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Der ehemalige US-Präsident Barack Obama wird von Bundeskanzler, Olaf Scholz am Bundeskanzleramt verabschiedet.

© dpa/Michael Kappeler

Barack Obama und der Sound einer anderen Zeit: Sozialarbeit statt Weltpolitik

Trump, Putins Krieg, China? Keine Themen für den Ex-Präsidenten. Er knüpft an seine Jahre als Community Organizer an, gibt Rat, was eine Demokratie zusammenhält und was Führung ausmacht.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Seine Stimme schickt das Publikum auf eine Zeitreise. Es ist der Sound einer Epoche, in der ein sportlicher, charismatischer US-Präsident den halben Globus für sich einnahm. In der die Welt noch einigermaßen in Ordnung schien, zumindest in der verklärenden Erinnerung. Und Stimmen der Vernunft in Amerika wie Europa den Ton angaben.

„Thank you, Berlin. It’s good to be back“, beginnt Barack Obama seinen Auftritt. Als er dann noch seine Frau Michelle erwähnt, tönen am Mittwochabend erste Jubelrufe durch die Mercedes-Benz-Arena.

Obamas Rede an der Siegessäule 2008 mit über 200.000 Zuschauern darf bei dem nostalgischen Ausflug in die Vergangenheit nicht fehlen. „Das war eine ziemlich gute Rallye, und da war ich noch nicht mal Präsident“, lobt Obama mit einem Augenzwinkern.

Sehnsucht nach der Zeit ohne Trump und Putins Krieg

Eine Sehnsucht nach jener Zeit liegt spürbar über diesem Abend. Einer Zeit vor Donald Trump, vor Wladimir Putins Krieg in der Ukraine, ohne Angst vor einer Klimakatastrophe.

Menschen stehen vor dem Auftritt von Barack Obama vor der Mercedes-Benz Arena in Berlin.
Menschen stehen vor dem Auftritt von Barack Obama vor der Mercedes-Benz Arena in Berlin.

© dpa/Christophe Gateau

Die Frage, warum die Gegenwart so viel bedrückender ist und ob Obamas Politik etwas zu dieser Entwicklung beigetragen hat, stellt Moderator Klaas Heufer-Umlauf nicht. Seine Rolle ist die eines Stichwortgebers für Obamas Überlegungen, wie demokratische Gesellschaften die Zukunft gewinnen können.

Der Ex-Präsident setzt weiter auf aufklärerischen Optimismus wie in seinen Jugendjahren als „Community Organizer“, die ihn in die Politik katapultierten.

Das kündigt sich schon im Vorprogramm an. In Berlin ist Bildung als Voraussetzung für Chancengleichheit und sozialen Aufstieg das Thema, ehe Obama die Bühne betritt. In Zürich waren einige Tage zuvor lokale Sozialprojekte und „Changemaker“ vorgestellt worden. Die Honorare in Millionenhöhe, die er auf der Europatour einnimmt, spendet er für solche Projekte.

Menschen, die zu viel Macht haben und keinen Widerspruch dulden, verlieren den Kontakt zur Realität. Dann lassen sie Bomben auf Unschuldige regnen, wie Putin.

Barack Obama

Ob Wladimir Putin, ob Donald Trump (Obama nimmt den Namen nicht in den Mund, sondern spricht nur von „meinem Nachfolger“): Ihr Fehler sei ein überholtes Denken über Hierarchien, Gruppenegoismus und Gewalt zur Durchsetzung von Interessen.

„Menschen, die zu viel Macht haben und keinen Widerspruch dulden, verlieren den Kontakt zur Realität. Dann lassen sie Bomben auf Unschuldige regnen, wie Putin.“ Die zentrale Herausforderung seien „nicht äußere Feinde, sondern der Zusammenhalt unserer Gesellschaften und das Vertrauen der Bürger in die Politik“.

Lektion über modernes Führen

Menschen seien unterschiedlich. Das dürfe man nicht zur Spaltung missbrauchen, sondern müsse es als produktive Spannung schätzen lernen, meint Obama.

Mehrfach lobt er Deutschland. Am Dienstag habe er „mit einer alten Freundin, Angela Merkel, zu Abend gegessen“ – erneut johlen viele ­– und am Mittwoch „den neuen Kanzler“, Pause, „Scholz“, getroffen. „Sie kommen aus unterschiedlichen Parteien, haben aber die gleichen Prinzipien.“

„In der Demokratie gibt es Regeln, wie man Meinungsdifferenzen austrägt“, sagt Obama. „Es wird gefährlich, wenn manche wie Orban in Ungarn oder mein Nachfolger sagen: Mir geht es nur um die Macht.“

Regierungswechsel machten ihm keine Sorge, „solange alle Regierenden verstehen, dass sie die Macht nur von den Bürgern geliehen haben. Und den politischen Gegner mit Respekt behandeln.“

In Berlin speiste Obama auch mit Ex-Kanzlerin Merkel.
In Berlin speiste Obama auch mit Ex-Kanzlerin Merkel.

