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Noch immer ein Rockstar: Barack Obama tourt mit Vorträgen durch die Welt, hier kürzlich in Australien.

© dpa/AAP/Michelle Haywood

Ex-Präsident auf Europatour: Diese drei bitteren Fragen warten auf Barack Obama in Berlin

Er war ein Rockstar der Politik und tourt nun um die Welt. Und man will wissen: Was hat Obama dazu beigetragen, dass Trump Präsident wurde und Putin die Ukraine angriff? Und was würde er heute anders machen?

Der Auftritt am 3. Mai in Berlin wird etwas von einer Revival-Tour haben, wie bei den in die Jahre gekommenen Stones. Barack Obama kehrt in die Stadt seines großen Triumphs zurück.

Mehr als 200.000 Menschen kamen im Juli 2008 an die Siegessäule, um ihm zuzujubeln. Drei Mal mehr als bei seinen größten Auftritten in den USA. Der schwarze Präsidentschaftskandidat war ein Rockstar.

Erlösungssehnsüchte taten das ihre nach acht Jahren unter dem in Deutschland verachteten Präsidenten George W. Bush. „Der Messias-Faktor“, titelte ein Nachrichtenmagazin.

Afroamerikaner besiegt weiße Frau aus Oberschicht

Ein African American, dazu Kind einer alleinerziehenden Mutter, schickte sich an, das Weiße Haus zu erobern – gegen eine weit überlegen wirkende Vertreterin des Establishments: Hillary Clinton. Und das war kein kitschiger Hollywood-Plot, sondern ein realer amerikanischer Traum.

Auf seine Weise ist Obama immer noch ein Rockstar. Welcher andere, vor Jahren aus dem Amt geschiedene Politiker wäre in der Lage, die Mercedes-Benz-Arena zu füllen bei dreistelligen Ticketpreisen?

Obamas Haar ist inzwischen fast weiß. Wie man ihn kennt, wird er seinen Auftritt mit ganz ähnlichen Worten wie Mick Jagger beginnen: It’s good to be back in Berlin. Und mit einem der eigenen Wirkung bewussten Lächeln an 2008 erinnern: Das war ‘ne ziemlich gute Party damals, right?

Doch dann wird der Abend mit Obama eine andere Wendung nehmen als ein Konzert der Stones. Auch wenn die Nostalgie die Menschen hier wie dort in die Arena treibt: Mit den alten Songs kann und darf man der Gegenwart entfliehen. Obamas Art, die Welt zu erklären und Politik zu machen, steht heute quer zur Lage der Welt.

Als USA-Korrespondent des Tagesspiegel heftete sich unser Autor bereits 2007 an Barack Obamas Fersen, als die meisten Beobachter an einen Sieg von Hillary Clinton bei der Wahl 2008 glaubten.
Als USA-Korrespondent des Tagesspiegel heftete sich unser Autor bereits 2007 an Barack Obamas Fersen, als die meisten Beobachter an einen Sieg von Hillary Clinton bei der Wahl 2008 glaubten.

© privat

Bittere Fragen drängen sich auf. Was würde ein Präsident Obama heute tun? Dazu gehört die selbstkritische Prüfung, was er dazu beigetragen hat, dass es so weit gekommen ist, erstens, in den USA. Die Wahl Donald Trumps 2016 war zu einem Gutteil die Reaktion vieler Bürger auf acht Jahren Obama.

Zweitens, in Russland und der Ukraine. Putins Radikalisierung und seine Bereitschaft, das Militär zur Durchsetzung russischer Herrschaftsansprüche einzusetzen, beschleunigte sich in Obamas Regierungsjahren 2009 bis 2017 mit dem Krieg in Syrien, der Annexion der Krim und dem Beginn der Kämpfe in der Ostukraine.

Von Bush zu Obama zu Biden: Extreme Pendelschläge

Die politischen Zyklen der US-Politik ähneln oft den Pendelschlägen einer Uhr. Barack Obama war 2008 auch deshalb so populär, weil er stärker als seine Konkurrenten den Gegenentwurf zum abtretenden Amtsinhaber Bush verkörperte, von den politischen Inhalten bis zum Stil seines Auftretens.

Trump wurde sein Nachfolger, weil er stärker als andere Republikaner für den Gegenentwurf zu Obama stand. Und Trump ist, trotz Abwahl 2020, noch keineswegs Geschichte. Derzeit ist er der Republikaner mit den besten Aussichten auf die Kandidatur 2024.

„Yes, we can“ ist kein Erfolgsrezept für Biden

Was würde Obama dem heutigen Präsidenten Joe Biden raten, wie er das Weiße Haus verteidigt? Der idealistische Glaube an ein besseres Amerika und Wahlkampfslogans wie „Yes, we can“ oder „Change we can believe in“ wären wohl kein Erfolgsrezept.

Zur Wahrheit gehört: Die praktische Politik Bidens, der doch acht Jahre Obamas Vize war, hat Trumps Kurskorrekturen in vielen Feldern beibehalten. Der Umgang mit Migranten ist nicht weicher geworden. Obamas Gesundheitsreform bleibt gerupft. Wachstum hat Priorität vor Klimabelangen. Und „America First“ bleibt die Devise im Außenhandel.

Das Verhältnis zwischen Politik und Medien war unter Obama entspannter. Das Präsidentenpaar lud Mitglieder des White House Press Corps zu Weihnachtsempfängen ein. Donald Trump hat die Tradition beendet, Joe Biden hat sie nicht wieder aufgenommen.
Das Verhältnis zwischen Politik und Medien war unter Obama entspannter. Das Präsidentenpaar lud Mitglieder des White House Press Corps zu Weihnachtsempfängen ein. Donald Trump hat die Tradition beendet, Joe Biden hat sie nicht wieder aufgenommen.

© White House

Besonders sichtbar ist Bidens Abkehr von Obamas Maximen in der Geopolitik. Obama wollte Amerika aus seinen „ewigen Kriegen“ herausführen und die Einsätze in Afghanistan und im Irak beenden. Beides gelang erst nach ihm.

Waffen für Kiew: Gegenkurs zur Obama-Doktrin

Ihm war wichtig, sich in keine neuen Stellvertreterkriege hineinziehen zu lassen. Libyen überließ er 2011 Briten und Franzosen, stellte aber rasch fest, dass die ohne die USA nichts hinbekamen.

In Syrien weigerte er sich, die moderaten Assad-Gegner zu bewaffnen und Flugverbotszonen einzurichten, gegen den Rat seiner Generäle und seiner Außenministerin Hillary Clinton.

2012 zog Obama eine rote Linie: Bei einem Giftgaseinsatz werde Amerika intervenieren. Das taten die USA aber nicht, als Assad sie überschritt. Putin nutzte die Lage, um erst einen Ausweg zu vermitteln – das syrische Giftgas wurde außer Landes gebracht – und dann mit russischem Militär Assad zu stützen. Nun waren Obama die Hände gebunden. Ein Eingreifen in Syrien hätte zu einem Stellvertreterkrieg gegen Russland geführt.

Auf die Annexion der Krim und den Krieg im Donbass folgte nicht mehr als ein paar Sanktionen. Diplomatische Ansätze überließ er Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die scheiterte damit.

Joe Biden verfolgt mit der Waffenhilfe für die Ukraine einen härteren Kurs als Obama. Und natürlich auch einen härteren als Trump. Obama wird das gewiss nicht offen kritisieren.

Die Frage ist vielmehr: Wird er sich auf eine selbstkritische Betrachtung einlassen, inwieweit seine Innen- und seine Russlandpolitik im Rückblick die Konflikte zugespitzt hat?

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