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Bundeskanzler Olaf Scholz am 22.11.2023.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler

Droht am Parteitag Ärger?: Mit diesen Themen könnte die SPD Scholz unter Druck setzen

Die Sozialdemokraten wollen auf ihrem Parteitag das soziale Profil der Partei schärfen. Für Bundeskanzler Olaf Scholz gibt es mindestens fünf unangenehme Themen.

Die Kanzlerpartei SPD ist seit der Bundestagswahl 2021 zu einer 15-Prozent-Truppe zusammengeschmolzen. Lange war es ruhig in der Partei. Man setzte auf Geschlossenheit und auf „kritische Solidarität“, so nennt man das in der Partei, mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Der am Freitag beginnende Parteitag soll eine Art sozialdemokratischen Aufbruch signalisieren: weniger Kompromisse, mehr SPD pur.

Der sozialliberale Bundeskanzler könnte von seiner Partei an diesem Wochenende nach links gedrängt werden. Wenn er am Samstag zu den 600 Delegierten spricht, wird eine „sozialdemokratische Rede“ erwartet, so formulieren es Delegierte. Für Scholz besteht die Gefahr, dass der erste Präsenzparteitag seit vier Jahren der Führung entgleitet – und sich bei heiklen Themen, die durchsetzen, die ohnehin deutlich weiter links stehen als der Kanzler selbst.

Die Einigung auf den Bundeshaushalt 2024 darf keine Sozialkürzungen beinhalten. Ich bin da sehr deutlich

Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos

Haushalt

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sich die Spitzen der Bundesregierung nicht mehr vor Beginn des Parteitags am Freitag politisch über die Finanzierung des Haushaltes einigen. Das macht den Ablauf noch weniger absehbar – für Kanzler und Parteiführung. Nach Tagesspiegel-Informationen arbeitet die Parteiführung an einem eigenen Leitantrag zur Ausgestaltung des Bundeshaushaltes.

Doch längst wird die Debatte gerade um die von der FDP geforderten Sozialkürzungen heftig geführt. „Die Einigung auf den Bundeshaushalt 2024 darf keine Sozialkürzungen beinhalten. Ich bin da sehr deutlich“, sagte der Juso-Bundesvorsitzende Philipp Türmer dem Tagesspiegel am Donnerstag.

„Es gab längst eine politische Einigung auf die Ausgaben der Bundesregierung im Sozialbereich.“ Die Koalition habe sich auf Kreditaufnahmen geeinigt, es gehe nun lediglich darum, dafür wieder „einen vernünftigen Rechtsgrund zu finden“, sagte der Juso-Vorsitzende. „Volkswirtschaftlich ändert sich gar nicht. Das sollte auch die FDP endlich verstehen.“

Seit einigen Wochen Juso-Chef: Philipp Türmer. Er treibt den Kanzler von links.
Seit einigen Wochen Juso-Chef: Philipp Türmer. Er treibt den Kanzler von links.

© Jusos/Fionn Große

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass – sollte es zu einer Einigung kommen – nicht auch im Sozialen gekürzt wird. Scholz selbst hatte in seiner Regierungserklärung in der vergangenen Woche Sparmaßnahmen angedeutet. Er wird auf dem Parteitag eine klare Haltung dazu zeigen müssen – obwohl womöglich gleichzeitig weiter verhandelt wird. Ein schwer schaffbarer Balance-Akt für den kontrollbewussten Scholz.

Abschaffung der Schuldenbremse

Die SPD will die Schuldenbremse reformieren und künftig für Investitionen öffnen. Neue Kredite sollen nur für sogenannte konsumtive Ausgaben gedeckelt werden, aber nicht mehr für Investitionen. So schlägt es die Parteispitze vor. Ein Teil der Partei drängt jedoch auf eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse. Dann könnten auch steigende Sozialausgaben wie Bürgergeld oder Rentenzahlungen künftig damit finanziert werden.

Mehrere Anträge beschäftigen sich mit einer kompletten Abschaffung der Schuldenbremse, einer ist sehr eindeutig mit „Die Schuldenbremse muss weg“ betitelt. Die Zustimmung vom Ex-Bundesfinanzminister Scholz fände das wohl nicht. Durchsetzbar wäre es politisch kaum.

Reichensteuer

Die SPD will die reichsten Prozente der Gesellschaft höher besteuern. Eine zeitweise Erhöhung der Reichensteuer auf maximal 54 Prozent (derzeit 45 Prozent) wird vom Parteivorstand vorgeschlagen. Eine konkrete Zahl wird bisher nicht genannt. Die Steuer soll für die kommenden 20 Jahre gelten, bis der Transformationsprozess hin zur Klimaneutralität im Jahr 2045 geschafft sein soll.

Belastet werden Menschen mit einem jährlichen Einkommen von mehr als 270.000 Euro als Single. Damit soll unter anderem ein „Deutschland-Fonds“ für Investitionen in Schlüsselindustrien finanziert werden.

95 Prozent der Menschen sollen durch eine Reform der Einkommenssteuer entlastet werden. Das Konzept stammt noch aus der letzten Bundestagswahl, war aber mit der FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzbar.

