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20er Jahre Ball Potsdam

© MICHAEL LÜDER

Opulente Zeitreise: Restauratoren-Paar holt die Goldenen Zwanziger nach Potsdam

Unter dem Motto „Eine südamerikanische Nacht“ versammelten sich am Sonnabend hundert Tanzbegeisterte zum vierten Potsdamer Zwanziger-Jahre-Ball. Eine musikalische wie optische Reise. 

Von Alicia Rust

Schon beim Betreten des opulent geschmückten roten Ballsaals im Logenhaus in der Kurfürstenstraße 52 kommt das Gefühl eines Zeitsprungs auf: Goldene Lametta-Girlanden hängen von der Decke herab, im Zentrum drei flimmernde Spiegelkugeln, eine Szenerie, in sanftes Kerzenlicht getaucht. Die Samtvorhänge des Saals sind zugezogen, frei nach dem Motto: Die Gegenwart muss draußen bleiben, der Abend steht ganz im Zeichen der Zeit vor 100 Jahren.

Männer im Frack oder Smoking betreten den Saal, etliche tragen Zylinder, Damen in eleganten Paillettenkleidern. Man kann sich kaum sattsehen angesichts der vielen Details: lange Handschuhe, Federboas, Haarschmuck mit funkelnden Perlen, die meisten Herren tragen Fliege.

Wir haben versucht, uns atmosphärisch in die Zwanziger hineinzuversetzen.“

Max Oliver Wenske, Veranstalter des Zwanziger-Jahre-Balls

Kurioserweise wirkt nichts davon kostümiert. „Wir haben versucht, uns atmosphärisch in diese Zeit hineinzuversetzen“, sagt Max Oliver Wenske, der den historischen Ball mit seiner Frau Grit Jehmlich zum vierten Mal veranstaltet hat. Ein Jahr hat das geschichtsbegeisterte Potsdamer Restautorenpaar in die Vorbereitungen investiert – nach drei Jahren Corona-Zwangspause. 

Stilecht feiern

„Wir sind sehr konservatorisch an die Sache herangegangen“, sagt Wenske. „Das fängt mit der zeitgenössischen Deko an und hört beim Dresscode auf.“ Ein wesentlicher Aspekt sei die musikalische Begleitung. Über vier Stunden wurde das Publikum vom Casanova Society Orchstra aus Berlin unterhalten, bekannt für sein Zwanziger-Jahre-Repertoire. Gespielt wurden vor allem Rumba, Cha-Cha-Cha, Tango, Samba und Charleston. Mit „Oh Donna Clara“ schmetterte Sänger Andreas Holzmann ein freches Liedchen, was auch die Frivolität jener Zeit gut auf den Punkt brachte.

Nach und nach füllte sich die Tanzfläche bis auf den letzten Fleck. Hundert Gäste, dicht gedrängt, auf dem Parkett des rund 200 Quadratmeter großen Saals der Tanzschule Linksfüßer. „Wir lieben diese Atmosphäre, die typischen Tänze aus dieser Zeit, das ist unser Ding“, sagte Annette, die mit ihrem Mann Rolf aus Brandenburg/Havel angereist war. Bereits vor Monaten habe sie auf einer Reise durch Frankreich nach Vintage-Schmuck auf Flohmärkten gesucht und sich mit den Details des Make-ups und der Kleidung jener Zeit beschäftigt. 

Uns geht es darum, diesen Event alle zwei Jahre zu realisieren. 

Grit Jehmlich, Veranstalterin des Zwanzigerjahre-Balls

„Viele der weiblichen Gäste gehen vor dem Ball extra zum Friseur und lassen sich eine Wasserwelle legen“, verrät Jehmlich. Linda erzählt, dass es sich dabei um eine Prozedur handele, die über anderthalb Stunden dauere. Inzwischen hat der nicht kommerzielle Potsdamer Zwanziger-Jahre-Ball eine richtige Fangemeinde. Bereits nach zwei Wochen waren die 120 Euro teuren Tickets ausverkauft.

„Die Kosten für Orchester, Catering, Service-Pauschale, Deko und Saalmiete werden durch die Anzahl der Teilnehmer geteilt“, sagt Wenske. „Am Ende verdienen wir nichts daran.“ Ihnen gehe es darum, diesen Ball, falls möglich, alle zwei Jahre zu realisieren, sagt Jehmlich.

Die Nacht zum Tage gemacht

Man wolle diese Zeit nicht verklären. Die zwanziger Jahre waren vieles, doch mit Sicherheit nicht nur golden. Eine Zeit, berühmt für ihre Eleganz wie Dekadenz, doch auch für das große Elend, unter dem ein beachtlicher Teil der Bevölkerung litt. Eine Demokratie, die den Aufstieg der Nationalsozialisten nicht verhindert hat. „Wir sind uns bewusst, dass es sich um eine Zeit starker Umbrüche gehandelt hat und wir möchten die Schattenseiten nicht unter den Teppich kehren“, sagt Wenske. Doch bei allen negativen Nachrichten in diesen Tagen gelte es auch etwas zu veranstalten, was den Menschen Freude bereite. 

Ausschlaggebend für die Idee, die für ihn und seine Frau zu einer Art Mission geworden ist, waren die Erzählungen seiner Großeltern Max und Margarete über ihre jugendlichen Ausflüge in Berliner Tanzlokale in den Zwanzigern. Wenske zeigt vergilbte Familienfotos von der noch jungen Margarete als Flappergirl, im mehrlagigen Tanzkleid mit langer Kette. „Ihre Geschichten über die Zeit, wo sie die Nacht zum Tage machten, haben mich inspiriert“, sagt Wenske. 

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