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Novak Djokovic könnte dieses Jahr zum fünften Mal in Folge Wimbledon gewinnen.

© IMAGO/Paul Zimmer

Novak Djokovic in Wimbledon: Neid und Missgunst sind seine ständigen Begleiter

Novak Djokovic steht vor seinem nächsten Wimbledon-Triumph. Viele missgönnen dem Serben dies – und setzen deshalb auf zwei junge Hoffnungsträger.

Novak Djokovic wollte nicht arrogant rüberkommen, als er jüngst zu seinen Chancen im Halbfinale gegen den Südtiroler Jannik Sinner befragt wurde. Aber was sollte er auch anderes sagen, als dass er denke, dass er der Favorit sei. In Wahrheit ist er sogar der turmhohe Favorit. Wer bei den gängigen Wettanbietern bei dem Match einen Euro auf Djokovic setzt, gewänne beim Sieg des Serben knapp 20 Cent, also fast nichts. Wer auf Sinner setzt, bekäme bei dessen Sieg circa fünf Euro zurück.

Djokovic ist also laut der ausgefeilten Analysen der Wettanbieter ungefähr fünf Mal so gut wie sein Gegner im Halbfinale des wohl bedeutenden Tennisturniers auf der Welt. Das sind die Dimensionen, in denen er inzwischen angekommen ist. Und das mit 36 Jahren. Aber was bedeutet das schon? Für Djokovic ist jeder neue Tag damit verbunden, noch besser zu werden. Dabei ist er schon nah dran an der Perfektion.

Er ist mit Andre Agassi der beste Returnspieler, den es bislang in dieser Sportart gegeben hat. Sein Defensivspiel, basierend auf seiner phänomenalen Athletik, ist unerreicht. Genauso wie sein taktisches Verständnis sowie seine Nervenstärke bei den Big Points. Selbst sein Aufschlag ist eine Wucht. Sein ewiger Widersacher Rafael Nadal sagte schon vor Jahren: „Er macht alles perfekt. Seit ich mich mit Tennis beschäftige, habe ich keinen Profi gesehen, der auf diesem Level gespielt hat.“

Djokovic hat in den vergangenen Jahren das Level nicht nur gehalten, sondern noch ein anderes erreicht. Gewinnt er Wimbledon, zieht er mit acht Titeln mit Roger Federer gleich. Es wäre sein fünfter Erfolg in Folge in London. Schon jetzt ist Djokovic mit 23 Titeln der alleinige Rekordhalter bei Grand-Slam-Turniere. Novak, der Unantastbare.

Doch wie das so ist im Sport und auch sonst im Leben: Wo wahnsinnig viel Erfolg ist, schauen auch immer Neid und Missgunst vorbei. Im Falle von Novak Djokovic ist das mehr der Fall als bei anderen. Fast seit er auf der Tour reüssiert, wird man das Gefühl nicht los, dass ihm die vielen Siege und Titel nicht vergönnt werden. Dies ist keine steile These, es ist die Resonanz, die er über all die Jahre von den Tribünen bekommen hat. Djokovic wird respektiert ob seiner Leistungen, richtig gemocht wurde er aber nur von seinen Landsleuten. Es gibt sogar Tennis-Fans, die ihn geradezu hassen. Es nicht sehen können, wenn er Titel um Titel einfährt.

Ein bisschen hat sich das Djokovic selbst zuzuschreiben. Seinen Nationalstolz kehrte er mehrmals ostentativ nach außen. Erst jüngst bei den French Open schrieb er auf die Linse einer TV-Kamera, dass der Kosovo das Herz Serbiens sei. Auch ließ er sich in der Vergangenheit schon mal mit Milan Jolovic ablichten, einem früheren Kommandanten der Drina-Wölfe, einer paramilitärischen Einheit, die am Völkermord an Bosniern in Srebrenica beteiligt war. Zudem ist Djokovic bis heute ein strammer Impfgegner. In der Corona-Hochphase veranstaltete er ein Turnier mit Fans. Das alles schadete seinem Ruf.

Nur nicht in Serbien, dort ist er ein geliebter Volksheld, wird stilisiert als einsamer Kämpfer, der sich gegen die ganze Welt behauptet. Tatsächlich gibt es keinen Tennisspieler mit solch einer Widerstandskraft. Der unermüdliche Kämpfer Rafael Nadal ist körperlich ausgelaugt, macht noch eine Ehrenrunde und hört nächstes Jahr auf. Der Russe Daniil Medwedew ist taktisch klug und kann rennen und kämpfen.

Am wahrscheinlichsten aber ist, dass in nächster Zeit der 20 Jahre alte Spanier Carlos Alcaraz (spielt im Halbfinale gegen Medwedew) und der ein Jahr ältere Jannik Sinner die höchsten Hürden für Djokovic werden. Beide haben in ihren Grundschlägen noch mehr Power als Djokovic, und beide sind mutig und spielen mit Risiko. Zu Djokovic fehlt ihnen aber etwas, was man schwer lernen kann: die jahrzehntelange Erfahrung, ein Champion zu sein.

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