zum Hauptinhalt
Die umstrittene ehemalige Linkenchefin Sahra Wagenknecht spaltet die Partei.

© Imago/Christian Spicker

Linken-Krise spitzt sich zu: Diese Abgeordneten könnten zu einer Wagenknecht-Partei wechseln

Die Linke fürchtet um ihren Status als Bundestagsfraktion. Sobald drei Abgeordnete die Fraktion verlassen, ist der Status passé. Noch in diesem Jahr kann es dazu kommen.

Der Frust bei etlichen Linken-Bundestagsabgeordneten ist groß. Mehrere Parlamentarier echauffieren sich über die Linken-Parteiführung, deren Schwerpunkte und den Umgang mit Sahra Wagenknecht. Die ehemalige Fraktionschefin liebäugelt mit der Gründung einer neuen Partei.

Zwischen fünf und zehn Linken-Abgeordnete könnten einer Wagenknecht-Partei beitreten, heißt es in Fraktionskreisen. Sollten sie das tun, wäre der lukrative Fraktionsstatus (Rechte im Parlament, Mitarbeiter, Geld, Redezeit im Plenum) dahin.

Das wäre bereits der Fall, wenn drei der bisher 39 Abgeordneten die Linken-Fraktion verlassen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sah sich deshalb am Montag genötigt, potenziell abtrünnige Parteifreunde im Bundestag davor zu warnen, mit Austritten aus der Fraktion deren Fortbestand zu gefährden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Die Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es“, sagte er dem Tagesspiegel: „Wenn drei Abgeordnete unsere Fraktion verlassen, muss die Fraktion nach gesicherter Rechtsprechung liquidiert werden. Das wäre verantwortungslos.“ Auslöser war der angekündigte Rückzug von Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali.

Wer aber sind die Abgeordneten, die das Ende der Linken-Bundestagsfraktion nach fast zwei Jahrzehnten parlamentarischer Existenz herbeiführen könnten?

Da ist vor allem Sahra Wagenknecht, 54, selbst. Wagenknecht und die Linken-Parteiführung haben sich in den vergangenen Jahren entfremdet. Wagenknecht, die schon als junge Frau der SED angehört hatte, gibt die Traditionalistin. Sie gibt sich als Kämpferin für die sozial Schwachen, verbindet das mit dem Ruf nach einer restriktiven Migrationspolitik. Von offenen Grenzen hält sie nichts.

Wagenknecht hält sich alle Optionen offen

„Die Vernachlässigung der Probleme normaler Bürger, die angesichts der desaströsen Politik der Ampel Angst um ihre Zukunft haben, wird zu weiteren Wahlniederlagen führen und macht die Linke perspektivisch zu einer bedeutungslosen Splitterpartei“, sagte Wagenknecht am Montag der ARD.

Damit reagierte sie auf den Rückzug Mohamed Alis, die wiederum die linken Attacken auf Wagenknecht kritisiert. Wagenknecht, obgleich wenig organisationsstark, könnte eine eigene Partei gründen. Sofern diese in Konkurrenz zur Linken bei Wahlen kandidiert, müsste sie die Fraktion verlassen.

Der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann fordert die Parteispitze auf, Wagenknecht wieder einzubinden und damit eine Spaltung abzuwenden. Der Parteivorstand („Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“) müsse dafür zurückrudern. Ob das geschieht? Zweifelhaft.

Zu den Verbündeten Wagenknechts zählt Klaus Ernst, 68, einst Linken-Parteichef. Der Gewerkschafter aus Bayern hält, wie Wagenknecht, nichts von der Klima- und Migrationspolitik der Linken-Spitze.

Klaus Ernst gehört zu den Vertrauten von Wagenknecht in der Fraktion.
Klaus Ernst gehört zu den Vertrauten von Wagenknecht in der Fraktion.

© dpa/Annette Riedl

Giftig kommentierte Ernst kürzlich im Tagesspiegel die Nominierung der Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete zur Linken-Spitzenkandidatin bei der Europawahl. Von einer „Geisterfahrt der politischen Führung der Linken“ sprach er.

Sollte Wagenknecht eine Partei gründen, hätte sie wohl den organisationserfahrenen Ernst an ihrer Seite. Der hatte 2005 die WASG gegründet, die gemeinsam mit der PDS zur Linken fusionierte.

Die Abgeordnete Sevim Dağdelen, 47, gilt als Vertraute Wagenknechts. Beide Frauen haben ihre politische Heimat in NRW, wobei Wagenknecht im Saarland lebt. Schon 2018 beklagte sie parteiinternes „Mobbing“ gegen Wagenknecht.

Sevim Dagdelen (Linke) kritisiert seit Jahren den Umgang der Parteispitze mit Wagenknecht.
Sevim Dagdelen (Linke) kritisiert seit Jahren den Umgang der Parteispitze mit Wagenknecht.

© Foto: Michael Kappeler/dpa

„Der Rückzug von Amira Mohamed Ali ist nachvollziehbar und konsequent. Die Parteiführung will all jene herausdrängen, die sich weiter auf die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung konzentrieren“, sagte Dağdelen dem Tagesspiegel: „Eine Politik im Interesse der Mehrheit und nicht für eine verschwindende Anzahl von Sektenanhängern könnte auch der AfD Paroli bieten.“

Dağdelen wirft der Linken-Führung eine „groß angelegte Säuberungsaktion“ gegen parteiinterne Gegner und „organisierte Selbstzerstörung“ vor. „Man setzt irrigerweise darauf, möglichst noch vor der Hessenwahl mit einer grüngewirkten Truppe anzutreten“, sagte Dağdelen im Juni.

Dagdelen verteidigte Russlands Vorgehen

Außenpolitisch liegt sie nahe bei Wagenknecht, zeigt sich Ukraine- und USA-kritisch, bei gleichzeitiger Nachsicht mit Russland. Wenige Tage vor Kriegsbeginn trat sie im Februar 2022 bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf. „Sicherheit für Russland ist Sicherheit für unser Land“, lautete das Motto. Russland fühle sich durch die Nato „zu Recht bedroht“, hieß es im Aufruf für die Kundgebung. Dagdelen rechnete in ihrer Rede mit USA und Nato ab, warf ihnen „Kriegstreiberei und Kriegshetze“ vor.

Der Linke-Abgeordnete Alexander Ulrich sagte nach dem Rückzug Mohamed Alis: „Die Linke verkommt leider zu einer Sekte. Wir hoffen auf Sahra Wagenknecht.“ Auch Ulrich, 52, Bundestagsabgeordneter seit 2005, könnte in eine Wagenknecht-Partei wechseln. Ulrich stammt aus Rheinland-Pfalz, fungiert als Parlamentarischer Geschäftsführer im Bundestag.

Nach dem Beschluss des Linken-Vorstands gegen Wagenknecht forderten Ulrich und Ernst den Bundesvorstand auf, „seinen geschlossenen Rücktritt zu erklären“. Wagenknecht solle „auf keinen Fall ihr Mandat zurückgeben“, schrieb Ulrich. Sie spreche „für Millionen Menschen in der Bevölkerung und für Tausende Mitglieder an der Parteibasis, die sich von diesem Vorstand und seinem Kurs nicht mehr vertreten fühlen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false