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12.03.2024, Berlin: Raed Saleh (SPD, l-r), Luise Lehmann (SPD), Kian Niroomand (SPD), Jana Bertels (SPD), Nicola Böcker-Giannini (SPD), und Martin Hikel (SPD), sitzen gemeinsam auf einer Bühne. Die drei Bewerberduos für den Landesvorsitz der Berliner SPD stellen sich den Mitgliedern vor.

© dpa/Hannes P Albert

Kampf um Berliner SPD-Vorsitz: Am Ende sorgen „rassistische Aussagen“ für einen kleinen Eklat

Beim ersten von drei Mitgliederforen ging es am Dienstagabend um Grabenkämpfe, das Kostenfrei-Prinzip – und wie die Partei auf Erfolgskurs kommt. Bis auf einen Eklat blieb die Debatte fair.

„Mach mit“, steht auf einem Schild, das im Willy-Brandt-Haus in Berlin schräg über der Bühne an diesem Abend hängt. Der Einladung zum Mitmachen sind am Dienstagabend viele Menschen gefolgt, das Foyer ist voll. Etwa 300 Genossinnen und Genossen sind gekommen, um die drei Kandidatenpaare, die an die Spitze der Berliner SPD streben, im direkten Schlagabtausch zu erleben. Es ist das erste von drei Mitgliederforen, bei denen sich die Bewerber vorstellen können.

Ab April können dann die Mitglieder abstimmen, wenn sie als neue Führung sehen wollen: Bezirkspolitikerin Luise Lehmann mit dem aktuellen Co-Vorsitzenden Raed Saleh, Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini oder Jana Bertels, Noch-Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen und Kian Niroomand, Vorsitzender des SPD-Bezirksverbands Charlottenburg-Wilmersdorf.

Am Dienstagabend haben alle Duos zu Beginn jeweils neun Minuten Zeit, sich vorzustellen, danach erklingt eine Glocke. Hikel und Böcker-Giannini starten – die beiden setzen an dem Abend vielleicht die meisten Gegenpunkte zur aktuellen Parteilinie. Böcker-Giannini zeichnet zu Beginn ein düsteres Bild von der Stadt („mehr Moll als Dur“) und von der Partei („Wir geben der Stadt keine Orientierung, weil wir selbst keine haben“).

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Beim Kostenlos-Prinzip etwa für Kitas und Schulessen, das der aktuelle Parteivorsitzende Saleh geprägt hat, gehen sie in den Angriff: „Raed, das Geschenk der Kostenfreiheit für alle, das ist deine alte Geschichte. Und Kian und Jana, ihr erzählt diese alte Geschichte einfach weiter.“ Viel Applaus gibt es dafür aber nicht – wohl aber für die Ansage, dass es eine starke SPD brauche, um der AfD etwas entgegenzusetzen. Man wolle die Grabenkämpfe überwinden.

„Raed hat viel erreicht, und ich will mitmachen“

Niroomand und Bertels sagen in ihren Eingangsstatements, man wolle als Partei wieder zu der gesellschaftlichen Klammer der Stadt werden. Auch sie werben dafür, Grabenkämpfe zu überwinden – und gehen die aktuelle Parteiführung hart an. „Die Partei wird nicht mit genug Fürsorge geführt, und wenn ich ehrlich bin, auch einfach nicht mehr gut“, sagt Bertels.

Die beiden führen aus, dass die SPD aus ihrer Sicht die Partei sein müsse, die an der Seite derer stehe, die in der Stadt keine Wohnung mehr fänden oder verzweifelt nach einer Kita suchten. „Die Stadt dient dem Wohle aller, nicht dem Interesse einzelner“, sagt Niroomand.

Die Anwärter auf den Berliner SPD-Vorsitz beim Mitgliederforum im Willy-Brandt-Haus.
Die Anwärter auf den Berliner SPD-Vorsitz beim Mitgliederforum im Willy-Brandt-Haus.

© dpa/Hannes P Albert

Luise Lehmann und Raed Saleh wählen im Gegensatz zu den anderen zwei Kandidatenpaaren eine eher klassische Vorstellung. Lehmann stellt Saleh vor, Saleh Lehmann. Die 27-jährige Lehmann spricht sehr persönlich und berichtet, wie eine Schulfreundin von ihr nicht mit in der Mensa aß, auch nicht mit zur Klassenfahrt fuhr. Und Jahre später habe sie gelesen, dass sich die SPD für das kostenlose Mensa-Essen einsetze. Das habe Saleh maßgeblich mit verantwortet: „Raed und die SPD haben viel erreicht, und ich will mitmachen.“

Saleh lobt Lehmann als leidenschaftliche Bezirkspolitikerin. Gerade im Kampf gegen den erstarkenden Rechtspopulismus brauche man alle in der Berliner SPD, sagt Saleh.

Im Anschluss macht die SPD, was Gegner argwöhnisch als „Zerfleischen“ bezeichnen, an diesem Abend tatsächlich aber ein echter Austausch und ein Ringen um die eigene Verfasstheit und die eigenen Inhalte ist. Es geht um Wohnungsnot, Obdachlosigkeit – und Berliner Haushaltspolitik. Die drei Kandidatenpaare antworten konzentriert und kämpferisch – allein der Amtsinhaber Saleh lässt ein paar wenige Fragen aus, die direkt an ihn gestellt werden. Etwa dazu, wie er ändern will, dass so viel Frust unter den Mitgliedern sei.

Die CDU ist mir nicht sympathisch.

Luise Lehmann (SPD) zum aktuellen Koalitionspartner in Berlin.

Der Koalitionspartner der Berliner SPD kommt an dem Abend nicht gut weg. „Die CDU ist mir nicht sympathisch“, sagt Lehmann unter lautem Applaus. Und Niroomand plädiert für die Wiederaufnahme des Dialogs mit Linken und Grünen, diese seien „unsere natürlichen Koalitionspartner.“ Einzig das Duo Hikel und Böcker-Giannini positioniert sich anders und sagt klar, man müsse mit allen demokratischen Parteien koalieren. „Ausschließeritis“ sei absolut falsch.

„Rassistische Aussagen“ der CDU sorgen für Eklat

Am Ende kommt es zu einem kleinen Eklat. Aus dem Publikum kommt eine Frage zu „rassistischen Aussagen“ der CDU. Niroomand kritisiert, dass Wegner sich noch nicht für die Vornamensdebatte rund um Silvester entschuldigt hat. Hikel wiederum warnt diesbezüglich vor „schnellen Aussagen“, was bei Parteilinken im Raum schon für Augenrollen und Grummeln sorgt.

Böcker-Giannini wirbt für eine „gemeinsame Lösung“, man dürfe nicht im Vorhinein sagen, „deine Meinung interessiert mich nicht“. Daraufhin ruft Alfonso Pantisano, SPD-Mitglied und Queer-Beauftragter des Senats, laut in den Raum: „Aber Rassismus ist keine Meinung, und Homophobie auch nicht.“ Woraufhin Böcker-Giannini ihrem Parteikollegen Pantisano wiederum vorwirft, er unterstelle ihr, die mit einer Frau verheiratet ist, Homophobie.

Es ist der einzige Augenblick, an dem die Stimmung kurz zu kippen scheint. Ansonsten bleibt es ein fairer Austausch an diesem Abend, der nur ein Auftakt für die weitere Selbstssuche der SPD war.

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