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Ein Platz im Pflegeheim wird immer teurer.

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2800 Euro Zuzahlung für einen Heimplatz: Was Fachleute angesichts der Pflegekosten vorschlagen

Pflegebedürftige zahlen immer mehr für einen Platz im Heim, von denen es zu wenige gibt. Berlins ehemalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach fordert staatliche Investitionszuschüsse.

Die Lage spitzt sich zu – kaum noch freie Plätze in den Pflegeheimen und absehbar immer mehr Bedürftige, die dort versorgt werden müssten. Und die Kosten steigen, was die Pflegekassen der Heimbewohner, die Angehörigen und die öffentliche Hand belastet.

Fast 2800 Euro im Monat zahlen Bewohner im bundesdeutschen Schnitt bald aus eigener Tasche für ihren Pflegeheimplatz dazu. Wessen Rente dazu nicht ausreicht (und das gilt für die allermeisten Senioren), braucht Hilfe von Angehörigen und den Sozialämtern.

„Um die Höhe der Selbstbeteiligung zumindest zu bremsen, sollte ein Pflegewohngeld eingeführt werden“, sagt Berlins Ex-Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). „Diese Leistung wäre dazu da, zumindest jene Kosten aus der Selbstbeteiligung zu tilgen, die von den Heimbetreibern für die nötigen Investitionen in die Gebäude genutzt werden. Den Betreibern ist etwa die energetische Sanierung ihrer Bauten gesetzlich vorgeschrieben.“

1995
Seit jenem Jahr gibt es eine gesetzliche Pflegeversicherung.

Unter Investitionskosten werden die Aufwendungen des Heimbetreibers für Instandsetzung der Gebäude und Technik zusammengefasst, die je nach Bundesland unterschiedlich stark subventioniert werden, im Schnitt aber immer noch circa 490 Euro pro Bewohner und Monat ausmachen.

Löhne, Energie und Immobilien sind Kostentreiber

Wie überall im Gesundheitswesen gibt es für Pflegeheime drei wesentliche Preistreiber: höhere Löhne für dringend gesuchtes Personal, steigende Kosten für Energie sowie sanierungsbedürftige Gebäude, dazu die anziehenden Preise für Lebensmittel. Weil die Zahlungen der Pflegekassen mindestens ein Jahr zuvor fix vereinbart werden, in Zeiten steigender Preise also zu knapp sind, meldeten viele Heime zuletzt Insolvenz an.

Berlins frühere Sozialsenatorin Elke Breitenbach.
Berlins frühere Sozialsenatorin Elke Breitenbach.

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Steigende Löhne, von der Abgeordneten Breitenbach explizit begrüßt, könnten ihr zufolge mit Steuermitteln refinanziert werden: So ließen sich womöglich die Pleiten von Heimbetreibern abwenden, denn die Ausgaben für das Personal machten den größten Block an Kosten aus.

Circa fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland. Die Tendenz ist klar, die Zahl wird Hochrechnungen zufolge bis zum Jahr 2055 auf 6,8 Millionen steigen. Heute leben 800.000 Menschen vollstationär in Pflegeheimen. Fünf von sechs Bedürftigen werden also zu Hause versorgt, davon die meisten von Angehörigen, die mit dem Pflegegeld der Kassen unterstützt werden.

Als dritten Punkt fordert Breitenbach eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, also das Linke-Modell der schon von der SPD ventilierten Bürgerversicherung. Demnach soll das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung abgeschafft werden, es müssten letztlich also alle in den Topf der gesetzlichen Kassen einzahlen.

Stationäre Versorgung nur für schwere Fälle

Breitenbach, 62 Jahre, gehört selbst zur Boomer-Generation, die das Gesundheitswesen massiv beeinträchtigen wird: Als Arbeitskräfte fehlen die Boomer bald, als Patienten beanspruchen sie dann massenhaft Praxen, Kliniken und Pflegeheime.

Der frühere Sprecher der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), der Sozialexperte Klaus Vater, schrieb kürzlich in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel-Background Gesundheit: Weil Renten und Ersparnisse der Pflegebedürftigen nicht ausreichten, müsse in vielen Fällen die Sozialämter – also der Staat – die Versorgung der Alten mitfinanzieren. Dabei sei das ab 1994 der Grund gewesen, eine Pflegeversicherung einzuführen: „Nun ist der Zustand wieder erreicht, den die Pflegeversicherung beenden wollte.“

Angesichts der Personalnot und Kostenexplosion schlägt Vater vor: In den Pflegeheimen sollte alles, was nicht von Menschen getan werden muss, an Technik übertragen werden. Zudem müsse man dafür sorgen, die stationäre Versorgung auf schwere Fälle zu konzentrieren. Wohnungen und Infrastruktur sollten „systematisch“ darauf hin geprüft werden, wie tauglich sie für eingeschränkt bewegliche Menschen sind. Die Vereinbarkeit von Pflege daheim und Erwerbstätigkeit von Familienmitgliedern sei die „Schlüsselgröße“, schreibt Vater. Und: „Kein Tag darf angesichts der rasenden demografischen Entwicklung verschwendet werden.“

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