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Protest auf der Warnweste bei „Changing Cities“.

© Stefan Jacobs

Bilanz vom Verein „Changing Cities“: Nur ein Bruchteil der Radverkehrs-Pläne von Rot-Grün-Rot wurde umgesetzt

Das Mobilitätsgesetz verlangt ein stadtweites Radwegenetz bis 2030. Der Verein Changing Cities fürchtet, dass die aktuelle Politik krachend scheitert.

Das Vorhaben von Regierungschef Kai Wegner und Verkehrssenatorin Manja Schreiner (beide CDU), laufende Radwegprojekte zu priorisieren und zugleich mehr zu bauen als der Vorgängersenat, muss nach Ansicht von „Changing Cities“ scheitern. Der aus dem Fahrrad-Volksentscheid hervorgegangene Verein zog am Mittwoch eine Bilanz zum fünfjährigen Bestehen des Berliner Mobilitätsgesetzes und erklärte, warum der von Schreiners Verkehrsverwaltung verhängte Stopp Berlin auch langfristig schaden werde.

Nach Angaben von Jens Steckel von Changing Cities ergibt sich aus dem vor genau fünf Jahren vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetz und dem darauf basierenden Radverkehrsplan ein stadtweites Soll von 2698 Kilometer Radverkehrsanlagen mit jeweils definierten Standards: Radschnellverbindungen, Vorrang- und Ergänzungsnetz sowie Radwege an Hauptstraßen.

Davon realisiert worden seien mit nur teilweise erfüllten Standards – etwa zur Breite der Wege – bisher 121 Kilometer, also 4,5 Prozent. Hinzu kämen 28 Kilometer mit eingehaltenen Standards, also ein Prozent. Allein bei den Radverkehrsanlagen an Hauptstraßen seien von 307 Kilometern 16 mit Abstrichen und zwei gemäß den Standards fertig.

Schon die Vorgängerregierung hat sich einfache, schnell umzusetzende Projekte gesucht.

Jens Steckel, Changing Cities e.V.

„Schon mit dem Tempo der letzten Legislaturperiode würden wir 110 Jahre bis zur Fertigstellung des Netzes brauchen“, sagte Steckel. Der jetzt von der Verkehrsverwaltung verhängte Stopp treffe auf Projekte mit rund 50 Kilometer Gesamtlänge, die nach jahrelangem Planungsvorlauf nun umsetzungsreif seien. Durch neue Kriterien schneller zu werden, sei illusorisch: „Schon die Vorgängerregierung hat sich einfache, schnell umzusetzende Projekte gesucht.“ Da es im Berliner Verkehrsraum keine Brachflächen gebe, könne die Verkehrswende nur durch Umverteilung von Platz erreicht werden.

23,6
Kilometer des insgesamt 5342 Kilometer langen Straßennetzes haben Radstreifen auf Kosten von Autospuren erhalten.

Zu den Platzverhältnissen präsentierte Changing Cities eine Datenanalyse, derzufolge im 5342 Kilometer langen Berliner Straßennetz für Radfahrstreifen bisher auf 9,7 Kilometern eine Spur pro Fahrtrichtung weggefallen sei und auf 13,9 Kilometern eine Spur in einer Richtung. CDU und SPD „haben Phantomschmerz zu Schmerz hochstilisiert“.

Zu Wegners Aussage, wonach Radwege auch mal schmaler ausfallen könnten als laut Regelwerk, sagte Vereinsvorstand Ragnhild Sörensen: „Diese Standards sind nicht aus der Luft gegriffen oder auf einem Grünen-Parteitag beschlossen, sondern von Fachleuten definiert worden.“

Nach Angaben von Steckel enthält der Radverkehrsplan schon bisher eine Öffnungsklausel, die rege genutzt worden sei. „Die vermeintliche Blockade durch zu hohe Standards gibt es schon bisher nicht.“ Sollte der Senat die Verkehrswende jetzt bremsen, drohe ein „lange wirkender Kahlschlag“, weil die von den Bezirken seit 2018 mühsam angeworbenen Radverkehrsplaner:innen sich absehbar andere Arbeitsorte suchen würden, in denen sie nicht für den Papierkorb arbeiten.

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