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Andreas Wolff hielt gegen die Schweiz 61 Prozent aller Würfe auf sein Tor.

© AFP/Odd Andersen

Deutscher Handball-Torwart im EM-Eröffnungsspiel: Andreas Wolff spielt „wie von einem anderen Stern“

Nur 14 Gegentore kassieren die Deutschen gegen die Schweiz. Was vor allem an Andreas Wolff liegt. Doch der Torwart wiegelt ab und blickt lieber nach vorn.

Andreas Wolff war die Ruhe selbst. Der ganze Trubel um den Zuschauer-Weltrekord im Handball mit letztlich 53.586 Fans in der Arena in Düsseldorf, der fulminante 27:14-Auftaktsieg der deutschen Handballer gegen die Schweiz – all das schüttelte der Torhüter im Anschluss mit einer gewissen Gelassenheit ab. Zumindest äußerlich. „Da ist jetzt schon eine Last abgefallen“, gab der 32-Jährige dann aber doch nach dem offiziellen Eröffnungsspiel der Europameisterschaft am Mittwochabend zu. „Bei der ganzen Aufmerksamkeit tut der Sieg sehr gut.“

Es war eine Partie, wie sie besser kaum hätte laufen können. Bereits nach wenigen Minuten hatte sich die DHB-Auswahl einen Vorteil erspielt, bereits nach wenigen Minuten war es vornehmlich ein Name, der in der Arena wieder und wieder lautstark gefeiert wurde: Andreas Wolff. 14 Paraden steuerte der Schlussmann der offiziellen Statistik zufolge bei, wehrte damit 61 Prozent der auf sein Tor abgefeuerten Bälle ab.

Sein erst kürzlich überwundener Bandscheibenvorfall war kein Thema mehr – und das, obwohl ihm einige Ärzte bereits das Karriereende prophezeit hatten. Wolff hatte andere Pläne, kämpfte sich auf das Feld zurück und zeigte nun, dass er selbst angeschlagen zur absoluten Weltklasse auf seiner Position gehört.

„Den im Verein dauerhaft hinter sich zu haben, muss geil sein. Das war unglaublich. Das hat uns anfangs erlaubt, auch einmal einen Fehler zu machen“, sagte Justus Fischer, der ebenso wie seine Mannschaftskollegen voll des Lobes für Wolff war. „Phänomen“, „von einem anderen Stern“, „Mentalitätsmonster“ – die Beschreibungen hätten vollmundiger kaum sein können.

Und zwar nicht, weil Wolff seine Mitspieler nach vorne brüllte, so wie er es in den vergangenen Jahren vielleicht noch gemacht hätte, sondern weil er Sicherheit ausstrahlte. Weil er die Bälle hielt, die es zu halten galt, und zudem jene, die darüber hinaus gingen. Weil er seine effektiven Vorderleute lobte. Weil er als Teamspieler agierte. „Ich bin jetzt lange genug dabei und muss in so einem Spiel auch ein Stück weit der Rolle des erfahrenen Spielers gerecht werden“, erklärte der 143-fache Nationalspieler seine neu gefundene Besonnenheit.

Der klare Sieg gegen die Schweiz war nicht erwartet worden

Dass die Schweiz derart dominiert werden konnte, überraschte derweil selbst den Routinier. Schließlich sind die Eidgenossen kein handballerisches Fallobst. Acht Akteure aus dem Kader sind in der Bundesliga aktiv, darunter mit Manuel Zehnder der aktuell beste Schütze und mit Nikola Portner einer der besten Torhüter. Einmal ganz abgesehen von Spielmacher-Legende Andy Schmid, der mittlerweile seine Karriere in der Heimat fortsetzt, zuvor aber fünfmal zum wertvollsten Spieler der HBL gewählt wurde.

Gegen so ein Team nur 14 Gegentore zu kassieren und sich derart souverän zu verkaufen, ist aller Ehren wert. „Perfekt würde ich es aber nicht nennen. Dann hätte ich jeden Ball gehalten“, sagte Wolff unterdessen wieder gewohnt keck. Er war es ja, der als einziger aus dem DHB-Kader vor dem Turnier das Ziel des Europameisterschaftstitels ausgegeben hatte. Dass es bis dahin ein weiter Weg ist, weiß der in Euskirchen geborene Torhüter. Genauso, dass die Mannschaft in Sachen Überzahlspiel und Chancenverwertung noch Luft nach oben hat.

Doch das alles trat bei all der Euphorie in Düsseldorf in den Hintergrund. Wichtiger war, dass alle der Spieler, die an diesem Abend im Aufgebot standen, Spielzeit erhalten und ins Turnier gefunden hatten. Dass die ersten Punkte gesammelt und die Anfangsnervosität abgelegt werden konnten. Dass die Schwächephase, wie sie bei den jüngsten Testspielen noch zu beobachten war, ausblieb. Dass die Mannschaft geschlossen einen Schritt nach vorne gemacht hat – angeführt von einem Andreas Wolff, dessen neue Ruhe durchaus ein Schlüssel für den Erfolg sein kann.

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