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Taucher_Tiefe Brücke_Oberuckersee

© Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg

Trocken war nur das Studium: Unterwasserarchäologen erhalten Brandenburgischen Denkmalpflegepreis 

Vermessen, kartieren, um Licht in die Welt unserer Vorfahren zu bringen. Das ist unter Wasser doppelt schwer. Und dann sind da noch die Gegenspieler, Plünderer und die Dreikantmuschel.

Von Silvia Passow

Manchmal, wenn Dietgard Kühnholz wieder auftaucht, sieht sie die Umgebung, das Ufer des Sees, mit anderen Augen. War dort eine Siedlung, da eine Brücke? Es sind Puzzleteile, die sie beim Tauchen entdeckt, je mehr Teile, umso klarer wird das Bild, sagt sie. Kühnholz taucht in Brandenburger Gewässer nach Relikten der Vergangenheit. Meistens sind es Seen, die ihre Aufmerksamkeit erregen. Liegt eine Insel im Gewässer, ist die Wahrscheinlich groß, etwas zu finden, erklärt die 64-jährige. Denn unsere Vorfahren bauten ihre Siedlungen gern auf Inseln, die sie mit Brücken mit dem Festland verbanden.

Kühnholz taucht im Namen der Wissenschaft. Sie ist Vorsitzende des Vereins für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg e.V. mit Sitz in Dallgow-Döberitz im Havelland. Der Verein feiert im nächsten Jahr 30-jähriges Jubiläum und Kühnholz war fast von Anfang an dabei. Für seinen Verdienst wird der Verein heute (14.9.) mit dem brandenburgischen Denkmalpflegepreis 2023 ausgezeichnet. Damit ist der Verein einer von vier Preisträgern des mit 4500 Euro dotierten Preises.

Trockenes Studium, nasses Ehrenamt

Kühnholz sagt, sie freue sich sehr über diese Wertschätzung. Immerhin arbeiten sie und ihr Verein meist unsichtbar, abgetaucht, ihn wahrsten Sinne. Sie selbst hat Ur- und Frühgeschichte mit den Fächern Geologie und Ethnologie in Berlin studiert. „Ein eher trockenes Studium“, sagt sie und fügt hinzu: „Einer meiner Dozenten sagte damals: Die Zukunft der Archäologie liegt im Wasser.“ Dem Tipp folgt sie in ihrer Freizeit, hauptberuflich ist sie an Land geblieben, arbeitet in Niedersachsen.

Dietgard Kühnholz, Vorsitzende des Verein Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg e.V.

© Silvia Passow/TSP

33 Mitglieder hat der Verein derzeit, knapp die Hälfte davon taucht auch ab. Vier Forschungstaucher mit spezieller Ausbildung sind dabei. Für alle ohne archäologischen Hintergrund gibt es Ausbildungen, wie mit den Fundstücken umzugehen ist. Hier sind spezielle Kenntnisse genauso wie Erfindergeist gefragt. Denn ein Terrain unter Wasser ausmessen ist viel aufwendiger als an Land. Auch wenn inzwischen nicht nur Maßbänder genutzt werden, sondern GPS-gestützte Technik, gegen Auftrieb und Strömung muss dennoch angekämpft werden.

Taucher im Einsatz im Oberuckersee in der Uckermark.

© Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg

Wenn Kühnholz erzählt, wie unter Wasser gesägt wird, kommen Zuhörende schnell ins Schwitzen. Getaucht wird derzeit im Schermützelsee und im Stolpsee. Tiefen Eindruck hinterließen bei Kühnholz die Funde im Oberuckersee. Zwei Brücken verbanden die slawischen Siedlungen am Land, mit einer Insel im See. „Eine dieser Brücken war etwa zwei Kilometer lang. Eine technische Meisterleistung. Die Erbauer mussten dazu 16, 17 Meter Wassertiefe überwinden“, erklärt die Vereinsvorsitzende lebhaft. Aufschluss darüber geben die Brückenpfeiler, auf denen die Brücke einst ruhte und die noch im Grund des Sees stecken. Dort unten sind sie vom Sauerstoff abgeschlossen, dadurch ist das Holz gut konserviert. Wird das Holz aus dem Wasser entfernt, ist dieser Effekt dahin. Deshalb werden Proben nur selten aus dem Wasser geholt. Wenn es doch sein muss, werden sie in Gefäßen, mit dem Wasser des Fundortes, gelagert, erklärt Kühnholz.

Bei der Vorbereitung eines Tauchgangs Taucheinsatz ist Konzentration gefragt.

© Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg

Werden Fundstücke illegal mitgenommen und im Wohnzimmer aufbewahrt, beginnen die Zersetzungsprozesse. „Viele Taucher wissen das nicht. Dann gehen uns wichtige Funde verloren und es fehlt ein Puzzleteil, die Geschichte kann dann nicht mehr vollständig erzählt werden“, bedauert Kühnholz. Leider wird immer wieder geplündert. So auch im Werbellinsee, wo einige gesunkene Kaffeekähne liegen. Sie stammen aus der Zeit, als für den Aufbau Berlins viele Ziegel aus Brandenburg in die Stadt gefahren wurden. Manch überladenes Schiff ging im tückischen Werbellinsee unter. „Diese Kähne hatten Plaketten. Davon findet sich jetzt nichts mehr, die wurden alle illegal entfernt“, sagt Kühnholz und erklärt, solche Fundstücke dürfen nicht einbehalten werden.

Unscheinbar, aber wichtig: Reste einer Brücke am Oberuckersee.

© Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg

Neben dem Klimawandel, der die Wasserspiegel absinken lässt und damit Funde im Ufer nahen Bereich gefährdet, macht auch die eingewanderte Dreikantmuschel Probleme. „Sie reinigt das Wasser, es wird klarer, was für uns gut sein könnte. Doch leider macht sie auch das Holz kaputt.“ Dem bevorzugten Baumaterial der Slawen.

Und? Hat der Verein schon mal einen Schatz mit Münzen oder Gold gefunden? Nein, kein Gold, sagt Kühnholz. „Aber Schätze schon. Unsere Schätze sind die Funde, die eine Annahme untermauern oder belegen können“, sagt sie. Das kann ein unscheinbares Stück Holz sein. Das fehlende Puzzleteil, für das Bild aus einer fernen Zeit.

Der Brandenburger Denkmalpflegepreis wird seit 1992 jedes Jahr an Privatpersonen, Vereine oder Kommunen verliehen, die sich im Besonderen für den Erhalt von Denkmalen einsetzen.

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