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Eine Szene aus „Jovantore“.

© Egmont Manga

Manga-Zeichner Daniel Eichinger:: „Es braucht nur eine einzige Person, um einen Traum wahr werden zu lassen“

Kürzlich hat er mit dem Science-Fiction-Manga „Jovantore“ sein Debüt-Buch veröffentlicht. Im Tagesspiegel erzählt Daniel Eichinger von der Leidenschaft für seine Arbeit und verrät, was er überhaupt nicht zeichnen kann.

Welche Noten hatten sie im Kunstunterricht? Würden sie anderen Menschen zu einer Laufbahn im Comic-Business raten? Und welche Comics würden sie bei einem Wohnungsbrand zuerst retten? Im Tagesspiegel-Fragebogen geben Zeichnerinnen und Zeichner Einblicke in ihren Berufsalltag und in ihre Leidenschaft für die Kunstform. Heute: der Zeichner Daniel Eichinger, von dem kürzlich im Egmont-Verlag der Science-Fiction-Manga „Jovantore“ erschienen ist.

1. Was kommt bei Ihrer Arbeit zuerst: Worte oder Bilder?
Bei mir sind es tatsächlich zuerst die Bilder. Denn bevor ich eine konkrete Idee für eine Geschichte niederschreibe, lege ich mich mental schon auf ein Setting fest, das mich über die kommenden Jahre am meisten interessiert. Auch die Auswahl des Genres und der allgemeinen Stimmung/Atmosphäre spielt sehr früh eine wichtige Rolle für mich. Erst wenn ich mir die Welt meines Mangas bildlich einigermaßen gut vorstellen kann, mache ich mir Gedanken um die Handlung und die Charaktere.

2. Hören Sie beim Zeichnen Musik, und wie beeinflusst Sie das?
Musik ist mein ständiger Begleiter, wenn ich zeichne. Denn mit passender Musik kann ich meine eigenen Gefühle mit der Szene, an der ich in dem Moment zeichne, viel einfacher auf dieselbe Wellenlänge bringen. Ich hoffe immer, dass sich ein merklicher Anteil meiner eigenen Stimmung auf meine Bilder überträgt und somit auch für die Leserinnen und Leser spürbar wird. In „Jovantore“ ist als besonderes Extra sogar eine Musik-Playlist abgedruckt. Die 15 ausgewählten Musikstücke haben mich oft beim Zeichnen begleitet und sollen auch das Leseerlebnis noch mal auf eine ganz besondere Ebene heben.

3. Was essen oder trinken Sie am liebsten bei der Arbeit?
Meistens trinke ich Tee oder entkoffeinierten Kaffee, damit ich immer noch merke, wenn mein Körper müde wird und ich eine Pause brauche. Während des Zeichnens habe ich oft eine Packung Salzbrezeln, ein paar Bonbons oder Schokolade neben mir. Das ist zwar nicht das Gesündeste, aber es ist gut für die Seele.

4. Angenommen, Ihre Wohnung brennt: Welche Comics würden Sie auf jeden Fall aus Ihrem Regal retten?
Falls meine Wohnung mal in Flammen aufgeht, würde ich mir nur Gedanken um meine eigenen handgezeichneten Bilder machen, denn die sind für mich wirklich unersetzlich. Meine Manga-/Comicsammlung ist dagegen eher ein geringes Opfer. Wenn mir noch genug Zeit bleibt, würde ich aber gerne Werke wie „Battle Angel Alita“, „Berserk“ und „Blade of the Immortal“ retten. Denn jedes der drei Meisterwerke hat einen ganz besonderen Platz in meinem Künstlerherzen.

