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Parlaments-Gebäude in Uganda.

© REUTERS/Abubaker Lubowa

Menschenrechtsaktivist über Lage in Uganda: „Mitglieder der queeren Community müssen um ihr Leben fürchten“

Edward Mutebi spricht über die brutale Verfolgung von queeren Menschen in seinem Heimatland, fehlende Rechtsstaatlichkeit und Erwartungen an die Bundesregierung.

Edward Mutebi, Ugandas Präsident, hat gerade das „Anti-Homosexualitäts-Gesetz“ unterzeichnet, das queeren Menschen drastische Strafen androht...
Es ist in seiner Gesamtheit ein Verstoß gegen die Menschenrechte und eine Bedrohung für die Existenz eines Teils der ugandischen Gemeinschaft. In Form eines Gesetzes ruft es zur Auslöschung der LGBTIQ+-Menschen in Uganda auf. Die Todesstrafe, mit der jetzt im schlimmsten Fall gedroht wird, verstößt gegen eine Reihe nationaler und internationaler Verträge und Gesetze.

Verboten ist jetzt auch die Vermietung von Räumlichkeiten an LGBTIQ+-Personen. Dies hat bereits zu einem drastischen Anstieg der Obdachlosigkeit von Mitgliedern der Community geführt. Der Zugang zu medizinischer Versorgung wurde für LGBTIQ+-Menschen durch dieses Gesetz unmöglich gemacht, was zu einem Anstieg der HIV-Infektionen führen wird. Das Gesetz, das vorgibt, Kinder zu schützen, kriminalisiert junge Minderjährige mit bis zu drei Jahren Gefängnis.

Stehen Sie in Kontakt mit LGBTIQ+ -Gruppen in Uganda - was können Sie über deren Situation sagen?
Die queeren Menschen vor Ort sind traumatisiert. Es ist schwer auszudrücken, was für eine Bedrohung das für sie bedeutet. Viele wurden vertrieben, etwa in Nachbarländer wie Kenia, das aber wegen zunehmender Homophobie überhaupt nicht mehr sicher ist.

Die Hexenjagd auf LGBTIQ+-Organisationen in Uganda begann aber schon lange vor dem Gesetz. So führte die ugandische Polizei 2019 eine Razzia in den Büros und sicheren Unterkünften von Let's walk Uganda durch, verhaftete brutal 16 Personen, verweigerte ihnen den Zugang zu Rechtsbeistand und medizinischer Versorgung, folterte sie und unterzog sie einer Zwangsanaluntersuchung. Nun, da es ein Gesetz gibt, das dieses brutale, unmenschliche Verhalten unterstützt, müssen die Organisationen und Mitglieder der Community tatsächlich um ihr Leben fürchten.

Es gibt Berichte, dass sich die Situation für queere Menschen bereits unmittelbar nach der Ankündigung des Gesetzes weiter verschlechtert hat. Was ist passiert?
Diskriminierung und Verfolgung gab es wie gesagt schon die ganze Zeit, einschließlich ungerechtfertigter Razzien und Verhaftungen, Mob-Justiz und Entkleidung von trans Personen in der Öffentlichkeit, Ermordung von LGBTIQ+-Aktivisten wie David Kato und Brian Wasswa.

In Uganda gibt es keine Rechtsstaatlichkeit mehr, sondern nur noch die Herrschaft der Gewalt.

Edward Mutebi

Der Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen Safer-Sex-Materialien wie Kondomen und Gleitmitteln war lange Zeit schwierig. Aber natürlich hatte die Gemeinschaft begonnen, Allianzen mit einigen aufgeschlossenen Ärzten und Gesundheitseinrichtungen zu bilden, aber alle diese Kanäle sind jetzt durch das Gesetz geschlossen. Was können wir jetzt erwarten? Eine humanitäre Katastrophe in Uganda gegen LGBTIQ+-Menschen.