Außerdem sollen Vermögens- und Erbschaftssteuern erhöht werden. Hier werden teils deutliche Aufwüchse gefordert. Anträge mehrerer ostdeutscher Landesverbände und der Jungsozialisten sehen etwa eine Erbschaftssteuer von bis zu 95 Prozent ab einer Erbschaft von neun Millionen Euro vor. Damit soll dann ein Grunderbe für alle 18-Jährigen in Deutschland finanziert werden.

15 Euro Mindestlohn

Teile der Parteilinken wollen am Wochenende die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro durchdrücken, die Parteiführung ist dagegen – Parteichef Klingbeil möchte eine Erhöhung auf 14 Euro. In der SPD ist man zwar stolz auf den Mindestlohn von 12 Euro. Die Arbeit der Mindestlohnkommission wird aber kritisch gesehen. Die letzte Erhöhung des Mindestlohns um 40 Cent bezeichnen Sozialdemokraten als „lächerlich“.

Auch Scholz ist unzufrieden damit. Kanzler und Parteiführung präferieren aber eine Reform der Kommission, nicht immer neue, politisch gesetzte Zahlen.

Wir brauchen als Kommunen deutlich mehr Unterstützung des Bundes als bisher, sonst können wir anderen Aufgaben nicht mehr so nachkommen, wie es notwendig ist. Dann verlieren wir die Akzeptanz der Menschen für die Unterstützung von Geflüchteten.

Steffen Krach, Regionspräsident in Hannover und SPD-Politiker

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unterstützen 50,4 Prozent der Befragten eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro. 43,5 Prozent sind dagegen. In Auftrag gegeben hat die Umfrage das „Forum DL21“ in der SPD, die Parteilinke.

Sebastian Roloff, Bundestagsabgeordneter und Kandidat für den Parteivorstand, sagte dem Tagesspiegel: „Die Inflation trifft Geringverdiener gerade bei Kosten des täglichen Bedarfs, wie Lebensmittel und Energiekosten, die man nicht unbegrenzt reduzieren kann, besonders hart. Darum brauchen wir Perspektiven für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn und grundsätzlich steigende Löhne.“

Asyl

Bis zur Haushaltskrise war die Asyl-Politik das alles bestimmende Thema im Land. In der SPD sind viele noch immer sauer auf Scholz, der mit dem Satz „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ zitiert worden war. Die Parteiführung hat eine heftige Debatte dazu wohl mit einem eigenen Antrag abgewendet. Darin spricht sich die Partei für eine Öffnung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, etwa aus Syrien oder Afghanistan, aus. Es ist ein komplett anderer Ton als der von Scholz oder Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Steffen Krach ist seit Präsident der Region Hannover, zuvor arbeitete er unter anderem als Wissenschaftsstaatssekretär in Berlin.
Steffen Krach ist seit Präsident der Region Hannover, zuvor arbeitete er unter anderem als Wissenschaftsstaatssekretär in Berlin.

© Britta Pedersen /dpa

Scholz wird sich dennoch einiges anhören müssen: Berlins SPD-Landeschef Raed Saleh warf ihm noch Anfang der Woche im Tagesspiegel Zynismus wegen seiner Aussagen zu Abschiebungen vor. Abgewendet hat der Antrag des Vorstandes wohl, dass die Asyl-Politik der Bundesregierung von den Delegierten völlig zerpflückt wird. Allerdings kann Scholz auch auf Unterstützung hoffen: von den vielen sozialdemokratischen Vertretern aus den von Flüchtlingen überlasteten Kommunen.

Der sozialdemokratische Regionspräsident von Hannover, Steffen Krach, sagte dem Tagesspiegel: „Wir brauchen als Kommunen deutlich mehr Unterstützung des Bundes als bisher, sonst können wir anderen Aufgaben nicht mehr so nachkommen, wie es notwendig ist. Dann verlieren wir die Akzeptanz der Menschen für die Unterstützung von Geflüchteten.“ Krach forderte, massiv in die soziale Infrastruktur zu investieren. „Sonst wird das Thema zu sozialem Sprengstoff.“

Personal

Das Führungspersonal der Partei stellt sich zur Wiederwahl. Mit Spannung werden die Ergebnisse für die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil und Generalsekretär Kevin Kühnert erwartet. Werden die beiden Linken Esken und Kühnert dafür abgestraft, zu wenig für die linke Seele der Partei getan zu haben? Oder wird es Parteichef Klingbeil für seine inhaltliche Nähe zu Scholz?

Aus dem Parteivorstand werden vier Personen nicht mehr kandidieren. Auf Vize-Chef Thomas Kutschaty will der Vize-Fraktionschef Achim Post folgen. Außerdem kandidieren drei große Namen nicht mehr: Dietmar Woidke, Yasmin Fahimi, Doris Ahnen. Ein Blick auf die Ergebnisse ihrer Nachfolger könnte einen Hinweis geben über die künftigen Kräfteverhältnisse in der Partei – und die Beinfreiheit des Kanzlers.

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