5. Welche Zeichner/innen und Autor/innen waren für Ihre eigene Entwicklung die prägendsten?
Für mich galt seit jeher das Motto: „Jeder und niemand beeinflusst mich als Künstler.“ All die Dinge, die ich bisher gesehen habe und die Bilder, die ich daraus in meinem Kopf zu etwas Neuem kreiert habe, haben mich zu dem Zeichner gemacht, der ich heute bin. Wenn ich entscheiden müsste, wer mich am meisten geprägt hat, dann ist es wahrscheinlich Yukito Kishiro, der Mangaka von „Battle Angel Alita“. Sein Werk war der erste Manga, den ich gelesen habe und gleichzeitig auch der, der so vieles vereint, das mich künstlerisch anspricht. Selbst in meinen jungen Jahren hat die Manga-Reihe den Wunsch in mir ausgelöst, irgendwann eine Geschichte zu zeichnen, die an ein ähnliches Level wie mein Vorbild heranreicht. Da bekomme ich gleich wieder Lust, den Manga durchzublättern.

6. Welchen Comic würden Sie jemandem empfehlen, der sonst eigentlich keine Comics liest?
Hm ... das kommt natürlich immer darauf an, wie alt die Person ist und welche Vorlieben sie im Genre und Zeichenstil hat. Deswegen ist es schwierig, die eine ultimative Empfehlung rauszuhauen. Der erste erfolgreiche Manga-Klassiker in Deutschland war damals „Akira“. Der Titel ebnete den Weg für viele weitere Werke aus Japan, denn er sprach optisch und inhaltlich sowohl Manga- als auch Comicleserinnen und -leser an. Auch der Handlungsverlauf ist durch den einfach strukturierten Bildaufbau sehr gut verständlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Titel auch heute noch ein gutes Einsteigerwerk ist. Wem das Sci-Fi-Genre nicht so gefällt, kann mit Titeln wie „Death Note“, „Naruto“, oder „Blade of the Immortal“ wahrscheinlich besser einsteigen.

7. Glauben Sie, dass der Comic aktuell die Aufmerksamkeit hat, die er verdient?
Comics sowie Mangas haben bei Weitem noch nicht die Aufmerksamkeit in Deutschland, die sie verdienen, aber wir sind auf einem guten Weg dahin. Natürlich dauert es bestimmt noch einige Jahre, bis der Comic/Manga auch in der Mitte der Gesellschaft ankommt und seinen Platz als fester kultureller Bestandteil findet. Wenn Comics/Mangas in allen Bibliotheken, als Schullektüre, in Museen oder in den öffentlichen Medien Einzug halten, wird das Potenzial erst richtig ausgeschöpft. In Japan, Frankreich und zum Teil in Italien bekommt der Comic/Manga zum Beispiel schon die verdiente Aufmerksamkeit und das Medium kann all die positiven Eigenschaften vollends entfalten.

Eine Seite aus „Jovantore“.
Eine Seite aus „Jovantore“.

© Egmont Manga

8. Welche zeitgenössischen Comiczeichner/ innen verdienten mehr Aufmerksamkeit, als sie sie im Moment haben?
Der Künstler, der mir hierzu einfällt, ist zwar nicht unbekannt, verdient aber alle Aufmerksamkeit, die es gibt. Die Rede ist von Kim Jung Gi, einem Illustrator und Comiczeichner aus Südkorea. Er kann so gut wie alles frei aus dem Kopf zeichnen, ohne Hilfe einer Vorskizze ... das ist wirklich Kunst auf allerhöchstem Niveau. Seine faszinierende Art zu zeichnen ist das Ergebnis jahrelanger Übung und hat unzählige Künstlerinnen und Künstler inspiriert und motiviert. Traurigerweise ist Kim Jung Gi Ende 2022 verstorben und ich werde ihn als großartigen Künstler für immer in Erinnerung behalten.

9. Wenn Sie einen hoch dotierten Preis für das Comic-Lebenswerk zu vergeben hätten, wer würde ihn bekommen?
Und wieder muss ich jemanden nennen, der als Mangaka-Legende leider 2021 von uns gegangen ist: Kentaro Miura, der Zeichner von „Berserk“. Über eine Zeitspanne von 30 Jahren arbeitete er an dem epischen Dark Fantasy Manga. Die Auszeichnung „Lebenswerk“ trifft hier also wortwörtlich zu. „Berserk“ ist damals sowie heute ein Meisterwerk visueller Erzählkunst, mit einer einzigartigen düsteren Geschichte, die einen auf eine unvergleichbare emotionale Reise mitnimmt. Ich könnte noch viele Zeilen voll Lob an diese Manga-Reihe schreiben, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Deshalb empfehle ich einfach nur: lest „Berserk“!

