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ARCHIV - 17.04.2023, Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, stellt neben Carsten Linnemann, stellvertretender Bundesvorsitzender, die Mitgliederumfrage zum Grundsatzprogramm der CDU vor. CDU-Chef Merz wechselt nach gut eineinhalb Jahren seinen Generalsekretär Czaja aus. Beide hätten sich «heute einvernehmlich darauf verständigt, ihre Zusammenarbeit an der Parteispitze zu beenden», teilte die CDU am Dienstag in Berlin mit. Nachfolger soll demnach der Bundestagsabgeordnete und Chef der Grundsatzkommission der CDU, Carsten Linnemann, werden. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Michael Kappeler/Archiv

Update

Merz äußert sich nach massiver Kritik: „Wird auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“

CDU-Chef Merz spricht sich für einen pragmatischen Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene aus und sorgt damit in der Union für große Empörung. Am Montagmorgen veröffentlicht er eine Klarstellung.

| Update:

CDU-Parteichef Friedrich Merz ist mit seinen Äußerungen zu einem möglichen gemeinsamen Vorgehen mit der AfD auf kommunaler Ebene auf heftige Kritik in der eigenen Partei gestoßen.

Merz hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag erneut bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Er beschränkte dies nun aber auf „gesetzgebende Körperschaften“, etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, meinte Merz.

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„Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“ Was er damit genau meint, blieb in dem Interview jedoch offen.

Merz veröffentlicht Klarstellung

Am Montagmorgen sah sich der CDU-Chef dann zu einer Klarstellung gezwungen. Auf seinem Twitter-Kanal schrieb Merz: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.

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Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte bereits am Sonntagabend versucht, die Aussagen des CDU-Chefs zu relativieren: Für die CDU sei klar, dass es „keine Zusammenarbeit mit der AfD“ gebe, „egal auf welcher Ebene“, sagte Linnemann der „Bild“.

„Das sieht auch Friedrich Merz so, wenngleich er zu Recht auf die schwierige Umsetzung vor Ort hinweist. Denn wenn es im Kommunalparlament etwa um eine neue Kita geht, können wir nicht nur deshalb dagegen stimmen, weil die AfD mitstimmt. Wir machen uns von Rechtsradikalen nicht abhängig.“ Merz veröffentlichte die Aussagen Linnemanns auch auf seinem Twitter-Account.

Am Montagabend bekräftigte Linnemann, dass für seine Partei eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen sei. Dies habe auch der Parteivorsitzende Friedrich Merz klar zum Ausdruck gebracht, es gelte für jede politische Ebene, so der Generalsekretär bei einer Veranstaltung der CDU-Hessen in Wiesbaden.

Merz hatte in der vergangenen Woche bei der Klausur der CSU-Landesgruppe die Union als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet. Dafür erntete er ebenfalls Kritik. Zu Beginn seiner Amtszeit als Parteivorsitzender hatte er „eine Brandmauer zur AfD“ versprochen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Ein Verbot der Partei lehnte Merz in dem ZDF-Interview ab: „Parteiverbote haben noch nie dazu geführt, dass man ein politisches Problem löst.“

Auch Söder distanziert sich

Unterdessen hat sich auch CSU-Parteichef Markus Söder von den Aussagen Merz’ aus dem Sommerinterview distanziert. „Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab - egal auf welcher politischen Ebene“, twitterte Söder am Montagmorgen. Die AfD sei demokratiefeindlich, rechtsextrem und spalte die Gesellschaft. „Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar“, fügte Söder an.