Das Gesetz bedroht auch jeden, der mit der LGBTIQ+-Gemeinschaft sympathisiert oder in Kontakt mit ihr steht. Wie wirkt sich das auf die Zivilgesellschaft in Uganda aus?
Allen Unterstützern sind nun die Hände gebunden. Sie können nichts tun, um zu helfen, denn diejenigen, die sich über das Gesetz hinwegsetzen und Unterstützung anbieten, erwartet eine langjährige Gefängnisstrafe wie für die Leiter dieser Organisation, die übrigens leicht bis zur Todesstrafe reichen kann, sowie der Entzug der Lizenz und die Zahlung sehr hoher Geldsummen.

Auch in Deutschland gab es Proteste, um sich mit queeren Menschen in Uganda zu solidarisieren, wie hier in München.

© IMAGO/aal.photo

LGBTIQ+-Aktivisten haben angekündigt, dass sie das Gesetz vor Gericht anfechten wollen. Glauben Sie, dass es eine Chance auf juristischen Erfolg gibt?
Alles, was ich sagen kann, ist, dass unser Justizsystem in Uganda einer Person dient, und das ist der Präsident von Uganda, Herr Museveni. Wenn der Präsident also will, dass das Gesetz in Kraft bleibt, dann wird es nicht aufgehoben, auch wenn wir die besten Anwälte und die besten Argumente gegen das Gesetz vorbringen.

In Uganda gibt es keine Rechtsstaatlichkeit mehr, sondern nur noch die Herrschaft der Gewalt. So sehr ich den Schritt unterstütze, das Gesetz vor Gericht anzufechten, wie es meine Mitstreiter getan haben, habe ich doch das Gefühl, dass es dringend notwendig ist, das gesamte System der Unterdrückung im Lande, das einer einzigen Person an der Macht dient, infrage zu stellen.

Was erwarten Sie von Ländern wie Deutschland?
Es ist an der Zeit, dass Deutschland aufsteht und die Worte „Nie wieder!“ in die Tat umsetzt. Deutschland gehört leider zu den großen Unterstützern des gegenwärtigen Regimes in Uganda. Es ist höchste Zeit, dass diese Beziehungen revidiert werden. Ich appelliere an die deutsche Regierung, die ja auch mich beherbergt, die diplomatischen Gespräche mit der ugandischen Regierung fortzusetzen, wenn sie überhaupt helfen können.

Die deutsche Regierung sollte in aller Bescheidenheit humanitäre Unterstützung für die LGBTIQ+-Gemeinschaft in Uganda anbieten, einschließlich humanitärer Visa für die am meisten gefährdeten Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger sowie sichere Fluchtwege für die Mitglieder der Gemeinschaft, die das Land dringend verlassen wollen.

Finanzielle Unterstützung sollte für Organisationen bereitgestellt werden, die LGBTIQ+-Personen unterstützen, wobei Organisationen, die Obdachlosen eine sichere Unterkunft bieten, besonders berücksichtigt werden sollten. Gegen Uganda sollten Sanktionen verhängt werden, einschließlich des Verbots von Schengen-Visa für die Parlamentspräsidenten und andere Parlamentsmitglieder, die dieses Gesetz durchgesetzt haben, sowie für deren nahe Verwandte. Das Vermögen dieser Personen sollte eingefroren werden.

Denken Sie, dass Deutschland genug tut, um queere Menschen in Uganda zu unterstützen?
Seit der Verabschiedung des Gesetzes am 22. März und der erneuten Verabschiedung am 2. Mai hat die deutsche Regierung einen klaren Standpunkt gegen dieses drakonische Gesetz eingenommen. Doch was ist genug? So sehr ich persönlich die bisherigen Bemühungen der deutschen Regierung schätze, so viel wurde noch nicht getan, und ich glaube, dass Deutschland als Land und Vorbild in Europa noch viel zu tun hat.

Ich denke, es ist höchste Zeit, dass die Diskussion über LGBTIQ+-Personen in Uganda aus der Sphäre herausgeholt wird, die als „stille Diplomatie“ bezeichnet wird. Themen, die uns betreffen, sollten unter unserer vollen Beteiligung und mit unserer vollen Mitwirkung diskutiert werden. Ich glaube sehr an Deutschland, dass es hier die Führung übernimmt - angefangen mit den 200 humanitären Visa, die wir demütig erbeten haben. Vielleicht werden andere Länder folgen.

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