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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lässt Möglichkeiten für Asylverfahren außerhalb der EU prüfen.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

„Migrationsabkommen mit Drittstaaten“: Bundesregierung prüft Asylverfahren außerhalb der EU

Die Ampel-Regierung sucht neue Wege für Asylverfahren. Und in die Debatte um die Liste sicherer Herkunftsstaaten kommt vor dem Migrationsgipfel offenbar Bewegung.

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Die Bundesregierung prüft einem Zeitungsbericht zufolge, ob Asylverfahren auch in Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) erfolgen können. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) berichtet unter Berufung auf Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), es seien „rechtsstaatliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten“ geplant.

Das Blatt zitiert die Ministerin mit den Worten: „Ob im Rahmen dessen auch die Feststellung eines Schutzstatus in Drittstaaten möglich ist, das prüfen wir.“

In dem Bericht wird auf die Verabschiedung eines Gesetzes im britischen Unterhaus am Mittwoch verwiesen, mit dem Asylanträge in Ruanda abgearbeitet werden könnten. Auch die dänische Regierung habe mit dem afrikanischen Land verhandelt, werbe aber jetzt für ein gemeinsames europäisches Aufnahmezentrum jenseits der Grenzen. In der CDU gibt es der FAS zufolge erste Stimmen, die „die Grundidee für nicht verkehrt“ hielten.

Viele Kommunen sind bei Unterbringung, Integration, Schaffung von Kita und Schulplätzen längst an ihren Kapazitätsgrenzen.

 Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte im vergangenen Jahr den ersten Flug mit Asylbewerbern von Großbritannien nach Ruanda gestoppt. Das kritisierte die britische Regierung. Der Konstanzer Migrationsforscher Kay Hailbronner bezeichnete die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegenüber der FAS „Kern des ungelösten Asylproblems“.

Ohne einen neuen Rechtsrahmen durch „gemeinsame Absprachen und Vereinbarungen der europäischen Aufnahmestaaten über eine restriktivere Auslegung des Flüchtlingsrechts bleiben alle derzeit diskutierten Begrenzungsmaßnahmen politische Kosmetik“, sagte der Leiter Forschungszentrums für internationales und europäisches Ausländer- und Asylrecht.

Die Verfahrensregeln und die hohen Standards müssten „deutlich reduziert“ werden. Das geltende Asylrecht brachte Hailbronner auf die Formel: „Wer kommt, bleibt.“

Die Linksfraktion und Pro Asyl hatten der Bundesregierung jüngst vorgeworfen, sie wolle den Flüchtlingsschutz mit Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen aushebeln.

Die Union forderte dagegen in einem Antrag, der am Freitag im Bundestag abgelehnt wurde: „Die irreguläre Migration nach Deutschland muss spürbar reduziert werden, um die Kommunen zu entlasten und die Akzeptanz für die humanitäre Verantwortung Deutschlands für tatsächlich Schutzbedürftige zu erhalten.“ Gleichzeitig müssten die Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern stärker vom Bund unterstützt werden.

Vor dem für den 10. Mai anberaumten Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt kommt nun offenbar Bewegung in die Diskussion um die Liste sicherer Herkunftsstaaten. So hält der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher (SPD), „eine Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer für sinnvoll, weil dies die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie bei den Verwaltungsgerichten beschleunigt und die zur Aufnahme verpflichteten Länder und Kommunen entlastet“. Dies sagte ein Senatssprecher der „Welt“.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hält eine Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer für sinnvoll.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hält eine Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer für sinnvoll.

© dpa/Carmen Jaspersen

Infrage kämen dafür „insbesondere Länder wie Georgien, Marokko, Algerien, Tunesien und Indien, die eine Vielzahl von Asylverfahren mit einer äußerst niedrigen Schutzquote aufweisen“, so der Sprecher weiter. Davon unberührt würde der individuelle Anspruch auf Einzelfallprüfung im Asylverfahren bestehen bleiben.

Zwar hatte der Bundestag im Januar 2019 eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien beschlossen. Im Bundesrat wurde darüber aber bisher nicht abgestimmt, weil keine Mehrheit in Aussicht steht. Die Grünen lehnen eine Ausweitung des Status auf die Maghreb-Staaten bisher ab. „Ich würde es begrüßen, wenn diese Entschließung im Bundesrat endlich auf die Tagesordnung gesetzt würde“, sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), dem Blatt.

Sind Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien sichere Herkunftsstaaten?

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält „eine Einstufung von Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten für dringend geboten“, wie er erklärte. Asylverfahren und Rückführungen würden dann schneller funktionieren. „Bei diesen vier Ländern gibt es nur eine minimale Anerkennungsquote“, argumentiert der Christdemokrat. Scharf kritisierte Kretschmer in diesem Zusammenhang an den Grünen.

„Die Grünen leisten keinen einzigen Beitrag dazu, die illegale Migration nach Deutschland in den Griff zu bekommen. Sie stellen Ideologie über die Interessen des Landes“, sagte Kretschmer. „Wir haben ein akutes Problem. Das bestätigen alle Bürgermeister und alle Landräte in Deutschland – über Parteigrenzen hinweg.“

Zwei Flüchtlingsgipfel habe man erlebt, „ohne Ergebnis. So kann das nicht weitergehen. Um auch im Bundesrat weiterzukommen, braucht es den Druck aus Berlin“, fordert Kretschmer.

Der Städte- und Gemeindebund forderte für den Migrationsgipfel einen „Neustart“ in der Flüchtlingspolitik. „Viele Kommunen sind bei Unterbringung, Integration, Schaffung von Kita und Schulplätzen längst an ihren Kapazitätsgrenzen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir müssen zu einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen kommen.“

Städte- und Gemeindebund fordert wirksame Maßnahmen

Zu den notwendigen Maßnahmen gehörten eine gerechte Verteilung in Deutschland und Europa, ein besserer Schutz der Außengrenzen der EU sowie die konsequente Rückführung ausreisepflichtiger Personen, forderte Landsberg.

Außerdem müsse der Druck auf die Herkunftsländer erhöht werden, die ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger nicht zurücknehmen wollten. „Schließlich erwarten wir von Bund und Ländern eine langfristige und nachhaltige Finanzierung der kommunalen Ausgaben für Unterbringung, Integration, Kita und Schulplätze.“

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, forderte größere Anstrengungen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. „Die Migrationsherausforderung muss jetzt endlich entschlossen von den EU-Staaten angepackt werden“, sagte der CSU-Politiker den Funke-Blättern. „Es wäre an der Zeit, dass die EU-Staaten, geführt von Deutschland und Frankreich, einen EU-Einsatz im Mittelmeer organisieren.“

Die EU müsse mit den nordafrikanischen Staaten schnell zu einem gemeinsamen Verständnis bei der Migration kommen. „Wenn das Geld kostet, dann wäre es gut investiertes Geld“, so Weber. Vor allem müsse die EU-Kommission dringlich weitere Rückführungsabkommen aushandeln. „Illegale Migranten müssen die EU verlassen“, betonte er. (lem)

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