zum Hauptinhalt
In die geschlossene Psychiatrie werden Menschen auf Anordnung eines Gerichts eingewiesen. Im Klinikum am Urban gibt es zwei dieser Stationen.

© imago/Christian Ditsch

Bezirk verabschiedet Resolution: „Unhaltbare Zustände“ in der Psychiatrie des Klinikums am Urban

Eine Interessenvertretung der Patient:innen beklagt belastetes Personal, überalterte Bausubstanz und Konflikte zwischen den Patient:innen. Die Situation sei „nicht menschenwürdig“.

Auf den geschlossenen psychiatrischen Stationen 31 und 32 des Vivantes Klinikums am Urban sollen „unhaltbare Zustände“ herrschen. Psychisch kranke Menschen, die dort auf Anordnung eines Gerichts zwangsweise untergebracht sind, lebten in überbelegten Zimmer, es komme zu Reibungen zwischen den Patient:innen, Rückzugsorte und Freizeitmöglichkeiten fehlten.

Dies beschreibt eine Resolution, die die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg vergangene Woche verabschiedet hat. Die BVV äußere „ihre Bestürzung und ihr Entsetzen“ über die „unmenschlichen und rechtswidrigen Zustände“ auf den Stationen. Initiiert worden war die Resolution von der Grünen-Fraktion, angeschlossen hatten sich SPD und CDU.

Über die Situation hatte zuallererst die für das Krankenhaus zuständige Patientenfürsprecherin berichtet. Patient:innen können sich an sie als eine Art Interessensvertretung wenden. Die Position üben Ehrenamtliche aus. Schon 2021 hatte die Ansprechperson in einem Bericht von Personalmangel, Überbelegung, mangelnder Hygiene und zweckentfremdeten Räumlichkeiten berichtet.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Resolution kritisiert insbesondere, dass Patient:innen zu selten an die frische Luft kämen. Ein Zugang zu eingegrenzten Freiflächen ist nicht vorhanden. Aufgrund ihrer zwangsweisen Unterbringung dürfen die Patient:innen nur in Begleitung nach draußen – eine Herausforderung, weil sich die Stationen im dritten Stock des Gebäudes befinden und das Pflegepersonal zudem zu wenig Zeit habe. Deshalb müssten sich die Patient:innen „regelmäßig gezwungenermaßen ganztägig auf der Station aufhalten“, heißt es.

Das Vivantes Klinikum am Urban in Berlin-Kreuzberg.
Das Vivantes Klinikum am Urban in Berlin-Kreuzberg.

© Tagesspiegel/Kitty Kleist-Heinrich

Um jedes Bett wird gekämpft

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Magnus Heise (Grüne), erklärt, die BVV könne eigentlich nichts an den Zuständen ändern. Daher habe sie mit der Resolution zumindest einen Appell aussenden wollen. „Wir können das nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen“, sagt er.

Heise besuchte Anfang Oktober mit Politiker:innen der anderen Fraktionen die Stationen des Klinikums am Urban. Er berichtet, dass „mittlerweile um jedes Bett gekämpft wird“. Die Klinik habe zum Beispiel einen Raum für Ergotherapie in ein Zimmer mit zwei Krankenhausbetten umfunktioniert.

Geschlossene psychiatrische Stationen sollen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft fördern, dafür müssen sie nach dem Gesetz Freiflächen in angemessener Größe vorhalten. Die Gesundheitsverwaltung bestätigt auf Anfrage, dass das Klinikum am Urban diese Anforderung nicht erfülle.

Eine Sprecherin teilt mit, dass bauliche Veränderungen deshalb „als dringend erforderlich angesehen werden“. Zudem habe die Verwaltung insistiert, dass der landeseigene Vivantes-Konzern, Träger des Klinikums am Urban, „schnellstmöglich“ eine Freifläche schaffen solle.

Laut Magnus Heise habe das Stadtentwicklungsamt bereits einen Bauvorbescheid für einen Neubau erteilt. Auch die Senatsverwaltung bestätigt, dass Vivantes einen Neubau plane. Der Konzern möchte einen Modulbau im Park hinter dem Klinikgebäude errichten. Ursprünglich war das 1970 eröffnete Gebäude nicht für die Unterbringung psychisch kranker Patient:innen gedacht.

Stefan Weigand von der Beschwerde- und Informationsstelle Psychiatrie in Berlin (BIP) sagt auf Anfrage, er könne sich zu konkreten Fällen nicht äußern. Der fehlende Zugang zu Freiflächen sei jedoch „immer wieder ein Thema“, über das sich Patient:innen beschwerten.

Seit 2021 nur „kosmetische“ Veränderungen

Die Resolution beklagt nicht nur die Zustände, sondern auch, dass die Klinik seit 2021 lediglich „kosmetische Aktionen“ vorgenommen habe, etwa Wände neu gestrichen und Möbel ausgetauscht.

Solange nicht ein weiteres Gebäude gebaut sei, in das die Stationen 31 und 32 umziehen könnten, seien „dringend Lösungen für zusätzliches Personal“ nötig. Die Resolution schlägt vor, dieses „beispielsweise über Akquise eines externen Dienstleisters zu organisieren, damit die Patient*innen wenigstens regelmäßig nach draußen begleitet werden können“.

Ein Sprecher von Vivantes teilt mit, dass das Pflegepersonal auf den geschlossenen Stationen einen hervorragenden Job mache. Zur Überbelegung komme es nur zeitweise, die Darstellung in der Resolution sei übertrieben. Der Mangel an Freiflächen sei ein seit Jahren bekanntes Problem, allerdings fehle es an Geld für einen Neubau. Der Sprecher verweist auf die unzureichenden Investitionsmittel des Landes Berlin. Dieses muss seinem gesetzlichen Auftrag nach in Bauten und Technik der für die Versorgung notwendigen Krankenhäuser investieren.

Die Idee, einen externen Dienstleister zu engagieren, lehnt der Sprecher ab. Die Pflege von Menschen in psychischen Ausnahmesituation könne nur durch examiniertes Personal erfolgen. Darüber hinaus erfülle Vivantes den gesetzlich vorgesehenen Pflegeschlüssel.

Die Situation für psychisch kranke Menschen ist in der Hauptstadt generell angespannt. Laut der Gesundheitsverwaltung waren die psychiatrischen Stationen 2023 im Durchschnitt zu 95,5 Prozent belegt. Eine Quote von 85 Prozent gilt derweil als Grenzwert einer guten Versorgung. Nur dann können Krankenhäuser flexibel auf Notfälle reagieren.

Eine weitere Baustelle ist die Situation im Maßregelvollzug, in dem verurteilte Straftäter:innen unterkommen. Die überwiegend in der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik angesiedelte Anstalt in Wittenau ist überlegt, auf rund 550 genehmigte Betten kamen zuletzt mehr als 600 Patient:innen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false