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Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis

© AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Konservativer Premier: Mitsotakis will Ehe für alle in Griechenland

Ausgerechnet der konservative Regierungschef setzt sich dafür ein, dass auch in seinem Land queere Ehen möglich werden - wohl aus Überzeugung, aber auch aus Kalkül: Mitsotakis erfindet sich gerade als Mann der Mitte neu.

Von Liana Spyropoulou

Früher einmal ging es um die Wirtschaft, die Migration oder die Spannungen mit der benachbarten Türkei, wenn Herausforderungen in Griechenlands Gesellschaft und Politik Unruhe auslösten.

Aktuell schafft das, von der Hauptstadt Athen, bis in die kleinsten Dörfer auf Kreta, ein Thema, das in den meisten europäischen Ländern als praktisch ausdiskutiert gilt: Griechenlands Regierung will auch Ehen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen möglich machen. Das wühlt die gesamte politische Szene der konservativen griechischen Gesellschaft auf, von links bis rechts.

Homosexualität immer noch heikles Thema in Griechenland

Die Ankündigung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat heftige Reaktionen seitens der Kirche, rechtsextremer Parteien und sogar zahlreicher Mitglieder der Regierungspartei Nea Dimokratia ausgelöst. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht stellte Mitsotakis klar, dass der Gesetzentwurf der Regierung, der die gleichgeschlechtliche Ehe befürwortet, homosexuellen Paaren volle Elternrechte einräumen wird. Leihmutterschaft allerdings wird nicht zugelassen.

An der Gleichstellung der Ehe ist nichts radikal anderes als das, was in anderen europäischen Ländern gilt.

sagte Kyriakos Mitsotakis, der griechische Premierminister in seinem ersten Interview des Jahres mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ERT.

Sechs Monate ist es her seit dem deutlichen Wahlsieg, der Mitsotakis eine zweite Amtszeit brachte. Er hatte versprochen, das Land zu reformieren. Der Wirbel um die Ehe für alle und Mitsotakis’ Engagement macht deutlich, wie heikel das Thema Homosexuellenrechte in Griechenland immer noch ist.

Im kompliziert konservativen Griechenland musste die Griechische Psychiatrische Vereinigung öffentlich die Behauptung zurückweisen, Homosexualität sei eine psychische Störung. Sie sei auch „keine Geisteskrankheit“, hieß es ausdrücklich in ihrer Erklärung.

„Ich und all diejenigen, die an diese Gesetzgebung glauben, müssen unsere Parlamentarier und anschließend diejenigen überzeugen, die noch immer eine ablehnende Haltung einnehmen“, sagte der griechische Premierminister in seinem ersten Interview des Jahres mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ERT.

„Was wir gesetzlich regeln werden, ist die Gleichstellung in der Ehe, d.h. die Beseitigung jeglicher Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Das ist nichts radikal anderes als das, was in anderen europäischen Ländern gilt.“

Gegenwind kommt von der Kirche

Die mächtige griechische Kirche ist sich jedoch einig, dass man die Pläne der Regierung „entschieden ablehnt“.

Mitsotakis sieht eine Chance in der Mitte und versucht, sein Mitte-Image zu stärken.

Petros Ioannides, Politikwissenschaftler und Direktor der Firma „About People“. 

„Die Initiatoren des Gesetzentwurfs und diejenigen, die ihm zustimmen, fördern die Abschaffung von Vaterschaft und Mutterschaft und ihre Umwandlung in eine neutrale Elternschaft, das Verschwinden der Geschlechterrollen innerhalb der Familie und die Vorrangstellung der sexuellen Entscheidungen homosexueller Erwachsener vor den Interessen künftiger Kinder“, hieß es in einer Pressemitteilung des Führungsgremiums, der Heiligen Synode.

Ankündigung der Ehe für Alle als Strategie oder wahrer Fortschritt?

Was hat Premier Mitsotakis fünf Monate vor den Europawahlen veranlasst, soviel Fortschritt zu wagen? „Es ist nicht zu bestreiten, dass derlei Veränderungen im Land von der linken Mitte eingeleitet wurden. Gegenwärtig scheint Mitsotakis sich angesichts der Schwierigkeiten der oppositionellen Parteien Syriza und Pasok, ihr Wählerpotenzial zu mobilisieren, auf die Mitte zuzubewegen“, sagt Petros Ioannides, Politikwissenschaftler und Direktor der Firma „About People“.

„Er sieht eine Chance in der Mitte und versucht, sein Mitte-Image zu stärken, da er weiß, dass die Wahlen überwiegend dort stattfinden. Außerdem hat sein jüngstes Interview im staatlichen Fernsehen den Anschein erweckt, dass er das Gesetzesvorhaben wirklich unterstützt“.

Es braucht viele Kilometer, um an diesen Punkt zu gelangen.

Gregory Vallianatos, Aktivist und Vorsitzender des Zentrums für liberale Studien „KEFiM“.

Für Gregory Vallianatos, Aktivist und Vorsitzender des Zentrums für liberale Studien „KEFiM“, ist dieses Gesetz eine Frage der Demokratie. „Ich weiß, wie viele Kilometer es braucht, um an diesen Punkt zu gelangen. Der Fortschritt, den der Premierminister gemacht hat, ist immens“.

Über die griechische Gesellschaft sagt Vallianatos: „Sie ist nicht nur konservativ, sie ist heuchlerisch. Die Menschen tun privat alles, was sie öffentlich für verboten erklären, und halten sich dabei für ethisch. Dieser Gesetzesentwurf wird unsere Gesellschaft erheblich verändern, weil fortschrittliche Stimmen stärker werden dürften und damit die Grundlage für weitere Veränderungen..“

Kyriakos Mitsotakis setzt darauf, mindestens 120 konservative Stimmen von den 158 Abgeordneten seiner Partei zu erhalten, wenn der Gesetzentwurf Mitte Februar dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Derzeit haben 94 Abgeordnete der Nea Dimokratia ihre Absicht bekundet, dafür zu stimmen, während 33 noch unentschlossen sind.

Es wird erwartet, dass die Oppositionsparteien der Mitte und der linken Mitte den Gesetzentwurf unterstützen werden, während die Rechtsextremen ihn entschieden ablehnen. Damit der Entwurf Gesetz werden kann, braucht er übrigens nicht die absolute Mehrheit von 151 Stimmen, sondern lediglich die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten.

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