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Kevin Vogt (l.) hat Unions Abwehr wieder Stabilität gegeben.

© Imago/Matthias Koch

Union verschafft sich Luft im Abstiegskampf: Nenad Bjelica emanzipiert sich von Urs Fischer

Union spielt zwar noch lange nicht schön, aber steht endlich wieder stabil und fährt Erfolge ein. Das liegt auch am neuen Trainer, der wie seine Spieler langsam seinen Rhythmus findet.

Nenad Bjelica setzte sein Poker-Gesicht auf und sprach mit trockener Stimme. Doch seine Wortwahl verriet große Erleichterung. „Ich möchte meiner Mannschaft gratulieren zum ersten Auswärtssieg seit langer Zeit“, sagte der Trainer des 1. FC Union auf der Pressekonferenz nach dem 1:0 bei der TSG Hoffenheim am Samstag. „Das war sehr wichtig für jeden, der bei Union arbeitet: für die Spieler, die Betreuer, für unsere Fans. Ich freue ich mich sehr für jeden Einzelnen.“

Der Kroate war zu Recht glücklich, denn am Samstag lag ein unverwechselbarer Hauch von Aufbruch in der badischen Luft. Mit dem späten und etwas glücklichen Erfolg in Sinsheim gewann Union erstmals seit August wieder auswärts und konnte nach sechs Monaten auch erstmals wieder zwei Siege in Folge einfahren. In einem Spiel, das von einer frühen Verletzung und zwei Roten Karten geprägt wurde, erzwang Union am Ende das Glück. Und das könnte für Bjelica ein Wendepunkt sein.

Bisher waren die Meinungen geteilt über den kroatischen Trainer, der im November von Vereinslegende Urs Fischer übernahm. Neben den wichtigen Heimsiegen gegen Borussia Mönchengladbach, den 1. FC Köln und Darmstadt 98 gab es auch die wenig überzeugenden Auswärtsleistungen in Freiburg, Leipzig und Mainz. Ob Bjelica es tatsächlich schaffen würde, das taumelnde Schiff Union wieder auf Kurs zu bringen, schien zumindest fraglich, gerade nach seinem Ausraster in München. Jetzt aber scheint der Trainer in seinen Rhythmus zu kommen, und in Köpenick wirkt alles etwas rosiger.

Das liegt vor allem an der defensiven Stabilität, der jahrelang Grundstein des Union-Erfolgs war. Die war dem Team im Herbst komplett abhandengekommen, und auch in den ersten zwei Monate unter Bjelcia gab es immer wieder individuelle Fehler und Kommunikationsprobleme in der hintersten Reihe. So langsam aber wächst jetzt zusammen, was zusammen gekauft wurde.

Wir haben jetzt einen großen Sprung gemacht. Das ist schön und das Gefühl sollen wir unbedingt mitnehmen.

Marie-Louise Eta, Co-Trainerin bei Union, nach dem Sieg gegen Hoffenheim.

Die neue Stabilität hat Bjelica mit einer Mischung aus etwas Pragmatismus und einigen Anpassungen herbeigebracht. Einerseits bleibt er weiterhin dem 3-5-2-System von Urs Fischer treu, obwohl er bei seinen anderen Trainerstationen lieber mit einer Viererkette spielen ließ. Und dabei hat er auch schwierigen Entscheidungen getroffen. So musste Robin Knoche, der sowohl unter Fischer als auch unter dem neuen Trainer lange gesetzt war, am Samstag 90 Minuten auf der Bank verbringen.

„Heute haben wir so entschieden, weil wir damit gerechnet haben, dass Hoffenheim mit zwei Spitzen spielt, und da wollten wir mit Diogo Leite einen Linksfuß haben“, erklärte Bjelica. Zudem habe Kevin Vogt gegen seinen früheren Arbeitgeber spielen wollen, während Danilho Doekhi für sein Siegtor am vergangenen Wochenende belohnt wurde. Da blieb kein Platz für Knoche. „Aber wenn ich Robin statt dieser drei Spieler aufgestellt hätte, wäre das auch kein Fehler gewesen“, so der Trainer.

Robin Knoche musste diesmal 90 Minuten zuschauen

Die Qual der Wahl in der Abwehr schafft Bjelica und Union auch mehr Raum zum Atmen in der Offensive. Nach den Abgängen von Sheraldo Becker und Kevin Behrens im Januar spielt Union praktisch mit einem komplett neuen Sturm, der immer noch in der Findungsphase ist. Am Samstag gab es schon erste Hoffnungsschimmer.

Chris Bedia blieb zwar wieder auf der Bank, doch der andere Neuzugang Yorbe Vertessen konnte mit einem Assist für den Siegtorschützen Brenden Aaronson erstmals glänzen. „Das hat mich besonders gefreut für Yorbe und Brenden, die auch immer so viel investiert haben“, sagte Trainerassistentin Marie-Louise Eta im Vereinsfernsehen nach dem Spiel.

So viel Freude gab es lange nicht bei Union. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt nun acht Punkte, der auf die direkten Abstiegsplätze sogar stolze neun. Und auch sonst gibt es gute Nachrichten. Die Verletzung von Rani Khedira dürfte nach Bjelicas Einschätzung nicht so schlimm wie befürchtet sein, und in der kommenden Woche könnte auch Andras Schäfer zurück im Einsatz sein.

Das macht Hoffnung, dass das Schlimmste nun vielleicht vorbei ist. Auch, wenn sie in Köpenick noch vorsichtig bleiben. „Wir haben jetzt einen großen Sprung gemacht. Das ist schön und das Gefühl sollen wir unbedingt mitnehmen“, sagte Eta. „Und trotzdem wissen wir, dass die Saison noch lang ist.“

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