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Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor und Vusimuzi Madonsela, der südafrikanische Botschafter in den Niederlanden, während eines Verfahrens des Internationalen Gerichtshofs (IGH) über einen Antrag Südafrikas auf Notfallmaßnahmen für Gaza.

© picture alliance / ANP/REMKO DE WAAL

Nach Südafrikas Klage gegen Israel : Außenministerin Pandor pocht auf Änderung von Israels Kriegsführung

Die Beziehungen zwischen Südafrika und Israel sind angespannt. Die Botschafter wurden abgezogen. Aber auch die südafrikanische Gesellschaft ist gespalten.

Südafrika habe seine Aufgabe erfüllt. Jetzt liege es am Rest der Welt, Israel zur Rechenschaft zu ziehen. Mit einem Appell „zum Nachdenken“ wandte sich Südafrikas Außenministerin, Naledi Pandor, diese Woche an die Staatengemeinschaft.

Denn für sie steht fest, dass Israel den vorläufigen Maßnahmen, die der Internationale Gerichtshof (IGH) letzte Woche verhängte, keine Folge leistet: Israels Militär habe sein militärisches Vorgehen in Gaza nicht verändert. 

Doch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag wegen möglicher Verstöße gegen die Völkerrechtskonvention belastet nicht nur die Beziehungen Südafrikas zu Israel. Auch die ethnisch und religiös diverse südafrikanische Gesellschaft ist gespalten.

Als Zivilisten verkleidete israelische Soldaten

Vor Journalisten in Pretoria sagte Pandor in Pretoria: „In den vergangenen drei oder vier Tagen wurden Hunderte Menschen ermordet. Offenbar glaubt Israel, es kann tun, wonach ihm der Sinn steht. “ Nach Ansicht von Südafrikas Chefdiplomatin habe die israelische Regierung die Weisungen des IGH „ignoriert“.

Als klares Zeichen wertet sie den jüngsten Einsatz der israelischen Armee in einem Krankenhaus, allerdings in der besetzten Westbank. Wie internationale Medien berichten, sind israelische Under-Cover-Spezialkräfte am Dienstag eine Klinik in Dschenin eingedrungen.

Als Pflegepersonal und muslimische Zivilisten verkleidet, haben die Soldaten drei mutmaßliche palästinensische Kämpfer im Krankenbett erschossen.

Standbild einer Videokamera im Krankenhaus von Jenin: Israelische Soldaten, als Arzt und muslimische Zivilisten verkleidet, betreten das palästinensische Krankenhaus und erschießen drei Menschen.
Standbild einer Videokamera im Krankenhaus von Jenin: Israelische Soldaten, als Arzt und muslimische Zivilisten verkleidet, betreten das palästinensische Krankenhaus und erschießen drei Menschen.

© AFP/-

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erinnerte die Kriegsparteien, dass Krankenhäuser und Patienten unter internationalem Recht zu jeder Zeit geschützt werden müssen.  

Schwarze Südafrikaner sind mit Palästinensern solidarisch

Seit Jahren solidarisieren sich Südafrikaner, allem voran die muslimische Minderheit und Teile der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, mit den Palästinensern. Diese würden vom „Apartheid-Staat“ Israel gleichermaßen unterjocht wie einst die Südafrikaner vom Apartheid-Regime, argumentieren sie.

Der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela (re.) und Palästinenserepräsident Jasser Arafat im Jahr 2001.
Der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela (re.) und Palästinenserepräsident Jasser Arafat im Jahr 2001.

© REUTERS/Reuters Photographer

Vor Supermärkten protestieren die Palästina-Unterstützer regelmäßig für den Boykott israelischer Produkte. 2014 sorgte ein Schweinekopf für Aufsehen, den Demonstranten in der koscheren Theke eines Kapstädter Supermarkts platziert hatten. 

Rückendeckung bekommt die Anti-Israel-Lobby vom regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Dieser hatte seit dem Ende der Apartheid vor 30 Jahren einen komplizierten Spagat geschafft: zwischen der Freundschaft mit Palästina und den Handels- und diplomatischen Beziehungen zu Israel.

El Al fliegt nicht mehr nach Johannesburg

Der Israel-Hamas-Konflikt brachte jedoch eine Wende. Im November zog Präsident Cyril Ramaphosa Südafrikas Diplomaten aus Tel Aviv ab. Kurz danach beschloss das südafrikanische Parlament die Schließung der israelischen Botschaft in Pretoria. Die israelische Fluggesellschaft stelle seine Flüge nach Pretoria ein – offiziell wegen mangelnder Nachfrage. Dies soll zunächst bis Ende März gelten.

Die Entscheidung mehrerer reicher Staaten, ihre Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk UNRWA wegen Vorwürfen der Beteiligung am Hamas-Angriff einzufrieren, nannte Pandor eine „kollektive Bestrafung“. Nun seien die Länder des Globalen Südens aufgerufen, die Palästinenser weiter zu unterstützen.   

Jüdische Minderheit in Südafrika klagt über Anfeindung

Im Vielvölkerstaat Südafrika hat die Klage gegen Israel den Keil noch tiefer zwischen die verschiedenen Religionen und Volksgruppen getrieben.

Viele jüdische Südafrikaner fühlten sich von der Regierung vor den Kopf gestoßen, berichtet die Historikerin und Holocaust-Überlebende in zweiter Generation, Tali Nates: „In der Gemeinschaft herrscht ein Gefühl von großem Schmerz, Verrat und Wut.“ 

Und Südafrikas jüdische Minderheit – etwa 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung – klagt über zunehmende Anfeindung. „Wie in allen Diasporagemeinden, gab es auch bei uns einen scharfen Anstieg von Antisemitismus“, teilte das Jewish Board of Deputies (SAJBD) in Johannesburg mit. Über die letzten zehn Jahre habe man zwischen Oktober und November durchschnittlich vier Vorfälle verzeichnet – 2023 seien es 120 gewesen. 

Vor einer Woche hatten die Richter in Den Haag Israel aufgefordert, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen Völkermord an den Palästinensern zu verhindern, und sicherzustellen, dass humanitäre Hilfe die Bevölkerung den Gazastreifen erreiche.

Innerhalb eines Monats müsse die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen Rechenschaftsbericht über die ergriffenen Maßnahmen ablegen. Einen sofortigen Angriffsstopp im Gazastreifen, wie der Kläger Südafrika ihn gefordert hatte, blieb aus. Vor diesem Hintergrund verbuchten sowohl Pretoria als auch Jerusalem die Eil-Entscheidungen als Sieg.  

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