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Pflege ist teuer. Sozialämter helfen, wenn Menschen nicht genug Geld haben.

© dpa/Sebastian Gollnow

Wenn arme Patienten sterben: Berliner Pflegedienste bleiben auf Kosten sitzen – weil Ämter zu langsam sind

Der Staat unterstützt Menschen, die nicht genug Geld für ihre Pflege haben. Doch die Sozialämter in Berlin arbeiten langsam. Stirbt ein Patient, tragen ambulante Dienste den Verlust.

Sterben Menschen, die ihre ambulante Pflege nicht selbst bezahlen können, bevor das Amt über die Kostenübernahme entscheidet, bleiben Pflegedienste oft auf den Kosten sitzen. Das Sozialamt bearbeitet den Fall dann nicht weiter. Falls ambulante Dienste eine Patientin vor Bewilligung des Amtes betreuen, tragen sie das Risiko. Zuerst hatte der „rbb“ berichtet. Die Gesundheitsverwaltung bestätigt den Bericht auf Tagesspiegel-Anfrage.

Menschen haben einen gesetzlichen Anspruch auf „Hilfe zur Pflege“. Reicht das Geld der Pflegekasse nicht oder besteht kein Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung, springt das Bezirksamt ein. Doch führen überlastete Verwaltungen in der Hauptstadt bekanntlich zu langen Bearbeitungszeiten. Das bestätigt auch der Sozialstadtrat von Neukölln, Hannes Rehfeldt (CDU), dem rbb.

Jutta Lindner ist Pflegedienstleiterin der Diakoniestation Falkenhagener Feld in Spandau. Dem Tagesspiegel erzählt sie, dass oft Monate vergingen, bis Sozialämter über die „Hilfe zur Pflege“ entschieden. Vier Monate dauere es im Durchschnitt bis zur Erstbegutachtung, danach noch zwei weitere Monate.

Es muss klar sein, dass eine Verschleppung von Antrags- und Bewilligungsverfahren und damit von Zahlungen für die bereits erbrachten Leistungen professioneller Pflegedienste die pflegerische Versorgung der Menschen gefährdet.

Sprecherin der Caritas Altenhilfe

„Viele Menschen kommen nach dem Krankenhaus zu uns, die sind plötzlich multimorbide, einige sterben in diesem Zeitraum.“ Lindner spricht von einer Handvoll Fälle pro Jahr – eine beachtliche Zahl, denn ihre Diakoniestation betreut insgesamt 120 Patient:innen. Pro Fall mache der Träger, die Johannesstift Diakonie, durchschnittlich ein Minus im fünfstelligen Bereich.

Die Caritas Altenhilfe berichtet von ähnlich langen Bearbeitungszeiten. Eine Sprecherin sagt: „Es muss klar sein, dass eine Verschleppung von Antrags- und Bewilligungsverfahren und damit von Zahlungen für die bereits erbrachten Leistungen professioneller Pflegedienste die pflegerische Versorgung der Menschen gefährdet.“ Sie fordert, den Zeitraum für die Bedarfsfeststellung auf vier Wochen zu verkürzen.

Gesetzeslücke ist Grundproblem

Ein Sprecher des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) erklärt, das Problem sei nicht als flächendeckendes bekannt. Auch Bert Zeckser, Chef der Ambulanten Dienste der Johannesstift Diakonie in Berlin, sagt, er habe bei Kolleg:innen in Sachsen-Anhalt angerufen: Die warteten kürzer auf Bescheide der Sozialämter.

Trotzdem ist das Problem ein grundlegendes, denn auch anderswo bleiben Betreiber auf Kosten sitzen, wenn Patient:innen während der Bearbeitung versterben. Eine Lücke im Sozialgesetzbuch XII bedingt, dass ambulante Dienste im Gegensatz zu stationären Heimen im Todesfall leer ausgehen.

Der Verband bpa verlangt vom Land Berlin deshalb, dass dieses eine Bundesratsinitiative anstrengen möge. Außerdem brauche es eine pragmatische Kostenübernahme auf Landesebene. Laut „rbb“ zeigt sich die Gesundheitsverwaltung demgegenüber offen.

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