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Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch führten lange gemeinsam die Fraktion Die Linke im Bundestag. Heute gehen sie getrennte Wege.

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Die Partei am linken Rand bricht weg: Sahra Wagenknecht kann die Lücke nicht füllen

Gerät das deutsche Parteiensystem aus der Balance? Die Partei am linken Rand steht vor der Spaltung, der rechte Rand ist im Aufstieg. Es wirkt wie eine Sterbespirale.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Linke siecht dahin. Bundesweit liegt sie unter fünf Prozent. In ihren Stammländern im Osten ist sie mit Ausnahme Thüringens auf den vierten Platz abgerutscht. Nun droht ihr die Abspaltung des Wagenknecht-Flügels und damit der Verlust des Fraktionsstatus im Bundestag samt den daran hängenden Einflussmöglichkeiten. Es wirkt wie eine Sterbespirale.

Man muss kein Freund der Linken sein, um darin einen Verlust und eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sehen. Was macht das mit der deutschen Demokratie, wenn die Partei am linken Rand wegbricht und der rechte Rand immer stärker wird, weil er einen Gutteil der Protestwähler aufsaugt, die früher Die Linke an sich band?

Gerät das Parteiensystem aus der Balance? Wo finden Menschen, die lange Die Linke wählten, eine neue politische Heimat? 33 Jahre nach der Einheit trifft die Frage Bürger in den östlichen Bundesländern besonders hart.

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Wagenknecht setzt auf nationalen Sozialismus

Sahra Wagenknecht kann die Lücke nicht füllen. Sie will es auch nicht. Ihr Sozialismus ist ein nationaler. Sobald die internationale Verantwortung für die „Verdammten dieser Erde“ mit den Interessen der kleinen Leute hierzulande kollidiert, etwa bei Migration, dem Klimaschutz, dem Ukrainekrieg, gibt sie dem nationalen Sozialismus Priorität vor der sozialistischen Internationalen.

Aufstieg und Fall der Linken zeigen die enorme Integrationsleistung durch das politische System der Bundesrepublik – und zugleich deren Grenzen. Im Verlauf von 40 Jahren wurde aus einem Drei-Parteiensystem (Union, SPD, FDP) durch Einbindung der Grünen, der PDS und späteren Linken sowie der AfD ein Sechs-Parteiensystem.

Drei Gründe gegen Koalition mit der Linken im Bund

Das ist auch dem Verhältniswahlrecht samt seinen niedrigen Einstiegshürden für neue Kräfte zu verdanken. Bei Mehrheitswahlrecht wären Bewegungen, die sich gegen die etablierte Politik wenden, viel länger zu außerparlamentarischer Opposition verurteilt.

Die Linke setzte ihrer Einbindung selbst Grenzen. Anders als die Grünen, die ihre unpraktikablen Anfangsprinzipien wie die Rotation bald aufgaben, schaffte Die Linke den Aufstieg in eine Regierungskoalition im Bund nicht. Drei fundamentale Bedenken konnte sie nicht überwinden.

Sie stellt Stützpfeiler der Marktwirtschaft wie das Privateigentum in Frage. Sie opponiert gegen die Westbindung und die Mitgliedschaft in der Nato, auf denen Deutschlands Sicherheit beruht. Und sie hat ihre Haltung zu den Verbrechen der DDR und damit zu ihrer Parteigeschichte nicht eindeutig geklärt. Womöglich fallen diese Barrieren mit der Zeit noch, sofern Die Linke im Bundestag bleibt. Danach sieht es nicht aus.

Mitregieren in den Bundesländern

Auf Länderebene waren dies keine prinzipiellen Hindernisse. Deren Regierung haben andere Aufgaben. Die Linkspartei regierte seit 1998 in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Bremen mit und wurde pragmatischer. In Thüringen stellt sie sogar den Ministerpräsidenten. Bodo Ramelow ist freilich kein typischer Linker. Der bekennende Christ und Gewerkschafter könnte auch im Arbeitnehmerflügel der Union einen Platz finden.

Was bleibt von der Linken, falls sie aus dem Bundestag und den meisten Landtagen verschwinden sollte? Ihr Eintreten für die Schwächsten ist kein Alleinstellungsmerkmal, das tun auch die SPD und die Sozialpolitiker der Grünen. Bei der Linken gehört es jedoch stärker zur Identität und ist nicht das Anliegen von Parteiflügeln, das mit anderen Interessen auszugleichen ist.

Wichtiger bleibt: Die Linke hat seit der Einheit Millionen Ostdeutsche an die deutsche Demokratie herangeführt und sie mit ihr versöhnt. Wenn ihr das nicht mehr gelingt und ihre früheren Wähler in Scharen zur AfD wandern, wird es gefährlich.

Sahra Wagenknecht hat Charisma und rhetorische Begabung. Bisher ist aber unklar, wie weit der Nationalpopulismus in ihrem Sozialismus reicht. Und wo ihre Brandmauer zur AfD und deren Wählerschaft verläuft.

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