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Real Madrid hat die Champions League am häufigsten gewonnen, auch weil der Klub fast immer dabei war und viel Geld anhäufen konnte.

© AFP/Franck Fife

Reform der Champions League: Schafft sich Europas Spitzenfußball selbst ab?

Die letzte Gruppenphase in der Champions League ist gespielt. Was bleibt? Ein bisschen Wehmut und viel Resignation.

Ein Essay von Jörg Leopold

Es war das Jahr 1987, als der SSC Neapel erstmals die italienische Meisterschaft gewann. Noch Monate danach befand sich die Stadt am Vesuv deswegen im Ausnahmezustand, doch die Begeisterung wurde jäh getrübt durch die Auslosung für den Europapokal der Landesmeister. Die bescherte Neapel nämlich Real Madrid als Gegner in der ersten Runde. Was folgte, war das frühe Aus und große Ernüchterung im Team um Superstar Diego Maradona.

Drei Jahre später holte Napoli wieder den Scudetto, kam international aber auch diesmal nicht über die zweite Runde hinaus. Spartak Moskau war nach zwei torlosen Remis in Hin- und Rückspiel im Elfmeterschießen zu stark. Es war dies die letzte Saison, in der im wichtigsten europäischen Fußballwettbewerb der Faktor Glück eine gewichtige Rolle bei der Ermittlung des Siegers spielte.

Schon in der folgenden Saison gab es erstmals Gruppenspiele, wenn auch erst nach zwei K.o.-Runden. Ein Jahr später wurde der EC I – wie er zuweilen auch genannt wurde – in Champions League umgetauft. Die war anfangs noch eine Mischung aus Qualifikationsrunden, Gruppenphase und großem Finale. Teilnehmen durften zunächst ausschließlich die nationalen Meister. Das änderte sich zur Saison 1997/98, als erstmals auch Vizemeister am Start waren.

Weitere zwei Jahre später wurde die Champions League auf 32 Mannschaften aufgestockt, selbst Tabellenplatz vier reichte Klubs in den Topligen nun für die Qualifikation. Zwischenzeitlich gab es sogar zwei Gruppenphasen, der Sieger hatte am Ende 17 Spiele bestritten. Seit der Spielzeit 2003/04 wird die Champions League im bis heute gültigen Format gespielt, es ist eine Erfolgsgeschichte sondergleichen – sportlich, noch mehr aber finanziell.

Dabei stand am Anfang eine Boykottdrohung im Raum. Europas Topklubs wollten eine eigene Liga gründen, im Europapokal gab es schlichtweg zu wenig Geld zu verdienen. Insbesondere gab es keine Garantien dafür, es international auch weit zu schaffen – siehe Neapel. Die Uefa stand also unter Druck und ein bisschen erinnert das an die Drohkulisse Super League, die seit einigen Jahren von den gleichen Spitzenteams aufgebaut wird. Wie damals geht es auch diesmal ums Geld.

Und deswegen wird die Champions League zur Saison 2024/25 reformiert. Es ist eine Super League light, mit dann 36 Klubs, die in einer Liga antreten und künftig garantiert mindestens acht Spiele absolvieren dürfen. Bis zu fünf Teams einer Nation können dabei mitmischen, man muss längst kein Meister mehr sein, um Europas Champion zu werden.

Ab der neuen Saison wird mit 36 Teams in einer Liga gespielt

Die nun bis auf Weiteres zu Ende gegangene Ära der Gruppenphase wurde schnell als das entlarvt, was sie war: Eine Geldvermehrungsmaschine. Und doch hatte sie eine gewisse Klarheit, der Modus war nachvollziehbar und die Fans hatten sich sogar daran gewöhnt, dass der Überraschungsfaktor irgendwann beinahe komplett ausgemerzt worden war. Eine Auslosung ohne Setzliste? Undenkbar.

Meist war danach schon klar, wer in den K.o.-Spielen dabei sein würde. In dieser Saison haben es von den 16 Teams aus den Lostöpfen 3 und 4 gerade einmal vier ins Achtelfinale geschafft. Spannend geht anders, der FC Bayern München beispielsweise hat in der Gruppenphase 40 Mal hintereinander nicht verloren. Eine unglaubliche Serie, aber eben auch eine, die den wirtschaftlichen Realitäten in Europas Fußball geschuldet ist.

Fans protestieren gegen die Uefa, so geschehen am Dienstag beim Bayern-Spiel in Manchester.
Fans protestieren gegen die Uefa, so geschehen am Dienstag beim Bayern-Spiel in Manchester.

© Reuters/Carl Recine

Künftig wird die Lücke zwischen den Superreichen und denen, die es auch gern wären, noch größer. Die Uefa setzt mit ihren Europapokalwettbewerben unglaubliche Summen um. Und die sollen von aktuell 3,5 Milliarden Euro auf bald 4,8 Milliarden steigen. Nötig dafür sind – nach Logik des Verbandes und der Topklubs – mehr Spiele für bessere Planungssicherheit und noch höhere Erlöse aus den Übertragungsrechten.

Dass Liveübertragungen der Champions League in Deutschland bis auf das Finale komplett aus dem Fernsehen (Free- und Pay-TV) verschwunden sind, spielt dabei keine Rolle. Es gibt genügend Unternehmen (inzwischen auch längst jenseits klassischer Medienhäuser), die dafür bereitwillig gigantische Summen investieren, weil sie wissen, dass ihre Kundschaft genauso bereitwillig Abogebühren zahlt, um sich die Spiele anzuschauen.

4,8
Milliarden Euro will die Uefa ab der Saison 2024/25 in ihren Europapokalwettbewerben umsetzen

Wohin das alles noch führen mag? Es gibt manchen in der Fußballbranche, der glaubt, dass die Kommerzialisierung ihren Höhepunkt erreicht hat. Erste Zuschauer wenden sich vom Hochglanzprodukt ab, die Champions League ist längst eine Bühne und kein Acker mehr. Doch für die Hardcore-Anhänger rücken Eventfans nach, es findet ein schleichender Austausch der Fußball-Kundschaft statt.

Auch deshalb fällt es schwer daran zu glauben, dass die Champions League künftig im neuen Modus weniger profitabel sein wird. Sie dürfte nur anders erfolgreich sein als bisher. Dabei ist Klubs und Verbänden egal, woher das Geld kommt – der gerade abgesegnete Investorendeal in der Bundesliga zeigt, wo es im Fußball langgeht.

Die Entwicklung ist dabei noch lange nicht abgeschlossen, so richtig ins Rollen gekommen ist sie einst auch wegen eines Erstrundenduells im Europapokal der Landesmeister zwischen Real Madrid und dem SSC Neapel. Dass sich beide Klubs aktuell in der letzten Gruppenphase in der Geschichte der Champions League wiedertrafen, ist eine Ironie der Geschichte. Auch diesmal blieben die Spanier dabei siegreich, weitergekommen sind anders als im Jahr 1987 aber letztlich beide Teams.

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