zum Hauptinhalt
In der zweiten Hälfte wurden immer wieder Tennisbälle auf den Platz geworfen. Die Proteste dauerten über eine halbe Stunde an.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Michael Taeger

Update

Hertha BSC erwartet eine „empfindliche Strafe“: Wie der Verein auf die Fanproteste reagiert hat

Das Zweitliga-Topspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV stand nach Fanprotesten aus der Berliner Kurve kurz vor dem Abbruch. Das Ausmaß der Proteste ging vielen zu weit.

Haris Tabakovic, der Mittelstürmer, fackelte nicht lange, wie man so schön sagt. Er machte es kurz und knapp: „Auf das möchte ich nicht eingehen, das ist Sache der Fans“, antwortete er, nachdem er zu den Protesten der Anhänger von Hertha BSC beim Spiel gegen den Hamburger SV befragt worden war.

Mittelstürmer wie er benötigen einen guten Instinkt. Und instinktiv schreckte Tabakovic möglicherweise vor weiteren Ausführungen zurück. Vielleicht weil er ahnte, dass er sich mit allem, was er sagen würde, unbeliebt machen würde. Bei wem auch immer. Die Angelegenheit nimmt immer emotionalere Formen an, und die Fronten zwischen organisierter Fanszene und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) scheinen sich zunehmend zu verhärten.

Das war am Samstagabend exemplarisch im Berliner Olympiastadion zu beobachten, wo der Protest gegen die Investorenpläne der DFL ein bisher nicht gekanntes Ausmaß annahmen. „Da sind viele auf ihre Kosten gekommen“, sagte Tim Walter, der Trainer der Hamburger. 

Seit Anfang des Jahres wird in den Stadien der Ersten und Zweiten Liga gegen einen Investoreneinstieg protestiert. So massiv aber wie am Samstagabend war es bisher noch nie. Das Zweitliga-Topspiel zwischen Hertha und dem HSV, in dem es für die Berliner um einiges ging, stand kurz vor dem Abbruch.

Es lief die 53. Minute, als Hertha vor der eigenen Ostkurve einen Eckball zugesprochen bekam. Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny machte sich zur Ausführung bereit, doch dazu kam es nicht. Von den Rängen flogen Tennisbälle aufs Feld. So wie es in der ersten Hälfte auf der anderen Seite mit den Fans des HSV passiert war.

Wenn wir hier in die Katakomben gehen, dann ist das wirklich das letzte Mittel. Da wusste jeder, welche Konsequenz da folgen könnte.

Schiedsrichter Daniel Schlager über mögliche Folgen der Fanproteste

Doch anders als beim Protest des HSV-Anhangs wollte der Hagel diesmal einfach nicht aufhören. Mehrmals schien sich die Situation beruhigt zu haben und Kenny den Ball endlich in den Strafraum schlagen zu können. Aber dann ging es wieder los. Selbst Herthas Trainer Pal Dardai, der sich wie später auch Ersatztorhüter Marius Gersbeck in die Kurve begeben hatte, um auf die Ultras einzuwirken, konnte das zunächst nicht verhindern.

Der Protest sei okay, sagte Dardai den Fans, „wir haben verstanden“. Allerdings bat er auch um Rücksicht auf seine Spieler, die das dritte Spiel innerhalb von acht Tagen zu bestreiten hatten. „So eine Unterbrechung kostet Energie“, erklärte Dardai.

Hertha BSC war einer der wenigen Vereine gewesen, der gegen einen Einstieg der Investoren gestimmt hatte.
Hertha BSC war einer der wenigen Vereine gewesen, der gegen einen Einstieg der Investoren gestimmt hatte.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Der erhoffte Erfolg seiner Intervention blieb zunächst aus, und so gab Schiedsrichter Schlager nach knapp 20 Minuten das Zeichen, dass beide Teams das Feld verlassen sollten. „Wenn wir hier in die Katakomben gehen, dann ist das wirklich das letzte Mittel. Da wusste jeder, welche Konsequenz da folgen könnte“, sagte der 34-Jährige, der seit 2018 Bundesligaspiele leitet.

Auf die Frage, ob ein weiterer Vorfall den Abbruch der Partie zur Folge gehabt hätte, antwortete Schlager: „Das ist hypothetisch, aber wir waren auf jeden Fall nicht weit davon entfernt.“

Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch

Ziemlich genau eine halbe Stunde dauerte es, bis es weiterging und das Spiel unfallfrei zu Ende gebracht werden konnte. „Das war ein Tick zu viel, bei dieser Uhrzeit“, sagte Pal Dardai. Er machte sich vor allem Sorgen um die Gesundheit seiner Spieler, erklärte aber auch mit Blick auf den Protest: „Wir müssen die Situation akzeptieren.“

Auch Tom Herrich, Herthas Geschäftsführer, äußerte „totales Verständnis für die Kritik“ der Fans. Der Protest sei „völlig legitim“, aber am Samstagabend hatte er für seinen Geschmack den Rahmen gesprengt. „Das ging mir deutlich zu lang. Und nicht nur mir“, sagte Herrich. „Dann ist irgendwann halt auch gut.“

Herthas Geschäftsführer erwartet nun „eine empfindliche Strafe“ durch den Kontrollausschuss des DFB. Das trifft den zum Sparen gezwungenen Verein hart. „Für uns ist jeder Cent wichtig“, sagte Trainer Dardai. Eine hohe Strafe wäre auch deshalb besonders bitter, weil die Berliner – dem Wunsch der kritischen Fans entsprechend – im Dezember gegen Verhandlungen mit möglichen Investoren gestimmt hatten.

Nach dem Spiel erklärten die Ultras Herthas Spielern den Hintergrund ihres Protests. Er kenne die Sachlage nicht im Detail, sagte anschließend Fabian Reese, aber der Protest werde schon einen Grund haben. „Ich glaube, dass beide Seiten aufeinander zugehen sollten“, sagte er. „Wir haben eine unglaubliche Fußballkultur in Deutschland. Diese DNA darf uns nicht verloren gehen.“

Die lange Pause sei natürlich nicht hilfreich gewesen, sagte Reese, der erst nach der Unterbrechung eingewechselt wurde. Aber weder sei es eine Benachteiligung für Hertha noch der Grund für die Niederlage gewesen. „Ich habe danach ein sehr gutes Fußballspiel gesehen, ein sehr wildes Fußballspiel: Visier runter und Konter um Konter“, erklärte Herthas Offensivspieler. „Für den neutralen Zuschauer war das wie ein Katalysator.“

Oder bildlich gesprochen: Nach quälend langem Grundlinien-Tennis bekamen die Zuschauer im zweiten Satz ein astreines Serve-and-Volley-Spektakel zu sehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false