Markus Söder (l), CSU-Parteivorsitzender, und Friedrich Merz (M), CDU-Vorsitzender, nehmen an der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU teil.  (Archivbild)
Markus Söder (l), CSU-Parteivorsitzender, und Friedrich Merz (M), CDU-Vorsitzender, nehmen an der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU teil. (Archivbild)

© dpa/Peter Kneffel

Empörte CDU-Politiker: Für Christdemokraten sind Rechtsradikale Feind

Bei vielen Unions-Politikern ist die Empörung über die Äußerungen Merz’ ebenfalls groß. Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb auf Twitter: „Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale IMMER Feind!“

Die Bundesvorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz (CDU), meinte mit Blick auf die AfD: „Die Partei u. ihre menschenverachtenden & demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene.“ Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. „Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der #CDU eine Mehrheit finden.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) möchte auf keiner Ebene mit der AfD kooperieren. Der Grundsatz der CDU, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten sei „richtig, zwingend und notwendig“, sagte der CDU-Politiker am Montag im Deutschlandfunk. „Es muss da ein klarer Strich gezogen werden.“ Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Landesschef Hendrik Wüst äußerte sich nicht zu Merz’ AfD-Kommentaren. Wüst sei „urlaubsbedingt leider nicht verfügbar“, teilte die Landespartei auf dpa-Anfrage mit.

Auch der Generalsekretär des mitgliederstärksten CDU-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Paul Ziemiak, stellte auf dpa-Anfrage in Düsseldorf klar: „Als CDU NRW lehnen wir jedwede Zusammenarbeit mit der AFD ab - das gilt auch auf kommunaler Ebene.“ Die Beschlusslage der CDU gelte.

Der CDU-Politiker und ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans schrieb auf Twitter zu den Aussagen von Merz: „Der Parteitagsbeschluss besagt, dass jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist. Das hier ist die schleichende Verwässerung von Parteitagsbeschlüssen nach Wahlerfolgen der extremen Rechten.“

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Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sagte dem Tagesspiegel: „Auch der CDU-Vorsitzende ist an die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitags gebunden.“ Dieser habe jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen.

Ähnlich empört reagierte CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler: „Keine Zusammenarbeit mit der #AfD heißt: keine Zusammenarbeit mit der AfD. Auf keiner Ebene. Ganz einfach. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.“ Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak schrieb auf Twitter, die AfD bedrohe den liberalen Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaftsordnung - auch in den Kommunen. „Der #Unvereinbarkeitsbeschluss der @cdu ist eindeutig.“

CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler (Archivbild)
CDU-Bundesvorstandsmitglied Serap Güler (Archivbild)

© imago images/Ralph Sondermann

In dem Beschluss heißt es unter anderem: „Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab.“

Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, teilte in Berlin mit, die „realitätsfernen und fahrlässigen Äußerungen von Friedrich Merz machen deutlich, dass er die Zerstörungs-Strategien der AfD noch immer nicht realisiert hat“. Diese AfD habe nicht das Gemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger und die Gestaltung der Demokratie im Sinn. „All denen aus seiner Partei und den anderen demokratischen Parteien, die ihm entschieden widersprechen, gebührt Respekt und Unterstützung.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf Twitter: „Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben? Die CDU kann, will und wird nicht mit einer Partei zusammenarbeiten, deren Geschäftsmodell Hass, Spaltung und Ausgrenzung ist.“ Die AfD dagegen sieht die Merz-Äußerungen positiv und will zusammen mit der CDU künftig Zusammenarbeit möglich machen.

Der hessische CDU-Vorsitzende Boris Rhein hingegen zeigt sich weniger verärgert: „Nein, ich ärgere mich darüber gar nicht, weil Friedrich Merz ja eine klare Aussage gemacht hat.“ Es gebe der hessischen CDU die Möglichkeit, zusätzlich eine sehr klare Aussage zu machen. „Es gibt eine klare Brandmauer zur AfD. Es gibt keine Zusammenarbeit mit diesen Leuten. Diese Partei hat mit uns nichts zu tun, wie werden nicht kooperieren, nicht koalieren“, betonte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 8. Oktober.