© dpa/Büro der Bundeskanzlerin a. D.

Es folgt eine Lektion über modernes Führen. Ein Präsident müsse sich ein möglichst diverses Team zusammenstellen – und lernen, zuzuhören und zu Widerspruch zu ermuntern. „Wir alle haben unsere Stärken und Schwächen. Der Anführer muss dafür sorgen, dass alle gemeinsam Erfolg haben.“

Er habe sich bemüht, bei schwierigen Entscheidungen – „und nur die erreichen den Präsidenten; was leicht zu entscheiden ist, wird vorher gelöst“ ­–, junge Mitarbeiter in der zweiten oder dritten Reihe zu fragen. „Die kennen die Details meist besser als die Vorgesetzten, die älter sind und direkt am Beratungstisch sitzen.“

Und er habe „ein positives Vorurteil über Frauen. Starke Frauen waren meine Vorbilder: meine Mutter, meine Großmutter. Also hörte ich auf Frauen in meiner Regierung.“

Warnung vor rigorosen Klimaforderungen

Jetzt ist es still in der Halle. Tausende hängen an seinen Lippen. Was sagt er den jungen Menschen, die in der Klimakrise das Vertrauen in die Regierung verlieren? „Ihr dürft nicht aufgeben!“

Wir werden es nicht perfekt hinkriegen, doch jeder Schritt weg von schmutzigen Energien schenkt uns Zeit, eine Katastrophe zu verhindern.

Barack Obama über den Kampf gegen den Klimawandel

Die meisten Länder „erfüllen ihre Zusagen nicht. Aber weinend davonlaufen ist keine Option.“ Obama stellt sich gegen kompromisslose Forderungen. Es klingt wie eine Mahnung an die „Letzte Generation“.

„Wir werden es nicht perfekt hinkriegen, doch jeder Schritt weg von schmutzigen Energien schenkt uns Zeit, eine Katastrophe zu verhindern.“ Das sage er auch seiner Tochter Malia, wenn deren Freunde sich beschwerten, dass die Klimaziele nicht erreicht werden.

„Vielleicht werden wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen. Aber es macht einen großen Unterschied, ob wir bei 2,5 oder 3,5 Grad Erwärmung landen. Je nachdem werden mehr oder weniger Küstenregionen überflutet. Auch dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

Man dürfe den Alltag der Bürger nicht ignorieren. Zum Beispiel, dass „viele auf günstiges Benzin angewiesen sind, um zur Arbeit zu fahren.“

Wir können die Globalisierung nicht rückgängig machen, aber wir müssen intensiver bedenken, welche Folgen sie für die Menschen hat.

Barack Obama

Ist die Globalisierung zu weit gegangen? Obama rät, die „kapitalistische Globalisierung“ des Warenverkehrs von der zwischenmenschlichen Globalisierung zu trennen. „Dass die Welt näher zusammenrückt, hat große Vorteile.“ Er habe zwar „Probleme mit China, weil es ein autoritäres Regime hat. Aber ich bin dankbar, dass Millionen Chinesen aus der Armut geholt wurden.“

Wieder lobt er Deutschland. „Ihr habt glücklicherweise eine Tradition der Kooperation zwischen starken Gewerkschaften und Unternehmen. Wir können die Globalisierung nicht rückgängig machen, aber wir müssen intensiver bedenken, welche Folgen sie für die Menschen hat.“

40 Prozent der Menschen in Deutschland haben ein Elternteil, das nicht in hier geboren ist“, sagt Obama. „Wir können uns nicht mit Mauern vor der Außenwelt schützen. Wir müssen Brücken bauen. Aber zugleich die Grundrechte und Prinzipien verteidigen, für die wir stehen, etwa den Schutz von Minderheiten.“

Obama will Zuversicht wecken. „Unsere Enkel werden wie ,global citizens‘ (Weltbürger) denken. Aber auf dem Weg dahin müssen wir ,bumpy times‘, holprige Zeiten, überstehen.“

Nach 60 Minuten ist Schluss. Ein letzter Rat: Viele Leute sehen in ihm den Typ, der auf „hope“ und „change“ gesetzt habe, und fragten, was ihm heute Hoffnung mache. „Dann sage ich: die nächste Generation.“ Und was sagt er den Alten? „Macht Platz!“ Dafür erntet er Standing Ovations.

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