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Auch in europäischen Städten gab es Proteste gegen das drakonische Gesetz in Uganda, wie hier in London.

© IMAGO/Avalon.red

Queerer Aktivist aus Uganda: „Die Menschen werden verhaftet, geschlagen und ermordet“

In seiner Heimat wird Michael Shibale verfolgt. Nun versucht er, queere Menschen von Deutschland aus zu unterstützen. Doch die Situation verschlimmert sich stetig.

Anderthalb Jahre ist es her, dass Michael Shibale nach Berlin kam. Eigentlich wollte er nur sechs Monate bleiben, um durchzuatmen und sein Leben in Uganda zu reflektieren, wo sich die Situation queerer Menschen stetig verschlimmert. Doch als ein halbes Jahr verstrichen war, gab es keine Möglichkeit mehr zurückzukehren. Zu groß war das Risiko, verhaftet oder sogar ermordet zu werden. „Die Lage für queere Menschen ist immer unsicherer“, sagt der 33-Jährige am Telefon. „Ich wollte nicht hier bleiben, aber viele Menschen haben mich gewarnt. Ein anderer Menschenrechtsaktivist wurde direkt nach seiner Rückkehr zusammengeschlagen.“

Shibale gründete 2019 die Organisation „Pride Initiative for Eastern Region Uganda“ (PIERU). Zuvor hatte er in einer Bank gearbeitet. Doch als dort bekannt wurde, dass er schwul ist, wurde er gefeuert. „Danach hatte ich Depressionen und habe viel über das Leben nachgedacht. Da habe ich mich gefragt: Wenn ich sowas erlebe, wie viele andere Menschen machen dann solche Erfahrungen?“

Queere Menschen werden auf offener Straße attackiert

Er begann, andere junge queere Menschen zu kontaktieren und sich mit ihnen auszutauschen. Dabei stellte er fest, dass diese ähnliche Erfahrungen mit Diskriminierung machten und mit denselben Problemen zu kämpfen hatten. In regelmäßigen Abständen trafen sie sich. Daraus entstand die LGBTIQ-Organisation für queere Menschen im Osten Ugandas, in der Nähe der Hauptstadt Kampala.

Michael Shibale

© privat

Doch die Anfeindungen gegenüber queeren Menschen nahmen in den vergangenen Jahren zu. Auch Bekannte von Shibale wurden verhaftet und auf offener Straße attackiert. Wenn er zur Polizei ging, um sich stellvertretend für PIERU nach Mitgliedern der Community zu erkundigen, drohten ihm Konsequenzen. „Allein im Jahr 2021 wurde ich siebenmal von der Polizei festgenommen.“

Bei einem Treffen der Community im August 2021 wurde ihm schließlich geraten, sich eine Auszeit zu nehmen. Also bewarb Shibale sich für ein Programm, das einen sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland vorsah, „um das Leben zu reflektieren“, wie er selbst sagt.

Die Situation der Community verschlechtert sich stetig

Doch seit Shibale nach Deutschland kam, hat sich die Lage in Uganda weiter verschlechtert. Ende Mai wurde eines der weltweit drakonischsten Gesetze gegen queere Menschen verabschiedet. Es sieht unter anderem lange Haftstrafen und für „schwere Fälle von Homosexualität“ sogar die Todesstrafe vor sowie die juristische Verfolgung von Personen, die queere Menschen unterstützen.

„Für die Community wird die Situation schlimmer“, sagt Shibale. „Von unserer Organisation wurden seit Mai 2022 insgesamt sieben Menschen ermordet.“ Er ist weiterhin Leiter von PIERU und hat täglich Kontakt mit Mitgliedern. Er versucht vor allem queere Menschen zu unterstützen, die HIV-positiv sind, denn sie haben keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung und Medikamenten. Nachdem er immer mehr Morddrohungen aus der Heimat erhalten hatte, beantragte er im Frühjahr dieses Jahres schließlich Asyl.

Aufgeben ist für ihn keine Option, auch aus Deutschland setzt er sich für queere Menschen in Uganda ein. „Der einzige Weg ist weiterzukämpfen.“ Weil viele queere Menschen sich nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen, aus Angst angegriffen zu werden, organisiert er aus der Ferne die Verpflegung und setzt sich mit anderen Organisationen in Verbindung, um Netzwerke zu bilden.

Er hofft, dass Länder wie Deutschland, England und die USA den Druck auf die ugandische Regierung erhöhen, damit sie das Gesetz doch noch aufheben. Außerdem sollten sie queeren Aktivist*innen Asyl gewähren. Vor allem denen, deren Gesichter bekannt seien und die bedroht würden, so wie Shibale selbst.

Spenden an die Nichtregierungsorganisation PIERU sind möglich unter: www.pieruuganda.org. Sie werden zur Gründung eines Zentrums verwendet, wo queere Menschen Zugang zu medizinischer Versorgung und HIV-Diensten erhalten.

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