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Am nigrischen Unabhängigkeitstag am 3. August versammelten sich wenige Tage nach dem Putsch Hunderte von Menschen, die den Staatsstreich in Niger unterstützen, zu einer Kundgebung in der Hauptstadt Niamey.

© AFP/AFP

Ecowas kündigt Eingreiftruppe für den Niger an: Kommt es jetzt zu einer militärischen Intervention?

Diplomatie oder Intervention? Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas ist sich uneins. Vier Experten analysieren, womit im Niger jetzt zu rechnen ist.

Ich glaube nicht, dass Ecowas militärisch in Niger eingreifen wird. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Intervention gelingen soll. Ein militärisches Eingreifen kann schnell einen Bürgerkrieg auslösen.

Selbst wenn eine Intervention gelänge und Mohamed Bazoum wieder als Präsident eingesetzt würde, wäre sein Ansehen ruiniert. Schon im Vorfeld des Putsches war er im Land wegen seiner Zusammenarbeit mit Frankreich kritisiert worden. Keine einzige Einheit der Armee ist ihm in den letzten zwei Wochen zu Hilfe gekommen. Würde er nun durch Ecowas befreit, würde er endgültig als vom Ausland abhängig angesehen werden.

Europa wird sich auf eine Zusammenarbeit mit den Putschisten einstellen müssen, die in den letzten Tagen alle Schaltstellen der Macht besetzt haben. Sogar die Spezialkräfte, die von der Bundeswehr und anderen EU-Armeen ausgerüstet wurden, haben sich auf die Seite der Putschisten geschlagen. Europa und Ecowas sollten darauf dringen, dass die neuen Machthaber bald Wahlen organisieren. Letztendlich halten die Putschisten derzeit aber alle Trümpfe in der Hand.


Ecowas steht vor einer schwierigen Wahl: Eine diplomatische Einigung könnte die Wahrscheinlichkeit für weitere Putschversuche in der Region erhöhen. Doch eine militärische Intervention könnte für Niger selbst und die Sahelzone katastrophale Konsequenzen haben. Es würde ein Flächenbrand in der Region drohen. Selbst im besten Fall müsste eine extern installierte Regierung in Niger gegen das eigene Militär sowie breite Teile der Bevölkerung agieren.

Mehr als zwei Wochen nach dem Putsch ist Ecowas geschwächt. Trotz Ablauf ihres Ultimatums sind auf die angedrohten Konsequenzen bislang keine Handlungen gefolgt. Dass Ecowas am Donnerstag die Mobilisierung einer sogenannten „Standby Force“ ankündigte, ist als Versuch zu werten, die Drohkulisse aufrechtzuerhalten. Eine tatsächliche Mobilisierung würde einige Zeit in Anspruch nehmen und benötigt auch ein Mandat der Afrikanischen Union.

In der Zwischenzeit gilt es auf erste bilaterale Mediationsfortschritte aus Togo und Nigeria aufzubauen. Als oberste Priorität muss die Freilassung des noch immer festgesetzten de iure Präsidenten Mohamed Bazoum zu erwirken, der unter zunehmend schlechten Bedingungen festgehalten wird.


Es ist unwahrscheinlich, dass die von den westafrikanischen Staats- und Regierungschefs geplante Eingreiftruppe bald einsatzbereit sein wird. Ihre Ankündigung lässt jedoch das Gespenst eines Krieges in der Region aufkommen.

Ecowas, die derzeit unter dem Vorsitz des nigerianischen Präsidenten Bola Tinubu steht, möchte zunächst versuchen, mit der nigrischen Junta eine diplomatische Lösung zu finden, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Ein Krieg wäre für Niger und seine Nachbarn verheerend. Die sicherheitspolitischen, humanitären und sozioökonomischen Folgen für die Region, die bereits von vielen Schwierigkeiten geplagt ist, wären dramatisch.

Viele würden eine Ecowas-Intervention als von Frankreich und den USA vorangetrieben werten. Bazoum galt bei vielen schon vor dem Putsch als schwache Marionette ausländischer Mächte. Würde der gestürzte Präsident Mohamed Bazoum mittels einer Intervention wieder an die Macht gebracht, würde das nicht zwangsläufig die politische Stabilität in Niger erhöhen.


Das Beunruhigendste an der Krise in Niger ist, dass wir eine ernste und entscheidende Phase erreicht haben. Alle Protagonisten machen gute Miene zum bösen Spiel, um nicht das Gesicht zu verlieren.

Die Junta setzt ihre Eskalation fort, indem sie versucht, der Bevölkerung zu zeigen, dass dieser Putsch das Ziel hatte, dem Land seine Souveränität zurückzugeben. Die Ecowas beharrt darauf, trotz aller Risiken für Niger und die gesamte Sahelzone eine militärische Intervention anzudrohen. Die internationalen Partner scheinen trotz der scheinbaren Einigkeit über das Ziel der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung mehr als gespalten zu sein.

Frankreich scheint jegliche Kontrolle über die Situation verloren zu haben und ist sogar zu einem Akteur geworden, von dem die anderen verlangen, sich diskret zu verhalten. Die USA sind bereits in der Logik des großen Spiels und nehmen diese Krise als eine wahr, die gelöst werden muss, damit sie in Afrika ihre Position nicht verlieren.

Europa, das nun ohne seinen französischen Champion auskommen muss, sucht noch nach dem geeignetsten Mittel. Währenddessen spielt die Zeit Russland und dem Söldnerunternehmen Wagner in die Hände. Ebenso den Dschihadisten, die sich derzeit die Hände reiben müssen.

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