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Die Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete mit der Absicht, Hitler zu töten.

© picture alliance/dpa/Heinrich Hoffmann/UPI

Heute vor 79 Jahren: Der gescheiterte Staatsstreich gegen das NS-Regime

Die Verschwörer des 20. Juli 1944 hatten nicht nur Pech bei ihrem geplanten Attentat auf Hitler. Der misslungene Putsch war auch unzureichend vorbereitet und kam historisch gesehen zu spät.

Eine Kolumne von Jan Kixmüller

Hitler überlebte leicht verletzt. Die Bombe der Widerstandsgruppe vom 20. Juli 1944 war mit verminderter Sprengkraft während der Lagebesprechung im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ explodiert. Zudem befand sich der Diktator zufällig in einer durch die massive Tischplatte eher geschützten Position.

Hitler triumphierte und die NS-Propaganda behauptete, die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg seien dem Dritten Reich in höchster Not in den Rücken gefallen – vergeblich. Vielmehr habe die Vorsehung den „Führer“ gerettet. Der angestrebte Machtwechsel scheiterte heute vor 79 Jahren, führende Köpfe der Verschwörer wurden noch in der folgenden Nacht verhaftet und hingerichtet.

Pech und unzulängliche Organisation

Pech bei der Platzierung des Sprengsatzes, eine Verkettung unglücklicher Umstände, unzulängliche Organisation der anschließend geplanten „Operation Walküre“ sowie mangelnde Geschlossenheit nach dem Scheitern führten dazu, dass die Nazis das Vorhaben vereiteln letztlich konnten.

Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in einer Aufnahme aus den frühen 1930er Jahren.
Der deutsche Offizier und spätere Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in einer Aufnahme aus den frühen 1930er Jahren.

© imago images/Leemage/imago stock&people, via www.imago-images.de

Die Geschichtsschreibung interessiert sich auch für die Frage, wer hinter dem geplanten Staatsstreich stand – und aus welchen Beweggründen. Gemeinsame Motive lassen sich bei der recht großen und heterogenen Gruppe kaum ausmachen. Immerhin lässt sich trotz der ambivalenten Hintergründe sagen, dass bei den Militärs unter den Verschwörern das nationale Interesse überwog: Angesichts der aussichtslosen militärischen Lage schien es ihnen im deutschen Interesse zu sein, die sich abzeichnende Niederlage abzuwenden.

Dafür sei die Ausschaltung der Führungsfigur des Nationalsozialismus notwendig und der Hochverrat gerechtfertigt, so die Widerstandskämpfer. Einige Historiker:innen kritisieren, dass hier das Ziel der Demokratie im Vergleich zum Widerstand der „Roten Kapelle“, der „Weißen Rose“ und eines Georg Elser eher im Hintergrund stand. Der Historiker Joachim Fest kommt hingegen zu dem Fazit, dass Stauffenberg zwar Monarchist und kein Republikaner war, durchaus aber auch Demokrat.

Einzeltäter Georg Elser verübte am 8. November 1939 einen Anschlag auf Adolf Hitler, der ebenfalls gescheitert war.
Einzeltäter Georg Elser verübte am 8. November 1939 einen Anschlag auf Adolf Hitler, der ebenfalls gescheitert war.

© picture alliance / dpa/dpa Königsbronn

Unter den Verschwörern gab es auch diverse Antisemiten und Kriegsverbrecher, die ihren Kopf retten wollten. Fest steht auch, dass gerade unter den zahlreichen adligen Verschwörern der Abkehr vom NS-Regime vielfach eine anfängliche Kollaboration vorausgegangen war. Manch einer wollte bloß seine Ländereien im Osten vor dem nahenden Untergang retten – etwa indem man nach erfolgreichem Machtwechsel über einen Sonderfrieden mit den Westmächten einen Rückzug in die Reichsgrenzen erwirkt hätte.

Andererseits nannten 20 der insgesamt bis zu 200 Verschwörer vor dem Volksgerichtshof das Verbrechen des Holocaust als Hauptbeweggrund ihres Handelns. Für sie standen ethische Gründe und ihr Gewissen im Vordergrund, nachdem sie die Massenvernichtungen hinter der Front miterleben mussten.

Anfang vom Ende des Krieges?

Zeitgeschichtlich von Interesse ist auch, ob der Attentatsversuch trotz seines Scheiterns den Anfang vom Ende des Krieges bedeutete. Mit Blick auf die Opferzahlen eher nicht, denn im letzten Kriegsjahr soll es mehr Tote gegeben haben als in den fünf Jahren zuvor.

Das mag vor allem an der hohen Zahl der gefallenen Soldaten und der zivilen Opfer gelegen haben, die der fortschreitende Krieg mit sich brachte. Unter anderem forderten die deutschen Abwehranstrengungen enorm viele Menschenleben. Für die europäischen Juden kam das Vorhaben ohnehin zu spät, für die größten Mordaktionen des Holocaust hatten die Nazis schon vor dem Sommer 1944 genug Zeit gehabt.

Natürlich kann man sagen, dass die Verschwörer des 20. Juli es wenigstens versucht haben. Letztlich hatte sich das Blatt aber auch ohne den Putsch bereits gegen die deutsche Aggression gewendet, da die Alliierten bereits 1943 mit der Einkreisung des Deutschen Reiches begonnen hatten. Und die Landung in der Normandie war rund sechs Wochen vor dem Attentatsversuch erfolgt.

Einen Einfluss auf den Kriegsverlauf hätte eher noch ein Erfolg der Tresckow-Gruppe im Frühjahr 1943 haben können. Doch auch hier scheiterte das geplante Attentat: Der als Paket mit Cointreau-Flaschen getarnte Sprengsatz in Hitlers Flugzeug zündete nicht.

Lesen Sie alle bisher erschienenen Folgen der „Tagesrückspiegel“-Kolumne hier.

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