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Kyriakos Mitsotakis (l.), Premierminister von Griechenland, und Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, während ihres Treffens auf dem Nato-Gipfel.

© dpa/Dimtiris Papamitsos/Bearbeitung Tagesspiegel

Erdogan trifft Mitsotakis: Schaffen die Türkei und Griechenland die Aussöhnung?

Um das Verhältnis zwischen Ankara und Athen ist es nicht zum Besten bestellt. Das will der türkische Präsident mit einem Besuch in Griechenland nun offenbar ändern.

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Seit Jahren sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland angespannt. Die beiden Staaten streiten unter anderem über Hoheitsrechte in der Ägäis und die Ausbeutung von Rohstoffen wie Erdgas im östlichen Mittelmeer. Nun will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit einem Besuch in Griechenland eine „neue Ära“ im bilateralen Verhältnis anstoßen. Kann das Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis wirklich eine Veränderung bewirken?

In unserer Serie „3 auf 1“ schätzen drei Experten ein, ob die Aussöhnung zwischen beiden Ländern gelingen kann. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Beide wollen den Nationalismus befeuern

Seit Jahren setzen Erdogan wie Mitsotakis immer wieder den griechisch-türkischen Konflikt ein, um den hauseigenen Nationalismus zu befeuern. Das kommt ihren innenpolitischen und regionalen Machtansprüchen zugute. Daher bezweifle ich, dass das Treffen in Athen zu einer grundlegenden Aussöhnung führen wird.

Vielmehr geht es um Deeskalation und die Auslotung von Kooperationsmöglichkeiten bei gemeinsamen Interessen, wie zum Beispiel in der Grenzsicherung. Beide Länder erhalten viel EU-Geld, um Grenzübertritte von Geflüchteten nach Griechenland einzudämmen. 

Wird es zu einer Verlängerung des EU-Flüchtlingsdeals mit der Türkei von 2016 kommen oder vielleicht sogar zu einem neuen Abkommen zwischen der Türkei und Griechenland? Athen hat Interesse an einer Verlängerung geäußert, für Ankara geht es stets um die Höhe der Gegenleistungen.

Dass der Flüchtlingsdeal und seine Umsetzung höchst problematisch sind und zu Rechtsverstößen und gravierenden Missständen auf den griechischen Inseln führten, wird jetzt vermutlich kein Gesprächsthema sein.


Eine rhetorische Deeskalation ist bereits ein Fortschritt

Angesichts der Erfahrungen und Ereignisse im bilateralen Verhältnis beider Länder in den vergangenen fünf Jahren ist es bereits ein Fortschritt, wenn von einer rhetorischen Deeskalation und ersten substanziellen Entspannungssignalen zwischen der Türkei und Griechenland gesprochen werden kann.

Das Wort „Aussöhnung“ ist allerdings verfrüht. Präsident Recep Tayyip Erdogan und Premierminister Kyriakos Mitsotakis haben eine politische Agenda und einen mehrstufigen Fahrplan für bilaterale Konsultationen vereinbart. Die neuen Dialogformate sollen Verfahren für Kompromisse bei Streitthemen im östlichen Mittelmeer ausloten. Das ist keineswegs selbstverständlich in den jüngsten Beziehungen zwischen Ankara und Athen.

Die Erfolgsaussichten für substanzielle Fortschritte im bilateralen Verhältnis werden auch davon abhängen, wie sich die Europäische Kommission, die US-Regierung und wichtige Wirtschaftspartner beider Länder in diesem Prozess verhalten – und nicht zuletzt vom Wirken der Bundesregierung im Hintergrund.


Griechenland ist zu Kompromissen bereit

Griechenland und die Türkei haben einen komplizierten Streit zu bewältigen, aber keinen großen. Festlandsockel und Meereszonen sind schwierige technische Fragen des internationalen Seerechts, aber keine unerträglichen Probleme für die Menschen. Der schwierige Teil ist die Art und Weise, wie die öffentliche Meinung in beiden Ländern – und insbesondere in Griechenland – diesen Streit auffasst.

Anders als die Türkei im Osten hat Griechenland nur ein einziges großes Problem, das als Bedrohung empfunden wird, da die Türkei die Ausdehnung der griechischen Hoheitsgewässer auf zwölf Seemeilen zum „casus belli“ (Kriegsgrund) erklärt hat. Griechenland ist bereit, sich auf schwierige Kompromisse einzulassen, doch der derzeitige türkische Präsident pflegte vor den Erdbeben in der Türkei eine sehr starke antigriechische Rhetorik.

Danach entspannte sich die Lage deutlich, sodass beide zumindest zum ersten Mal seit Jahren wieder auf höchster Ebene kommunizieren. Wenn dies auch nicht ausreicht, um eine Einigung herbeizuführen, so ist es doch zumindest notwendig, das schlimmste Szenario zu vermeiden.

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