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Höchste Alarmbereitschaft: Ali Yerlikaya, der türkische Innenminister, während einer ersten Pressekonferenz nahe der Kirche, die Schauplatz des Verbrechens wurde.

© AFP/OZAN KOSE

Maskierte töten Gottesdienstbesucher in Istanbul : Erdoğan verspricht rasche Ergreifung der Täter

Ankara ist alarmiert: Der Angriff von Sonntagmorgen reiht sich ein in eine lange Serie blutiger Angriffe auf religiöse Minderheiten in der Türkei.

Das Hochamt in der katholischen Kirche Santa Maria im Istanbuler Stadtteil Sariyer ist am Sonntag gut besucht. Die Gläubigen stehen im Kirchenschiff, sie tragen dicke Wintermäntel gegen die Kälte des Januartags.

Gegen 11.40 Uhr Ortszeit (10.40 Uhr MEZ) geht die Kirchentür auf, während die Messe bereits im Gange ist, wie Bilder einer Überwachungskamera in dem Gottesdienst später zeigen. Ein weißhaariger Mann tritt ein und wendet sich nach rechts, doch er kommt nicht weit.

Hinter ihm kommt eine schwarz gekleidete Person mit Skimütze und gezogener Pistole herein und schießt ihm in den Kopf; ein zweiter Angreifer sichert die Tür. Beide feuern noch weitere Schüsse ab, während sich die Gottesdienstbesucher auf den Boden zwischen den Bänken werfen. Dann verlassen die Täter die Kirche.

Auch Polens Generalkonsul mit Familie in der Kirche

Die Zeitung „Hürriyet“ veröffentlichte die Bilder von dem Anschlag in der Kirche, obwohl die Behörden sofort eine Nachrichtensperre verhängten. Aufnahmen anderer Sicherheitskameras zeigten die beiden Täter, wie sie vor dem Anschlag auf die Eingangstür der Kirche zugehen.

Die Istanbuler Polizei sperrte sofort alle Ausfallstraßen und löste eine Großfahndung aus, doch am Nachmittag waren die Täter noch nicht gefunden.

Bei dem Opfer des offensichtlich gezielten Mordanschlags handelte es sich nach Behördenangaben um einen 52-jährigen türkischen Staatsbürger. Der Bezirksbürgermeister von Sariyer, Sükrü Genc, sagte der Zeitung „BirGün“, das Todesopfer sei ein Muslim gewesen, der in der Gemeinde gut bekannt gewesen und häufiger in die Kirche gekommen sei.

Zur Zeit des Angriffs seien zwischen 35 und 40 Menschen in der Kirche gewesen, darunter der polnische Generalkonsul von Istanbul mit seinen Kindern. Der Diplomat blieb unverletzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief den Konsul und den rumänischen Priester des Gotteshauses, Anton Bulai, an, um sein Beileid zu bekunden.

Anschlagswelle in den Nullerjahren

Erdoğan versprach in seinen Telefonaten, die Täter würden bald gefasst, möglicherweise schon in den nächsten 24 Stunden, wie das Informationsamt seiner Regierung mitteilte. Türkische Politiker vermuten offenbar kein kriminelles, sondern ein politisches Motiv hinter dem Anschlag:

Ömer Celik, Sprecher von Erdoğans Partei AKP, sagte, die Täter hätten auf „Ruhe und Sicherheit unserer Bürger“ gezielt. Justizminister Yilmaz Tunc erklärte, drei Staatsanwälte seien mit der Aufklärung des Verbrechens beauftragt.

Die Tat erinnert an frühere Überfälle auf Gotteshäuser und Mitglieder der religiösen Minderheiten in der Türkei. Eine türkische Al-Qaida-Zelle tötete im Jahr 2003 bei Angriffen auf Synagogen in Istanbul 28 Menschen; 31 weitere starben wenige Tage später bei Anschlägen derselben Gruppe auf britische Einrichtungen am Bosporus.

Rechtsextremisten erschossen im Jahr 2007 den türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul auf offener Straße. Im selben Jahr wurden drei Protestanten, darunter ein deutscher Missionar, im zentralanatolischen Malatya von fanatischen Nationalisten ermordet.

Personenschutz für jüdische und christliche Geistliche

Ein Jahr zuvor hatte ein Nationalist im nordtürkischen Trabzon den katholischen Priester Andrea Santoro in seiner Kirche erschossen. Luigi Padovese, ein katholischer Bischof, wurde im Jahr 2010 von seinem Chauffeur erstochen. Viele christliche und jüdische Geistliche in der Türkei haben Personenschutz.

Erdoğans Beileidstelefonate zeigten, dass die türkische Regierung den Mord in der Kirche sehr ernst nimmt. Der Präsident hält sich zugute, mehr für die christlichen Minderheiten in der Türkei getan zu haben als seine Vorgänger. Erst im Oktober war der erste Neubau einer Kirche seit Gründung der Türkischen Republik 1923 eingeweiht worden.

Erdoğan pflegt auch ein enges Verhältnis zur Führung der jüdischen Gemeinde in der Türkei. Trotz seiner scharfen Kritik an Israel wegen des Gaza-Krieges betont der Präsident, die Türkei habe kein Problem mit dem jüdischen Staat, sondern nur mit dessen Regierung.

Innenminister Ali Yerlikaya erklärte am Sonntag, Erdoğan verfolge die Ermittlungen nach dem Anschlag von Sariyer persönlich.

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