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Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Obama 2016 in Berlin.

© dpa/Kay Nietfeld

„Die Verkörperung des guten Amerika“: Was die Deutschen an Barack Obama so fasziniert

Am Mittwoch tritt der 44. US-Präsident in Berlin auf. Der ehemalige Botschafter in Washington Peter Wittig erklärt, warum Obama in Deutschland beliebter ist als in seiner Heimat.

Noch vor seiner Wahl zum US-Präsidenten jubelten Barack Obama 2008 an der Siegessäule 200.000 Menschen zu – mehr als je bei einer Veranstaltung in den USA. Ist die Zuneigung der Deutschen zu Obama größer als die der Amerikaner?
Eindeutig ja! Obama hat zwar zwei Präsidentschaftswahlen klar gewonnen und hatte als Präsident auch gute Beliebtheitswerte. Doch im Rückblick waren Kennedy und auch Reagan in den USA beliebter als er. Innenpolitisch hatte Obama erbitterte Gegner. Viele Amerikaner konnten sich mit einem schwarzen Präsidenten auch nie recht anfreunden.

Die Deutschen hingegen sahen in ihm die Verkörperung des guten Amerika – im Gegensatz zum unbeliebten George W. Bush. Obama war für sie zeitweise eine Art Lichtgestalt, ein Hoffnungsträger für eine bessere Welt – fast mehr Prophet als Politiker. Kein Zweiter repräsentierte die „soft power“ der westlichen Führungsmacht wie er.

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Was fasziniert die Deutschen so an Obama?
Einerseits der raketenhafte Aufstieg eines schwarzen Außenseiters zum Präsidenten der Weltmacht, andererseits das immer noch jugendliche Charisma eines begnadeten Redners und Kommunikators. Die Deutschen mögen an ihm, was sie offenbar in der deutschen Politik nicht finden: Optimismus, Lässigkeit, Wortmächtigkeit und Humor. Dazu kommt die Faszination seiner Frau Michelle Obama – ein „power couple“ auf Augenhöhe.

Als er 2013 im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit vor dem Brandenburger Tor sprach, kamen deutlich weniger Menschen zusammen. Konnte Obama die hohen Erwartungen an ihn nur enttäuschen?
Kein Präsident hätte Obamas Versprechungen und selbst gesteckten Erwartungen erfüllen können: Versöhnung im Inneren, Frieden in der Welt. Gleich im ersten Amtsjahr erhielt er den Friedensnobelpreis – eine Auszeichnung in der Hoffnung künftiger Erfolge.

Die Ernüchterung war vorprogrammiert. Obama musste Lehrgeld zahlen. Die innenpolitischen Widerstände einer nach rechts rückenden Republikanischen Partei beschnitten seinen Handlungsspielraum. Er wurde pragmatischer und verlor damit auch ein Stück seiner Aura als Einheits- und Friedenstifter.

Was hat das Verhältnis der Deutschen zu Obama aus Ihrer Sicht am stärksten geprägt?
Nach der Anfangseuphorie gab es auch Enttäuschungen über Obama: etwa die Abhörung von Bundeskanzlerin Merkel durch den US-Geheimdienst NSA im Jahre 2013 oder die unterbliebene Reaktion auf den Einsatz chemischer Waffen durch den syrischen Diktator Assad.

Das Bild Obamas in Deutschland wurde etwas entzaubert – aber eine Grundsympathie der Deutschen blieb. Sie wurde rückwirkend noch einmal deutlicher, als Präsident Trump die deutsch-amerikanischen Beziehungen buchstäblich abstürzen ließ.

Biden wird der letzte transatlantische Präsident seiner Art sein. In Zukunft müssen sich Europa und Deutschland stärker auf sich selbst verlassen.

Peter Wittig, ehemaliger deutscher Botschafter in Washington

Welche Rolle spielte die gute Beziehung zwischen Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Obama für das deutsch-amerikanische Verhältnis?
Die persönliche Beziehung zwischen den beiden war zunächst eher distanziert. Bundeskanzlerin Merkel verhielt sich abwartend, sie hielt nicht viel von Obamas großen Visionen. Und Obama war anfänglich keineswegs ein „europäischer Präsident“, sein Blick richtete sich auf den Pazifik.

Erst im Laufe der Zeit wuchs eine enge Partnerschaft und persönliche Sympathie der beiden heran. Sie war zentral für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. In meiner Zeit als Botschafter in Washington konnte ich beobachten, wie eng das Vertrauensverhältnis dieser beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten war. Angela Merkel war klar Obamas bevorzugte internationale Partnerin.

Vermag Präsident Biden in der Beziehung zu Deutschland an Obamas Vermächtnis anzuknüpfen?
Präsident Biden ist von Herkunft und Werdegang stark von der Partnerschaft mit Europa geprägt – mehr noch als Obama zu Beginn seiner Präsidentschaft. Für Deutschland war die Wahl Bidens ein Glücksfall. Seine Regierung sieht in Deutschland einen zentralen Eckstein der transatlantischen Allianz und hat viel Verständnis für die deutschen Belange und Besonderheiten. Das zeigte sich besonders nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, als Deutschland – unvorbereitet – mit den Folgen der „Zeitenwende“ zu kämpfen hatte.

Wir dürfen uns aber nichts vormachen: Biden wird der letzte transatlantische Präsident seiner Art sein. In Zukunft müssen sich Europa und Deutschland stärker auf sich selbst verlassen.

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