es waren so unglaublich viele Frauen und Männer und Kinder und Berliner und Touristen und ältere Damen und jüngere Herren, dass die zwei hinter mir im Bus sogleich mit dem Mutmaßen begannen: Was ist denn hier los?
Christiane Tewinkel
Es gibt sie noch, die guten Dinge – Konzertabende in der oberen Etage des Bechstein-Hauses im Stilwerk in der Kantstraße, in Gestalt unauffälliger, fast geheimer Zusammenkünfte. Bewährt an diesen Abenden ist die pädagogisch-soziologische Gemengelage.
Der Weg ist nicht weit von der Musik zu unseren gefiederten Freunden, den Vögeln, also von der Maultrommel zur Rohrdommel, der Busine zur Bekassine oder der Langhalslaute zum Schlangenhalsvogel. Wahrscheinlich ein Ergebnis der Tatsache, dass die wahren Musikanten auf dieser Erde die Vögel sind.
Reinhard Goebels Debüt bei den Philharmonikern.
Selten eine so coole Person auf der Bühne erlebt wie Hilary Hahn. Was war so cool an ihr?
Gerade 18 Jahre alt, so jung wie das Jahrhundert, war Kurt Weill, als er sich 1918 an der Berliner Musikhochschule immatrikulierte. Er kam nicht gut zurecht dort, bewarb sich in Wien bei Arnold Schönberg, musste aber aus Geldgründen doch wieder zurückkehren in seine Geburtsstadt Dessau, bevor es ihn über eine Zwischenstation in Lüdenscheid erneut nach Berlin verschlug: diesmal an die Akademie der Künste, zu Ferrucio Busoni.
Ein einzigartig heiteres Konzert: der RIAS-Kammerchor und das Ensemble Musikfabrik unter der Leitung von James Wood beim Musikfest Berlin.
Der RIAS-Kammerchor beim Musikfest Berlin.
Führt die niemals endende „unmögliche Treppe“ hinauf oder hinunter? Solche Rätsel gibt es auch in der Musik, man denke nur an eine berühmte Szene aus einer Oper von Benjamin Britten, der in diesem Jahr 100 geworden wäre.
Mal überlegen, ob es stimmt, was der Elektro-Pop-Künstler Christopher von Deylen alias Schiller, der eben mit Hélène Grimaud, Anna Netrebko und Albrecht Mayer für die Deutsche Grammophon eine Crossover-Platte mit „klassischem“ Geschmack produziert hat, über den Besuch eines Symphoniekonzerts gesagt hat. Ein solcher Besuch übrigens, dieser Zwischenruf muss möglich sein, bevor es weiter um Christopher von Deylen geht, wird natürlich von verschiedenen Richtungen aus mitgesteuert.
Freud und Leid liegen manchmal nahe beieinander. Eben noch hört man mit Betroffenheit von der Kompanie Nico and the Navigators, die in diesem Jahr ihr 15.
Militärische Sommermusik in Brandenburg.
Das wäre doch mal was, wenn wir hier statt von komplizierten symphonischen Aufbauten von Guckstellen berichteten, von den Stellen in einer Komposition, zu denen sich zwei (meist jugendliche) Orchestermusiker verabreden, „fünf Takte nach Buchstabe G, wir zwinkern uns zu“. Oder wenn wir von Vorspielstellen erzählten, jenen kurzen Passagen aus berühmten Werken, die den Kandidaten beim Probespiel für eine Orchesterstelle gefühlte zweieinhalb Sekunden Zeit lassen, von ungefähr 20 Jahren strengster Ausbildung Zeugnis abzulegen.
Christiane Neudecker ist Schriftstellerin, Regisseurin, Librettistin. Ab Donnerstag zeigt die Deutsche Oper ihre neue Arbeit – ein Foyertreffen.
Wenn dies ein Personenrätsel wäre, würde es beginnen mit dem Satz „Es gab nichts, was er nicht konnte“. Und dann würden die herausragenden Fähigkeiten dieses Mannes aufgezählt, sein Sinn für die Schönheit abstrakter Formen, sein Engagement in der Breitenbildung und seine Freude am pointierten feuilletonistischen Bericht.
Kaum setzt die Saison ein, braucht man schon wieder Erholung. Mit ihr winken derzeit vor allem ein englischer Komponist und ein einzigartiges Berliner Veranstaltungsformat am kommenden Samstagabend.
Zu Besuch in der Klangwerkstatt in Prenzlauer Berg, mit einer Kitagruppe aus der Nachbarschaft. Und erst nach telefonischer Voranmeldung (deutz-klangwerkstatt.
Wen hat er nicht alles in seiner Lehrstube gehabt, der 1750 in Legnago geborene Antonio Salieri, der sein Leben lang von der Unterstützung Josephs II. zehren konnte und seinerzeit als einer der wichtigsten, mächtigsten Musikfunktionäre in Wien galt.
Kaum etwas ist so polyvalent, also derart breit einsatzfähig wie Wolfgang Amadeus Mozarts Zauberflöte, begonnen im Frühjahr 1791, datiert auf Wien, Juli 1791, komplett fertiggestellt im September desselben Jahres, wenige Wochen vor dem Tod des Komponisten. Hatte einer der ersten Besucher dieser „deutschen Oper“ in zwei Aufzügen, Johann Karl Graf Zinzendorf, mit Blick auf die Ungereimtheiten im Libretto noch von einer „Farce“ gesprochen und Goethe ganz ähnlich von „Unwahrscheinlichkeiten und Späßen“, so erkannten die Späteren rasch, dass die „Zauberflöte“ ein komplexes Kunstwerk ist, das dem sogenannten Volk und der gelehrten Welt gefällt.
Waren das noch Zeiten, als man für die Staatsbibliothek spenden konnte und zum Dank dafür in den Adelsstand erhoben wurde, als draußen auf der Straße die Pferdebahn fuhr und drinnen im Salon am frühen Abend gern gemütlich Klavier gespielt wurde. Victor Klemperer hat in seinem „Curriculum Vitae“, Alfred Kerr in seinen Briefen aus Berlin reich ausgeschmückte Gemälde dieser Jahre gezeichnet.
Dass die Pause die größte Musik sei, diese oft gehörte Bemerkung veranlasste eine amerikanische Musikphilosophin bei einer Berliner Konferenz im vergangenen Sommer dazu, sich relativ weit aus dem Fenster, vielmehr über das Katheder hinweg zu lehnen, an dem sie gerade einen Vortrag gehalten hatte. Die Pause sollte also erstens die größte Musik sein, wie jemand aus dem Publikum gerade gesagt hatte, und nun konnte man zweitens eine Stecknadel fallen hören.
Manchmal muss man die Waffen strecken. In ausweglosen Situationen kann man sich – wie jeder gute Coach bestätigen wird – auch dafür entscheiden, sich gar nicht zu entscheiden.
Das Geräusch der anfahrenden U2, eine nach oben steigende Oktave. Führe die Bahn nur schnell genug, sozusagen überschallschnell, nicht so gemütlich wie normalerweise, kämen wahrscheinlich auch alle anderen Töne der Obertonreihe zum Zuge, und unversehens wäre man bei den letzten Tönen hoch zum Himmel aufgestiegen und könnte sich dort neben die Sirenen setzen und in ihren Gesang mit einstimmen.
Kirill Karabits und das Konzerthausorchester sorgen für einen gediegenen, geradezu hermetischen Konzertabend. .