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Abgeordnete der AfD und der CDU stimmen über die Senkung der Grunderwerbsteuer ab.

© dpa/Martin Schutt

Update

„Pakt mit dem Teufel“: AfD stimmt mit CDU und FDP für Steuersenkung in Thüringen

Die oppositionelle CDU hat in Thüringen eine Grunderwerbssteuersenkung durchgesetzt. Neben der FDP hat auch die AfD dafür gestimmt. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition ist entsetzt.

Von Simone Rothe, dpa

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Die Opposition hat in Thüringen erstmals gegen den Willen der rot-rot-grünen Regierung eine Steuersenkung durchgesetzt. Ein Gesetzentwurf der CDU für eine niedrigere Grunderwerbsteuer bekam am Donnerstag im Landtag in Erfurt eine Mehrheit, weil neben der FDP die AfD die entscheidenden Stimmen beisteuerte.

Die CDU-Initiative sorgte für Wirbel und für Fragen bei der politischen Konkurrenz, wie es die größte Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag mit der Brandmauer zur AfD hält, die in Thüringen als erwiesen rechtsextrem vom Verfassungsschutz eingestuft ist.

Beschlossen wurde mit 46 zu 42 Stimmen eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Häuslebauer und Immobilienkäufer müssen danach nur 5,0 statt 6,5 Prozent Steuer zahlen. Der Einnahmeverlust liegt nach Prognosen bei 48 Millionen Euro jährlich.

Die Opposition stimmte gegen die Rücküberweisung des Gesetzes in den Haushaltsausschuss. Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagte, die Regierung behalte sich eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor.

Die CDU gebe der AfD einen Gestaltungsspielraum und Einfluss auf den Landeshaushalt, sagte Linke-Fraktionschef Steffen Dittes. Die CDU fange an, „eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen“.

Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte bereits im Vorfeld von einem „einzigartigen Vorgang“ und einem „Pakt mit dem Teufel“ gesprochen. Ramelow hatte CDU-Fraktionschef Mario Voigt kurz vor der Abstimmung eingeladen, über Alternativen zur Familienförderung zu reden. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken zu Passagen des CDU-Gesetzes wurde die Landtagssitzung zeitweise unterbrochen.

Die Regierung habe seit März Zeit für Vorschläge gehabt, hatte Voigt erwidert. Es gehe ihm um die Entlastung vor allem von Familien beim Erwerb des eigenen Heims, um Impulse für die angeschlagene Bauwirtschaft, hatte Voigt die CDU-Initiative begründet und auf Unterstützung der Industrie- und Handelskammern verwiesen.

„Wir können doch die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht. Die Leute draußen erwarten, dass man sich um deren Themen kümmert. Unser Vorschlag liegt seit zwei Jahren auf dem Tisch, jetzt wird abgestimmt“, hatte Voigt vor der Abstimmung der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt gesagt.

Die CDU und die Brandmauer zur AfD

Voigt hält es für offenkundig, dass die rot-rot-grüne Koalition von Ramelow, die seit Amtsantritt 2020 keine Mehrheit im Landtag hat, den Vorschlag deshalb ablehne, um der CDU eine Falle zu stellen. „Es geht darum, die CDU in eine Ecke zu drängen und die Abstimmung zu skandalisieren.“ Es habe keine Gespräche mit der AfD gegeben, es bestehe keine Zusammenarbeit, die Brandmauer stehe.

Wir haben eine sehr klare Haltung zu Herrn Höcke und der AfD.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt

Wir haben eine sehr klare Haltung zu Herrn Höcke und der AfD. Wir werben für unsere Positionen und stimmen keinem Antrag der AfD zu“, sagte Voigt. Zudem habe auch Rot-Rot-Grün bereits mit der AfD gestimmt: bei einer Änderung der Kommunalordnung und der Änderung eines Untersuchungsausschuss-Auftrags zur Personalpolitik der Regierung.

Warnungen von der Regierungskoalition

Die Fraktionsspitzen von Linke, SPD und Grünen hatten in den vergangenen Tagen immer wieder davor gewarnt, der AfD Gestaltungsspielraum bei einer Steuersenkung und damit beim Landeshaushalt zu geben. Die CDU nehme wissentlich und willentlich in Kauf, dass die Senkung der Grunderwerbsteuer nur möglich sei, wenn die AfD zustimme, sagte SPD-Chef und Innenminister Georg Maier.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von keiner neuen Entwicklung, dass die CDU in Thüringen teils aus Angst, teils aus Überzeugung an Distanz zur AfD verliere. Die Bundes-CDU verfüge über keinerlei Autorität, den von Friedrich Merz ausgerufenen Kurs der AfD-Abgrenzung bei den Parteifreunden in Erfurt durchzusetzen.

Unterstützung aus der CDU-Spitze

Der CDU-Bundesvorsitzende hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion vor der Abstimmung verteidigt. „Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig“, sagte Merz am Donnerstag im „Frühstart“ von RTL/ntv. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. „Dabei bleibt es auch.“ 

Die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien vom eher liberalen Flügel sprang ihren Thüringer Parteikollegen zur Seite: „Den wichtigen Kampf gegen Rechtsextremismus für parteipolitische Scharmützel innerhalb der demokratischen Mitte zu missbrauchen, schadet unserem Land und nützt der AfD“, erklärte die Schleswig-Holsteinerin in der „Bild“-Zeitung.

Die Grunderwerbssteuer zu senken, sei ein vernünftiges politisches Ziel, um Entlastung für Familien zu schaffen. „Es muss der CDU möglich sein, ohne die ständige Unterstellung von Nähe zur AfD konstruktive Oppositionsarbeit zu machen.“

Die Thüringer Verhältnisse

Thüringen ist ein politischer Sonderfall: Der rot-rot-grünen Koalition fehlen seit ihrem Amtsantritt 2020 vier Stimmen für eine eigene Mehrheit. Es gibt weder eine Duldung noch eine Tolerierung – Ramelows Regierung ist bei allen Entscheidungen auf Kompromisse mit der Opposition angewiesen. Beim Haushalt war das bisher die CDU, die die größte Oppositionsfraktion stellt, nachdem die Fraktion von Björn Höcke einige Abgeordnete verlassen haben.

Landtagspräsidentin für Vertagen

Thüringens Landtagspräsidentin Birgit Pommer hatte in einem Brief an alle sechs Fraktionen für ein Vertagen der Steuerentscheidung geworben. Sie führte verfassungsrechtliche Bedenken zu einzelnen Passagen an, die vom wissenschaftlichen Dienst des Landtags geprüft werden sollten.

„Diesen Vorschlag bitte ich als Versuch zu verstehen, die weitere innerparlamentarische Debatte zu versachlichen und der Bindung auch des Landtags an Recht und Gesetz bestmöglich Rechnung zu tragen“, heißt es in dem Brief, der der dpa vorliegt. Kritische Bemerkungen zu Steuersenkungen kamen vom Landesrechnungshof.

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