AfD-Chefin sieht Zusammenarbeit mit ihrer Partei für unumgänglich

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schrieb zu der Debatte auf Twitter: „Nun fallen erste Steine aus der schwarz-grünen Brandmauer. In Ländern und Bund werden wir die Mauer gemeinsam niederreißen. Gewinner werden die Bürger sein, die Wohlstand, Freiheit und Sicherheit durch interessengeleitete Politik wiedergewinnen.“

AfD-Chefin Alice Weidel hält eine Zusammenarbeit der CDU mit ihrer Partei für unumgänglich. „Die CDU wird nicht umhinkommen, das unsinnige Kontaktverbot zur AfD aufzuheben“, sagte Weidel am Montag der „Süddeutschen Zeitung“. „Es führt die CDU in die linke Falle und macht sie zum bloßen Spielball der Grünen.“ 

Wegen Merz’ Klarstellung am Montag warf Weidel dem CDU-Chef einen „Schlingerkurs“ vor. Merz habe „nun zum wiederholten Mal Angst vor der eigenen Courage“ gezeigt. 

Grüne und SPD über Merz irritiert, Linke übt harsche Kritik

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erwartet von der Union Klarheit zum Umgang mit der AfD. „Deutschland braucht eine verlässliche konservative Partei“, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Montag der dpa. „Verlässlich heißt standfest und lösungsorientiert in Regierung und Opposition. Nach den Äußerungen von Friedrich Merz vom Wochenende mache ich mir große Sorgen um die stabilisierende Rolle der Union in unserer gemeinsamen Republik.“

Eine „orientierungslose und irrlichternde Partei“ leiste immer nur den Populisten Vorschub, warnte Habeck. „Ich hoffe daher sehr, dass nach diesen Äußerungen in der Union eine Reflexion stattfindet.“ 

Kritik an Merz übte auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in der ARD: „Erst reduziert er diese Partei auf eine bessere Alternative für Deutschland und jetzt baut er die Brandmauer - die ja selbst von der Union immer wieder beschworen wurde - ein kleines Stück ab.“ Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb: „Die Kommunalpolitik ist die Wiege unserer Demokratie. Gerade hier darf Brandmauer zur antidemokratischen AfD nicht fallen. Denn sonst fällt sie in den ‚gesetzgebenden Ebenen‘ erst recht.“

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wertete Merz’ Äußerung als „Tabubruch“. Es sei jetzt Zeit für einen „Richtungsstreit in der CDU“, sagte Kühnert am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Der Sozialdemokrat sprach von einem Kurswechsel, den Merz offensichtlich für seine CDU anstrebe - und den er auf eine „total brüchige Argumentation“ aufbaue. „Er sagt, wir müssten doch demokratische Wahlen anerkennen. Aber wer spricht denn dagegen?“, fragte Kühnert.

„Nur auf eines hat sie - wie alle anderen Parteien auch - kein Anrecht, nämlich dass politisch mit ihr kooperiert wird. Dass sie Teil der Mehrheiten vor Ort sein muss“, sagte der Generalsekretär. „Und genau hier stößt Friedrich Merz rein und sagt jetzt, dass seine CDU vor Ort eben doch mit der AfD nach Mehrheiten offenkundig suchen kann. Und das ist der Tabubruch, und hier muss klar und deutlich widersprochen werden.“

SPD-Fraktionschef Jochen Ott zeigt sich „bestürzt“. Er „hoffe, dass die CDU hier ihre eigenen Prinzipien nicht verrät“, sagte Ott dem Tagesspiegel. Kritik kam auch aus Reihen der FDP.

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch sagte dem Tagesspiegel: „Merz’ Brandmauer nach Rechtsaußen bekommt riesige Löcher. Es ist eine Frage der Zeit, wann sie einstürzt.“ 

Die AfD liegt in einer Insa-Umfrage bundesweit bei 22 Prozent und damit nur noch vier Prozentpunkte hinter der Union. Damit legte die AfD in der wöchentlichen Umfrage im Auftrag der „Bild am Sonntag“ um zwei Punkte zu. In den Erhebungen anderer Meinungsforschungsinstitute hatte die AfD zuletzt ebenfalls bei 20 Prozent gelegen. CDU/CSU kommen bei Insa auf 26 Prozent (minus 1 Punkt).

Zuletzt wurde im Landkreis Sonneberg (Thüringen) der AfD-Politiker Robert Sesselmann zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt. In Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt wurde ein AfD-Politiker zum hauptamtlichen Bürgermeister bestimmt. (dpa)

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