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Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch (Archivbild von 2020). Was bedeutet ihr Ausscheiden für die Partei?

© Imago/Christian Thiel

Exklusiv

Dietmar Bartsch zur Linken-Krise: „Ich will die Fraktion zusammenhalten und unseren Auftrag erfüllen“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht nach dem Rückzug seiner Kollegin seine Partei noch nicht vor dem Bruch. Doch er warnt, dass weitere Austritte die Existenz der Fraktion gefährden.

Herr Bartsch, Ihre Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zieht sich wegen des Umgangs ihrer Partei mit Sahra Wagenknecht von ihrem Amt zurück. Erleben wir gerade die Implosion der Linken?
Nein. Ich tue weiter alles dafür, dass es keine Implosion der Linken geben wird. Wir tragen Verantwortung in Kommunen, Ländern und im Bund als die soziale Opposition. Diesen Auftrag haben uns die Wähler erteilt. Interne Konflikte interessieren die Menschen übrigens nur begrenzt.

Mohamed Ali begründet ihren Schritt mit „politischen Gründen“. Den letzten Ausschlag habe die Distanzierung der Parteispitze von Wagenknecht Anfang Juni gegeben. Spaltet Wagenknecht oder spaltet die Parteispitze die Partei?
Es wird keine Spaltung der Linken geben. Wir sind in unserer Kernsubstanz stabil. Ich will, dass die Linke gemeinsam agiert. Die Geschichte und der Blick in andere Länder, etwa nach Italien, zeigen uns: Eine Spaltung der Linken hat immer nur Konservative und Rechte gestärkt.

Rechnen Sie damit, dass Mohamed Ali bei der Gründung einer Wagenknecht-Partei mitmachen wird?
Damit rechne ich nicht. Amira will weiter im Bundestag arbeiten. Sie gehört, wie Sahra Wagenknecht, unserer Bundestagsfraktion an. Aktuell bereiten Amira Mohamed Ali und ich die Klausur unserer Fraktion vor.

Wenn drei Abgeordnete unsere Fraktion verlassen, muss die Fraktion nach gesicherter Rechtsprechung liquidiert werden.

Dietmar Bartsch, Linken-Fraktionschef

Treten Sie wieder als Co-Fraktionschef an? Wen wünschen Sie sich an Ihrer Seite?
Meine endgültige Entscheidung fällt in den nächsten Tagen. Zuvor gibt es diverse Gespräche.

Sie wissen also noch nicht, ob Sie weitermachen wollen?
Wie ich Ihnen eben sagte: Meine Entscheidung fällt in den nächsten Tagen.

Muss Ihre Bundestagsfraktion eine Spaltung und damit den lukrativen Status als Fraktion fürchten?
Diese Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es. Ein solches Agieren wäre allerdings verantwortungslos. Die Fraktion ist ein sehr wertvolles Gut. Wir stellen kleine Anfragen, beantragen Aktuelle Stunden, können so das Leben von Menschen verbessern. Nur ein Beispiel: Mit einer Aktuellen Stunde haben wir wesentlich dazu beigetragen, dass die Firma Vestas einen Tarifvertrag hat.

Aber die Spaltung steht im Raum.
Wenn drei Abgeordnete unsere Fraktion verlassen, muss die Fraktion nach gesicherter Rechtsprechung liquidiert werden. Das wäre verantwortungslos. Ich will die Fraktion zusammenhalten und unseren Auftrag erfüllen, nämlich: linke Politik machen.

Können Sie mit einem Fraktionskollegen wie Alexander Ulrich zusammenarbeiten? Er sagt: „Die Linke verkommt leider zu einer Sekte. Wir hoffen auf Sahra Wagenknecht.“
Diese Äußerung ist wenig zielführend. Wir haben 39 Abgeordnete, die über die Partei in den Deutschen Bundestag gewählt wurden. Als Fraktionsvorsitzender arbeite ich mit allen zusammen. Unser Ziel: Maximaler politischer Erfolg im Interesse der Menschen.

Die Linken-Abgeordnete Jessica Tatti sagt: „Wer den eigenen Genossen permanent die Tür zeigt, braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann durchgehen.“
Es gibt leider wenige Mitglieder in der Partei, die sich wünschen, dass einige gehen. Das ist falsch. Ich werbe dafür, dass Menschen in unsere Partei eintreten.

Mohamed Ali kritisiert unter anderem, die Linke formuliere kein „grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelregierung“ etwa in der Klimapolitik. Ist die Linke eine Unterstützungs-Truppe der Bundesregierung?
Definitiv nicht. Wir sind die soziale Opposition im Bundestag, gegen die schlechte Ampel-Politik. Die Ampel schafft es nicht mal, ihre eigenen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zu halten, man denke nur an die Kindergrundsicherung und das soziale Klimageld. Aktuell regiert uns die Ampel in die Rezession.

Die Parteiführung wolle enttäuschte Grünen-Wähler gewinnen, sagt Mohamed Ali. Wollen die Linken grüner als die Grünen sein?
Ich werbe um jede Wählerin und jeden Wähler, egal was sie zuvor gewählt haben. Wir sind rot, wir sind die einzigen, die konsequent für die nicht-privilegierten Menschen im Land kämpfen.

Ihr Fraktionskollege, Ex-Linken-Chef Klaus Ernst, sieht in der Nominierung der Klima- und Flüchtlingsaktivistin Carola Rackete als Spitzenkandidatin zur Europawahl eine „politische Geisterfahrt“ Ihrer Partei. Kommt Frau Rackete bei der Linken-Basis in Berlin-Marzahn, Schwedt oder dem Erzgebirge gut an?
Wir werden mit einem Team zur Europawahl antreten, zu dem auch der Sozialmediziner Gerhard Trabert, der Parteivorsitzende Martin Schirdewan und die Gewerkschafterin Özlem Demirel gehören. Menschen wie Carola Rackete gehörten schon immer zur Linken. Unser Team ist gut. Von Gerhard Trabert, mit dem ich zusammen in der Ukraine war, um dort medizinische Hilfsgüter hinzubringen, bin ich richtig begeistert.

Wie definieren Sie Ihr Verhältnis zur gegenwärtigen Parteiführung der Linken?
Wir sind im wöchentlichen konstruktiven Austausch und bereden alles miteinander, möglichst diskret. Aber wir müssen in den Umfragen dringend wieder zulegen und brauchen die Konzentration auf die Auseinandersetzungen mit unseren politischen Konkurrenten.

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