zum Hauptinhalt
Silas Stein/dpa

© dpa/Silas Stein

Industriestrom gegen Agrardiesel: Die Subventionspolitik der Ampel bleibt widersprüchlich

Der Steuervorteil auf Agrardiesel wird gestrichen, während Industriestrom mit der Gießkanne subventioniert wird. Das ist inkonsistent und könnte dem Verhältnis zu unseren europäischen Partnern schaden.

Ein Gastbeitrag von
  • Marcus Wortmann
  • Sara Holzmann

Bei aller tagespolitischen Hektik wirkt es schon wieder lange her: Monatelang wurde vor der Haushaltskrise darum gerungen, wie der deutschen Industrie angesichts hoher Energiepreise geholfen werden und die Abwanderung energieintensiver Unternehmen ins Ausland – also eine Deindustrialisierung hierzulande – verhindert werden kann. Statt des lange diskutierten Industriestrompreises ist schlussendlich ein ganzes Paket an Strompreissubventionen angekündigt worden, von dem alle Industrieunternehmen profitieren sollen.

Nun darf man sich wundern, dass das Herzstück dieser Entlastungen – die Stromsteuersenkung für die gesamte Industrie – trotz der selbstauferlegten Sparsamkeit die Haushaltsverhandlungen überlebt hat. Denn allein durch die Senkung der Stromsteuer entstehen jährlich Mindereinnahmen von drei Milliarden Euro.

Auch an der Ausweitung und Verlängerung der Kompensation für steigende CO₂-Preise bei der Stromerzeugung wird festgehalten, während andere Posten aus dem Klima- und Transformationsfonds, wie der Umweltbonus für E-Pkw, gestrichen werden.

Der geplante Zuschuss zu den Netzentgelten wurde allerdings im Zuge der Sparmaßnahmen zurückgenommen, was die Stromkosten für Unternehmen und Privathaushalte deutlich erhöhen dürfte.

Geht der klimaneutrale Umbau wirklich weiter?

Der Bundeskanzler bekräftigte nach der Haushaltseinigung, den klimaneutralen Umbau in Deutschland weiterhin vorantreiben zu wollen. Und der Finanzminister betonte, dass man nun klimaschädliche Subventionen zur (Gegen-)Finanzierung abbaue. Doch beides darf hinterfragt werden. Vom zunächst angekündigten Ende der Kerosinsteuerbefreiung im inländischen Flugverkehr hat die Bundesregierung inzwischen wieder Abstand genommen.

Zwar sollen nach wie vor die Steuervorteile für Agrardiesel und landwirtschaftliche Fahrzeuge gestrichen werden. Gleichzeitig wird mit der Vergünstigung von Strom jedoch an anderer Stelle eine klimaschädliche Subvention ausgeweitet.

Denn Strom kann heute und auch in den nächsten Jahren nicht mit dem Label „klimaneutral“ versehen werden und bleibt ein knappes Gut. Eine schlichte Vergünstigung vermindert die Anreize für Energieeffizienzmaßnahmen, kann den Netzausbau verteuern und führt tendenziell zu einem höheren Stromverbrauch, der wiederum den Strompreis für alle – auch für private Haushalte – antreiben kann.

Anreize für Elektrifizierung viel zu gering

Für die angestrebte kostenintensive Umstellung auf strombasierte Produktionsverfahren in der Industrie bietet die zusätzliche Entlastung um 1,5 Cent pro kWh hingegen einen viel zu geringen Anreiz. Noch zweifelhafter wird die Steuersenkung, wenn man bedenkt, dass sie durch die nun zurückgenommene Entlastung bei den Netzentgelten überkompensiert werden dürfte.

Um die Abwanderung strategisch und ökonomisch wichtiger energie- und wettbewerbsintensiver Unternehmen zu verhindern, braucht es die geplante Subvention mit der Gießkanne für die gesamte Industrie nicht. Hier wäre spätestens nach dem Gerichtsurteil aus Karlsruhe die Überprüfung der Zielgenauigkeit angezeigt gewesen.

Zwar sollen energieintensive Unternehmen mit der Strompreiskompensation und der Regelung zum „Super-Cap“ weiterhin und noch etwas umfangreicher als andere entlastet werden, doch die so wichtige Planungssicherheit für weitreichende Investitions- und Standortentscheidungen können derlei Steuerrabatte nicht geben. Gerade diese ist angesichts der aktuellen Turbulenzen aber umso wichtiger geworden.

Mit breiter, kostspieliger Steuersenkung ist nicht viel gewonnen

Stattdessen wären staatliche Mittel in dem bereits geschaffenen Instrument der Klimaschutzverträge zielgenauer angelegt. Denn damit wird der Wechsel zu klimaneutralen Produktionstechnologien direkt unterstützt und gleichzeitig gegen hohe und unsichere Energiepreise abgesichert. Zudem haben solche Verträge den fiskalischen Vorteil, dass Fördermittel im Erfolgsfall von den Unternehmen an den Staat zurückfließen.

Um es klar zu sagen: Die Unterstützung energieintensiver Unternehmen in der Transformation ist aus strategischen, ökonomischen und ökologischen Gründen ein legitimes Ziel, das auch eine Beibehaltung kurzfristig klimaschädlicher Subventionen beim Industriestrom rechtfertigen kann – selbst in einer angespannten Haushaltslage. Mit der breiten und kostspieligen Steuersenkung dürfte am Ende aber nicht viel gewonnen sein.

Im Gegenteil: Wir riskieren, mit dem Sprung auf den EU-Mindeststeuersatz unsere europäischen Partner zu verärgern, mit denen wir für eine gemeinsame europäische Industriepolitik im Sinne des fairen Wettbewerbs und der strategischen Souveränität unbedingt an einem Strang ziehen sollten. Am Ende sollte die nationale Haushaltskrise deshalb auch ein Anlass sein, Lösungen stärker auf europäischer Ebene zu suchen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false