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DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan und der frühere Fussball-Nationalspieler Gerald Asamoah mit Fußballern und Fußballerinnen des Berliner Vereins FC Stern 1900.

© dpa/Soeren Stache

„Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen“: Wie der DFB den Rassismus im Amateurfußball bekämpfen will

Zur Europameisterschaft stellt der Deutsche Fußball-Bund eine Kampagne gegen Rassismus vor. Ein Pilotprojekt in Berlin soll dabei helfen, langfristige Strategien zu entwickeln.

Es dauerte einige Minuten, bis der Fotograf endlich abdrücken konnte. Mehrere Dutzend Kinder und Jugendliche, die am Montagnachmittag beim Berliner Fußball-Verein SFC Stern 1900 trainierten, wollten auf dem Foto zu sehen sein. Schließlich kommt es in Steglitz-Zehlendorf nicht oft vor, dass DFB-Präsident Bernd Neuendorf, die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan (SPD), und der ehemalige Nationalspieler Gerald Asamoah auf dem Feld stehen. „Jetzt stellt euch mal vor, dass euer Team gerade die Champions League gewonnen hat und dann: Cheese!“, rief der Fotograf und drückte schließlich ab.

Grund für den prominenten Besuch war die neue Anti-Rassismus-Kampagne des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die zu Beginn der Woche vorgestellt wurde. Unter dem Slogan „Fußballzeit ist die beste Zeit gegen Rassismus“ soll gemeinsam mit dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) der Fokus vor allem auf den Amateurbereich gelegt werden. Zum einen soll es eine Mitmachaktion für Fans geben, auch in den sozialen Medien. Zum anderen sollen langfristig Maßnahmen entwickelt werden, um Rassismus im Breitensport zu bekämpfen.

„Wenn wir über Rassismusvorfälle sprechen, erleben wir die oft in den Stadien, auf den Rängen und rund um die Nationalmannschaft wie bei der U17“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf und bezog sich damit auf die rassistischen Anfeindungen gegen Spieler bei der U17-WM.

„Wir müssen aber klar sagen: Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir dürfen vor dem, was auf den Amateurplätzen passiert, nicht die Augen verschließen. Jeder kann etwas gegen Rassismus tun, nicht nur Spieler und Spielerinnen, sondern auch Zuschauer und Eltern. All diese Menschen müssen wir erreichen und für das Thema sensibilisieren.“

Dass der Fußball ein Rassismus-Problem hat, ist nicht neu. Allerdings kam die Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Herbst zu dem Ergebnis, dass die Anzahl rassistischer Vorfälle sogar steigt. Wie der MDR berichtete, würde vermehrt der Hitlergruß beobachtet. Auch rassistische Symbole und diskriminierende Kommentare in den sozialen Medien tauchten häufiger auf.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf unterhält sich mit Kindern von Stern 1900.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf unterhält sich mit Kindern von Stern 1900.

© dpa/Soeren Stache

Gerald Asamoah, der heute als Leiter der Lizenzspielerabteilung beim Zweitligisten FC Schalke 04 tätig ist, kennt solche Erlebnisse aus seiner Zeit als Spieler. „Als ich in Cottbus gespielt habe, wurden Bananen nach mir geschmissen“, erzählte er am Montag. „Aber keiner hat sich für mein Thema interessiert. Ich wurde ausgegrenzt und musste damit klarkommen.“

Er hofft, dass durch die Kampagne gerade junge Menschen sensibilisiert und aufgeklärt werden können, denn: „Der Nachwuchs ist die Zukunft. Wenn man etwas bewegen und erreichen will, muss man es schaffen, die jungen Menschen mitzubewegen.“

Ehrenamtliche Akteure sollen gestärkt werden

Reem Alabali-Radovan, Bundesbeauftragte für Antirassismus, hat das Projekt gemeinsam mit dem DFB, dem NOFV und dem TuS Makkabi Berlin ins Leben gerufen. Ihr geht es vor allem darum, Akteure in den Amateurvereinen zu stärken, die sich bereits gegen Rassismus einsetzen, und gemeinsam mit ihnen Strategien für die Zukunft zu entwickeln.

In ihrer Heimat Mecklenburg-Vorpommern habe sie oft erlebt, dass gerade Fußballvereine für Menschen, die neu nach Deutschland kämen, oftmals die erste Anlaufstelle für Begegnungen seien, sagte Alabali-Radovan. „Da kann man einfach auftauchen und mitmachen. In manchen Orten und Dörfern ist es der einzige Ort, wo Menschen sich neu kennenlernen.“

Leider käme es auch dort zu rassistischen Vorfällen. Deshalb dürfe man Menschen, die sich oftmals ehrenamtlich gegen Diskriminierung engagieren, nicht allein lassen. „Ich bin froh, dass wir die Akteure jetzt unterstützen und empowern können.“

Gerald Asamoah ist Botschafter bei der EM in diesem Jahr.
Gerald Asamoah ist Botschafter bei der EM in diesem Jahr.

© IMAGO/Eibner

Die Kampagne des DFB wurde auch zur Europameisterschaft im Sommer ins Leben gerufen. Dort wolle Deutschland sich „weltoffen“ zeigen, betonte Neuendorf. Daher dürfe Rassismus keinen Platz haben. Auch Alabali-Radovan sagte: „Nach dem Sommermärchen 2006 wurde schnell klar, dass so ein Gefühl auch kippen kann. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir im Rahmen der Kampagne auch schwierige Themen ansprechen und zeigen: Wir haben in der Gesellschaft ein Problem mit Rassismus.“

Wir sollten mit Menschen reden, die betroffen sind und sie fragen, was man ändern muss.

Gerald Asamoah, ehemaliger Nationalspieler

Welche konkreten Maßnahmen der DFB ergreift, wird sich wohl erst im kommenden Jahr zeigen, wenn er erste Ergebnisse mit dem NOFV präsentiert. Bereits geplant sind Antirassismus-Trainings für die Amateurvereine. Auch eine Meldestelle für rassistische Vorfälle wäre theoretisch denkbar, um das Thema innerhalb des Verbandes zu institutionalisieren.

„Wir sollten mit Menschen reden, die betroffen sind und sie fragen, was man ändern muss“, betonte Asamoah, der Botschafter bei der EM ist. „Das findet noch zu wenig statt.“

Der DFB wird überdies nicht vermeiden können, sich mit der Repräsentation in der eigenen Führungsriege auseinanderzusetzen. „Ich würde mir wünschen, dass die Vielfalt, die auf den Sportplätzen sichtbar ist, sich auch in den Spitzen widerspiegelt, etwa in Vorständen und Verbänden“, sagt Alabali-Radovan. „Da brauchen wir mehr Diversität, das habe ich auch beim DFB angesprochen.“

Auch Asamoah meint: „Leider ist es in vielen großen Firmen so, dass da oben nur die weißen Herren sitzen. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.“

Welche Folgen die Kampagne gerade nach der EM haben wird, bleibt abzuwarten. Auf dem Sportplatz in Steglitz-Zehlendorf steckte die grüne Flagge mit dem schwarzen Kreuz, das ein Zeichen gegen Rassismus setzen soll, am Montagabend jedenfalls schon mal fest im Boden.

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