10. Wie würden Sie einem Blinden beschreiben, was das Besondere an Ihren Comics ist?
Das Besondere an „Jovantore“ ist vor allem der detailreiche und düstere Zeichenstil. Die aufwendig gezeichneten Bilder sollen die dargestellte Welt glaubhaft und echt wirken lassen. Eine weitere Besonderheit ist die Art der Schattierung. Im Gegensatz zu japanischen Mangas, die mit Rasterfolien schattiert sind, ist „Jovantore“ nur mit handgezogenen Linien schraffiert. Und weil keiner dieser Striche mit einem Lineal gezogen wurde, bekommt der Manga eine unvergleichliche Art der Lebendigkeit. 

Eine weitere Seite aus „Jovantore“.
Eine weitere Seite aus „Jovantore“.

© Egmont Manga

11. Woran arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade Fragebogen ausfüllen?
Zu dem Projekt, an dem ich aktuell arbeite, kann ich leider noch nicht viel verraten. Allerdings kann ich versichern, dass es mindestens so ambitioniert ist wie mein Debütwerk und ich stets versuche, mich in allen künstlerischen Disziplinen immer weiter zu verbessern. Ich hoffe, bis zur nächsten offiziellen Ankündigung dauert es nicht mehr allzu lang.

12. Wieso würden Sie einem jungen Menschen raten, Comic-Autor/in zu werden – und wieso würden Sie ihm oder ihr davon abraten?
Als Comic-Autor/in oder Mangaka hat man die beste Möglichkeit, eine Geschichte/Welt zu erschaffen, die zu 100 Prozent der Vision der Künstlerin oder des Künstlers entspricht. Es braucht nur eine einzige Person, um so ein Traumprojekt wahr werden zu lassen, vorausgesetzt, man hat die nötige Disziplin, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Für mich ist es die Definition von „Glücklichsein“ und „Sinn des Lebens“, wenn man sich selbst durch sein Herzensprojekt ausdrücken und verwirklichen kann. Ich würde allerdings abraten, Comics zu machen, wenn oben gennannte Voraussetzungen nicht gegeben sind oder man in erster Linie berühmt und reich werden will, denn das wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht passieren.

13. Wie fühlt es sich für Sie an, Ihre Zeichnungen als gedruckte Bücher in der Hand zu halten?
Da ich selbst schon Papa geworden bin, erlaube ich mir jetzt diesen Vergleich, denn es fühlte sich ähnlich schön an, sein „Baby“ zum ersten Mal in Händen zu halten. Es sind Gefühle der Zufriedenheit, des Stolzes und der Erleichterung, nachdem man jahrelang auf diesen einen Moment hingearbeitet hat.

14. Welche Noten hatten Sie im Kunstunterricht?
In den Schulfächern „Visuelles Gestalten“ und „Kunstgeschichte“ haben sich meine Noten meist auf einer 2 eingependelt. Da ich im gleichen Atemzug auch oft gefragt werde, „Auf welche Schule muss ich gehen, um auch so zeichnen zu können?“, will ich direkt noch anmerken, dass mir der Schulunterricht auch nur das grobe Basiswissen über das Zeichnen beigebracht hat. Im Verhältnis zu dem, was ich mir selbst in meiner Freizeit an zeichnerischem Können angeeignet habe, ist die Schulzeit fast irrelevant. Ich will meine Zeit an der Kunstschule zwar nicht missen, aber sie ist bei Weitem nicht so wichtig, wie man vielleicht immer denkt.

15. Was können Sie überhaupt nicht zeichnen?
Das, was ich nicht zeichnen kann, ist gleichzeitig auch das, was ich nicht zeichnen will/muss. Unter diese Kategorie fallen bei mir zum Beispiel süße Tiere, Karikaturen oder abstrakte Kunst. Für diese Bereiche gibt es zum Glück genug andere Künstlerinnen und Künstler, die diese Themen perfekt beherrschen.

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